Instagram*-Sperre trifft Blogger und Unternehmer

Instagram ist in Russland blockiert und soll als extremistische Organisation eingestuft werden. Das trifft nicht nur die dauerpostenden Russen, sondern auch viele Geschäftsleute, die um Reichweite und Einnahmen fürchten.

Instagram
Russlands Blogger müssen sich um neue Plattformen oder neue Jobs kümmern. (Foto: Sergej Wedjaschkin/ AGN Moskwa)

Anton Schastun schien es fast geahnt zu haben. Im Januar fragte der Komiker und Moderator in der Late-Night-Show bei GQ TV den Blogger Danja Milochin, was er denn machen werde, sollte seine Lieblingsplattform TikTok verschwinden. Dann werde er wohl bei Instagram Videos hochladen, antwortete Milochin. Und wenn es kein Instagram mehr gibt, dann gehe er halt bei McDonald’s arbeiten.

Zwei Monate später ist aus dem lustigen Gespräch teilweise Realität geworden. Am 15. März hat die Burger-Kette aus den USA ihr Geschäft in Russland zumindest vorübergehend eingestellt. Und auch Instagram ist offiziell nicht mehr erreichbar. Weil der Instagram-Mutterkonzern Meta in einigen Ländern Hatespeech gegenüber russischen Soldaten zulässt, will die Generalstaatsanwaltschaft das Unternehmen als extremistisch einstufen. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor ließ daraufhin das Foto-Netzwerk auf die Liste verbotener Homepages setzen.

Für die Instagram-verrückten Russen ein herber Schlag. Gut 56 Millionen Menschen nutzen hierzulande die App. Davon sind nach Angaben der auf soziale Medien spezialisierten Monitoring-Agentur „Brand Analytics“ 38 Millionen regelmäßig aktiv. Bei der Anzahl der Posts ist Instagram unangefochtener Spitzenreiter in Russland, weit vor dem zweitplatzierten Vkontakte.

Russen sind intensive Instagram-Nutzer

Viele Nutzer stehen vor der Frage, wie es weitergehen soll (und ob sie Instagram noch legal nutzen können). „Wenn sie Instagram wirklich blockieren, kommt jeden Abend 20 Uhr zum Kursker Bahnhof. Dort zeig ich dann meine Fotos auf dem Handy“, scherzte einer von Russlands bekanntesten Fotografen Maxim Marmur ein paar Tage vor der Sperre. Während Marmur seine Bilder eher über Agenturen verkauft, stehen andere vor der Existenzfrage. Denn Instagram ist auch in Russland ein großes Business geworden. Das Unternehmen selbst gab zuletzt an, 45,8 Prozent der werberelevanten Zielgruppe bei den über 13-Jährigen zu erreichen.

Laut der Instagram-Werbeagentur „ADinBlog“ nahmen russische Blogger 2020 5,8 Milliarden (damals ungefähr 71 Millionen Euro) ein. Wladimir Sykow, Direktor der Vereinigung der Berufsnutzer sozialer Medien, geht davon aus, dass die Verluste von Bloggern bis zu 100 Millionen US-Dollar betragen könnten. Während Sykow vor allem die gut 1100 Blogger mit mehr als einer Million Follower im Sinn hat, geht der Blogger-Rat des Föderationsrats noch weiter.

Viele leben von Instagram

Einer Untersuchung des Blogger-Rats zufolge verlieren 67 Prozent der russischen Instagram-Nutzer durch die Sperrung ihre Einnahmen. Betroffen sind demnach auch Selbstständige und Kleinunternehmer wie Nachhilfelehrer, Juristen oder Fotografen, zitiert die Wirtschaftszeitung „Forbes“ die Untersuchung. Die verdienen mit ihrem Instagram-Angebot überwiegend zwischen 10 000 und 100 000 Rubel pro Monat. Für knapp zwei Drittel der Befragten ist Instagram die einzige Einnahmequelle.
Die Instagram-Sperre streut somit noch mehr Sand in das aktuell stotternde Getriebe der russischen Wirtschaft. Gegenüber der „Busines Gaseta“ spricht Regina Faschejewa, Inhaberin einer SMM-Agentur, davon, dass in der Republik Tatarstan gar 80 Prozent des Business betroffen ist.

Auf der Suche nach Alternativen, die nicht von einer Sperrung in Russland bedroht sind, versuschen aktuell viele Blogger und Selbstständige auf Vkontakte oder Telegram umzuziehen. Das sei aber gar nicht so einfach, meint der Leiter der Werbeagentur „Sozialnyje seti“ Denis Terechow. Denn ein über Jahre aufgebautes Publikum zieht nicht einfach so um. Zumal etwa auf der Videoplattform Rutube nur ein Viertel dessen zu verdienen sei, was man bei YouTube erwarten könne, gibt Terechow zu bedenken. Auch Telegram-Nutzer werden die Zahl der abonnierten Kanäle in Grenzen halten wollen.

Wie soll es nun weitergehen? In einem Video ruft der Bürgermeister des südrussischen Timaschjowsk Blogger auf, vernünftig zu werden und bei ihm in der Stadt als Mäher oder Reinigungskraft anzufangen. Auch Terechow spricht davon, dass Blogger sich nun „eine richtige Arbeit“ zulegen müssen. „Bergmann, Trolleybusfahrer, in diesem Fall scherze ich nicht“, so der Werbeexperte. Derweil haben sich russische Entwickler daran gemacht, mit „Rossgram“ ein russisches Instagram-Analog zu entwickeln. Mit sicherlich übersichtlichen Erfolgsaussichten.

Daniel Säwert

*Instagram wurde in Russland als extremistisch eingestuft.

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