Heimspiel für RB Leipzig in Moskau

RB Leipzig kann es sportlich inzwischen mit den großen Namen des europäischen Fußballs aufnehmen. In Moskau gelingt das nun auch optisch. Eine „Leipziger Ecke“ hat sich in der Fußballkneipe „John Donne“ zwischen die englischen Platzhirsche geschoben. Das soll erst der Anfang sein.

Die „Leipziger Ecke“ im Moskauer Pub „John Donne“ (Foto: Sergej Kosmatschow)

Die Unterschrift von Timo Werner ist begehrt. Im Sommer hat der FC Chelsea viele Millionen dafür bezahlt, damit der deutsche Nationalspieler sie unter einen Vertrag mit dem Londoner Klub setzt. Zuvor hatte Werner, der von RB Leipzig an die Themse wechselte, woanders unterschrieben. Zu besichtigen ist das hinter Glas in einem Moskauer Pub. An der Wand des legendären „John Donne“ an der Taganka hängt seit Februar ein Trikot von RB, das der Stürmer und andere Spieler des Klubs signiert haben.

Das ist vielleicht nicht von hohem materiellen, aber großem symbolischen Wert. Zumindest für Sergej Kosmatschjow. Denn das Trikot und die an der Decke des Saales aufgespannte rot-weiße RB-Fahne sind für ihn der Stoff, aus dem die Träume sind. Er begeistert sich für die Leipziger schon seit deren Zweitliga-Zeiten. Seit zwei Jahren verantwortet er die größte Fangruppe von RB Leipzig im russischen sozialen Netzwerk VKontakte. Die „Roten Bullen“ seien für ihn das „Ideal“ eines klug geführten Fußballklubs, sagt der Moskauer Student. Binnen elf Jahren von der Oberliga ins Halbfinale der Champions League durchzumarschieren, das sei eine einmalige Leistung. Dass RB bei vielen als „Betriebssportgemeinschaft“ eines Getränkekonzerns verschrien ist, weiß er, meint aber: „Ums Geld geht es bei allen. Doch was RB auszeichnet, ist nicht das Geld, sondern der Intellekt.“

Die Devotionalien im „John Donne“ markieren eine „Leipziger Ecke“ in Moskau, wo sich Fans treffen und gemeinsam Fußball schauen können. Bei der Einrichtung hat Ilja Matwejew geholfen, denn er sitzt schließlich an der Basis: Matwejew ist Vize-Konsul beim Russischen Generalkonsulat in Leipzig. Seit vielen Jahren Fan von Spartak Moskau, hat der Diplomat nun auch sein Herz für RB Leipzig entdeckt, zumal die Vereinsfarben identisch sind. Er verpasst kaum ein Spiel, unterhält Kontakte zum Klub und will ihn auch in seiner Heimatstadt Moskau populärer machen: „Leipzig bedeutet frischen Wind. Das ist nicht Bayern oder Dortmund, die längst alle kennen.“

Vize-Konsul Ilja Matwejew (rechts) mit RB-Star Emil Forsberg (Foto: Frank Mattheus)

Trotz der steilen Karriere von RB ist es natürlich nicht so einfach, im Ausland eine emotionale Verbindung zu dem Klub herzustellen. Zumindest braucht es Zeit. Vielleicht in ein, zwei Jahren soll aus den heutigen Fans der ersten Stunde, wie Kosmatschjow einer ist, ein Fanclub erwachsen. Es wäre der erste von RB in Russland.

Zumindest das Interesse wächst schon mal. Die VK-Fangruppe hat im Moment 7600 Abonnenten. Das ist nicht viel im Vergleich etwa mit dem FC Barcelona, dessen größte VK-Gruppe über zwei Millionen Abonnenten zählt, oder Bayern München mit knapp einer halben Million. Aber allein nach dem starken Auftritt bei der Champions-League-Endrunde im Sommer seien 200, 300 neue Mitglieder dazugekommen, erzählt Kosmatschjow.

In ihm hat die Gruppe einen engagierten Administrator, der sein Publikum tagtäglich mit Nachrichten, Fotos und Videos zu RB auf dem Laufenden hält und der selbst ein Fußballverrückter ist, wie er erzählt: „Ich verfolge selbst den südamerikanischen Fußball, bin ein Riesenfußballfan.“

Von Moskau aus für RB: die Studenten Iwan Psurzew, Sergej Kosmjatschow und Alexej Muchanow (v.l.) (Foto: Tino Künzel)

Andere haben andere Motive, um sich für RB Leipzig zu interessieren. Zum Beispiel Alexej Muchanow. Er hat nie Fußball gespielt, weiß aber, dass Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann hat und verletzungsbedingt seine Karriere früh beenden musste. „Ich hatte selbst mal einen Kreuzbandriss und kann mir vorstellen, was das für einen Fußballprofi heißt. Nagelsmann ist ein starker Typ und in seinen jungen Jahren schon ein toller Trainer. Ich bin auf ihn aufmerksam geworden, als er noch in Hoffenheim war. Man könnte sagen, dass ich sein persönlicher Fan bin.“

Ilja Matwejew sieht im Fußball auch eine Chance, die Beziehungen zwischen Moskau und Leipzig weiter zu vertiefen. Wobei die auch so schon intensiv seien. „Engere Beziehungen als zu Leipzig hat Moskau in Deutschland höchstens zu Berlin, vielleicht noch zu München.“

Als Leipzig neulich in der Bundesliga 1:1 gegen Leverkusen spielte, schauten auf den Fernsehern im „John Donne“ drei Moskauer Leipzig-Fans zu. Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.

Tino Künzel

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