Handys in der Schule: Smart mit oder ohne Phone?

In Frankreich ist seit Ende Juli die Handy-Nutzung an Schulen per Gesetz verboten. In Russland gibt es bisher nichts Vergleichbares. Jede Schule entscheidet selbst, was sie erlaubt und was nicht. Meist gibt es kaum Einschränkungen. Die MDZ hat Schüler, Eltern und Lehrer nach ihrer Meinung gefragt: Wie umgehen mit dem Störenfried Handy in der Schule?

Alexej Sidjakin, Berufskraftfahrer und Vater eines zehnjährigen Jungen, Belgorod

Bei uns ist man sowieso viel zu schnell am Verbieten. Wir pendeln immer zwischen den Extre­men, dabei bräuchte es einen goldenen Mittelweg. Ich bin deshalb gegen ein Handy-Verbot in der Schule. Vielmehr sollten wir den Kindern beibringen, wie sie die Geräte sinnvoll nutzen. Wenn sie zum Beispiel ein unbekanntes Wort hören oder lesen, dass sie dann im Internet danach suchen können. Ich kann meinen Sohn sowieso nicht vor dem vielen unnützen Zeug schützen, dass er in seinem Telefon findet, wenn ich nicht dabei bin. Also muss ich ihn selbst in die Lage versetzen, auszuwählen, was zu seinem Besten ist und was nicht. Dass das nicht einfach ist, kennt man von sich selbst. Denn sogar als Erwachsener gehst du ins Internet und wirst von einer Seite zur nächsten geschickt, so dass du am Ende gar nicht mehr weißt, was du am Anfang wolltest. Was will man da erst von Kindern verlangen!

Tatjana Chorobrowa, Stellvertretende Schulleiterin für Erziehungsarbeit, Uchta (Komi-Republik)

Viele Lehrer stellen eine Kiste am Eingang zum Unterrichtsraum auf, um die Handys einzusammeln. Aber weil es keine verbindlichen Regeln gibt, auf die wir uns berufen könnten, ist die Abgabe freiwillig. Manche Schüler mosern oder weigern sich, vor allem, wenn der Lehrer als nicht besonders streng gilt. Einmal habe ich den Eltern meiner Klasse vorgeschlagen, dass die Kinder im Verlauf eines Vierteljahres ihre Telefone zu Hause lassen. 15 waren einverstanden, fünf dagegen. Ihr Argument: Sie wollen wissen, wo sich ihre Kinder aufhalten, und sie im Zweifelsfall telefonisch erreichen können. Mit den 15  Befürwortern haben wir das dann trotzdem durchgezogen, allerdings mit Ach und Krach. Sie waren natürlich sauer, dass sie nicht dürfen, was andere dürfen, haben auch ihre Eltern entsprechend bearbeitet. Und so ist das ein einmaliges Experiment geblieben.

Kristina Resanowa, Siebtklässlerin, Podporoschje (Leningrader Region)

Die Kinder Russlands sind garantiert gegen solche Verbote. Und ich bin es auch, denn von meinem Telefon möchte ich mich keine Minute trennen. Wir Schüler verbringen tatsächlich viel Zeit damit. Und wenn man es sich recht überlegt, dann wären wir im Unterricht sicher aufmerksamer und würden mehr miteinander reden, könnten wir sie in der Schule nicht benutzen.

Der Pausenfüller in dieser nordrussischen Schule ist ganz klar das Handy. © privat

Andrej Gubenkow, Ingenieur im Energiebereich und Vater von zwei schulpflichtigen Kindern, Wolgoretschensk (Region Kostroma)

Smartphones haben heutzutage so gut wie alle. Ich weiß nicht, wie es damit in Moskau aussieht, aber bei uns in der Provinz werden die Telefone auch mit in den Unterricht genommen. Die Lehrer versuchen, wenigstens die Nutzung während der Stunde zu unterbinden, nicht immer mit Erfolg. In den Pausen gibt es dann sowieso kein Halten mehr. Meist wird gespielt oder in Sozialnetzwerken abgehangen, was weder im Sinne der Konzentra­tion auf die Schule noch gut für die Erholung ist. Nur dass die Kinder das noch nicht verstehen. Smartphones für die Schüler sind eine Plage. Die Franzosen haben Recht. Ich wäre dafür, dass die Telefone beim Betreten der Schule abzugeben sind und nur in Notfällen ausgehändigt werden.

Artjom Trjapkin, Viertklässler, Gus-Chrustalnyj (Region Wladimir)

In der Stunde dürfen bei uns die Telefone nicht auf den Schulbänken liegen, sondern müssen weggepackt werden. Aber in der Pause wird munter drauflos gespielt. Mir liegen die Mitschüler auch immer in den Ohren: „Artjom, na los, mach doch mit.“ Und dann kriege ich zu Hause Ärger, wenn ich schlechte Noten habe. Ich denke mal, mit Appellen allein erreicht man gar nichts. Da helfen nur Verbote.

Marina Kowylkina, Besitzerin eines Mode-Showrooms und Mutter von drei Kindern, Nischnij Nowgorod

Von unseren Söhnen im Alter von acht, zehn und 13 Jahren hat nur der Älteste ein Smartphone – ohne mobiles Internet. Das heißt er kann sich nur an Hotspots mit dem Internet verbinden, nicht in der Schule. Den Jüngeren haben wir einfache Tastentelefone gekauft, die nicht zum Spielen geeignet sind, sondern ausschließlich zum Anrufen dienen. Ich bin gegen Gadgets in der Schule. Sie stören beim Lernen und auch von den Lehrern kommen immer wieder Klagen. Die Kinder dürfen ab und zu mein Telefon zum Spielen nutzen, aber zu Hause, unter meiner Aufsicht. Ich finde nicht, dass ihnen etwas entgeht. Manchmal beschweren sie sich, warum die anderen Kinder Smartphones haben und sie nicht. Dann nehmen wir uns die Zeit, es ihnen zu erklären.

Anastassija Buschujewa, Fremdsprachenlehrerin, Schukow (Region Kaluga)

Ich habe mit Telefonen in der Schule keine Probleme mehr. Klar, grundsätzlich erschweren sie uns Lehrern die Arbeit. Als ich angefangen habe, kam es vor, dass Schüler im Unterricht meine Fotos auf Instagram kommentiert haben. Aber mit der Zeit ist mir bewusst geworden: Es liegt nicht an den Handys. Wir unterrichten junge Menschen in einer Welt, in der es jede Menge Informationsquellen gibt. Der Lehrer ist nur eine davon – und nicht immer die aufregendste.

Wir müssen mit den Telefonen in Konkurrenz treten, spannender sein. Dabei haben wir einen großen Vorteil: lebendige Kommunikation. Für so manchen Jugendlichen, der in seiner Freizeit mehr oder weniger rund um die Uhr online ist, ist das Klassenzimmer so ziemlich der einzige Ort, wo substanziell miteinander gesprochen wird.

Im Großen und Ganzen teilen sich meine Kollegen in zwei Lager: Die einen sammeln zu Stundenbeginn die Handys ein, die anderen integrieren sie in den Unterricht. Die Kinder drehen Videos zum Thema der Stunden, suchen nach Informationen, setzen nützliche Apps ein und so weiter. Das kompensiert auch die langweilige Gestaltung der Lehrbücher. Meiner Meinung nach sind Handys in der Schule eine schöne Herausforderung für die Lehrer, einen tollen Unterricht zu machen.

Zusammengestellt von Tino Künzel.

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