Russlands Goldbranche im Aufwind

Russlands Goldbranche wittert Morgenluft. Gegen den weltweiten Trend konnte sie 2019 zulegen. Und viele Lagerstätten sind noch nicht einmal erschlossen.

Ein „Wasserfall“ aus purem Gold. Die Zeichen stehen auf Wachstum. (Foto: Kinross Gold)

Es ist selten, glänzend und heiß begehrt. Seit Jahrtausenden ist der Mensch vom Gold fasziniert. Seitdem trägt er das Edelmetall als Schmuck, ziert damit seine Anwesen oder lagert es ein. Denn dank seiner relativen Wertstabilität sichern sich viele mit Gold gegen Krisen und Katastrophen ab – Privatpersonen wie auch Staaten. 

Um die Nachfrage decken zu können, wurde Jahr für Jahr immer mehr Gold abgebaut. Das galt zumindest bis 2019. Denn die im Vorjahr weltweit 3463 aus der Erde geholten Tonnen des Edelmetalls entsprechen einem Prozent weniger als 2018. Nach zehn Jahren kontinuierlichen Wachstums ging der Abbau damit erstmals zurück. Glaubt man einigen Experten, ist der „Gold Peak“, also der Höhepunkt, erreicht und der weltweite Hunger nach dem glänzenden Metall erst einmal gesättigt.

Schlechte Zeiten also für die großen Bergbauunternehmen? Zumindest nicht in Russland. Denn gegen den weltweiten Trend legten sie sogar zu. Nach Angaben des Verbandes der Goldförderunternehmen Russlands wurden im vergangenen Jahr 350 Tonnen aus russischer Erde geholt. Das waren sechs Prozent mehr als noch 2018. Weltweit belegt Russland damit den dritten Platz. 

Russlands Unternehmen profitieren lange vom Staat

Dass sich die russischen Goldförderer so gut entwickeln konnten, liegt unter anderem auch an der Zentralbank in Moskau. Denn der Stammkunde lagerte in den vergangenen Jahren immer größere Mengen Gold ein, um das Land unabhängiger vom US-Dollar zu machen. Allerdings scheint kaum noch Platz in den Tresoren zu sein. 2019 fuhr der Staat seine Goldkäufe deutlich zurück und erwarb nur noch 159 Tonnen. Ein Jahr zuvor waren es noch 247 Tonnen. Insgesamt hamstert die Zentralbank mittlerweile 2271 Tonnen Gold im Wert von 110 Milliarden US-Dollar und ist damit weltweiter Rekordhalter. Das scheint vorläufig genug zu sein. 

So hat sich die Branche 2019 verstärkt nach neuen Absatzmärkten umgeschaut und das Ausland wie- der für sich entdeckt. Allein nach Großbritannien gingen nach Angaben des russischen Zolls im vergangenen Jahr 113,5 Tonnen Goldbarren mit einem Wert von 5,7 Milliarden US-Dollar. Das waren 93 Prozent der russischen Ausfuhren von 116 Tonnen. Zum Vergleich: Die stark schwankende Menge an Goldexporten hatte 2018 einen Tiefstand von lediglich 17 Tonnen erreicht. 

Neues Wachstum durch Export

Dass gerade das Vereinigte Königreich sich mit russischem Gold eindeckte, versuchten einige Beobachter mit dem Brexit in Verbindung zu bringen. Allerdings, so wiesen die Gegner der Theorie hin, sei London nicht das Ziel, sondern lediglich der Umschlagplatz für die Barren. Neben dem Inselstaat waren nur noch Kasachstan und die Schweiz nennenswerte Exportkunden. 

Für Russlands Goldschürfer kann die Exportstrategie nur erfolgreich sein. Denn schließlich zahlte die Zentralbank nur einen Vorzugspreis, wie Oleg Schibanow, Professor an der Russischen Wirt- schaftsschule, der Wirtschaftszeitung „RBK“ erklärte. Und auf dem Weltmarkt kann die Branche von den derzeit hohen Preisen profitieren.

So ging Die Lobby-Organisation World Gold Council vor Kurzem noch davon aus, dass der Preis für eine Unze bis zum Ende des Jahres 2020 auf 1550 US-Dollar steigen wird. Damals hielt jedoch das Coronavirus die Welt noch nicht in Atem. So wurde die Unze Anfang März bereits für 1700 US-Dollar gehandelt. 

Viele Lagerstätten sind noch gar nicht erschlossen

Die Zukunft des russischen Edelmetallbergbaus sehen Experten im wahrsten Sinne des Wortes golden. Der GFMS Refinitive Gold Report 2019 prognostiziert, dass Russland in den kommenden Jahren (gemeinsam mit Australien) den Rückstand auf den Spitzenreiter China verkürzen wird und bescheinigt Russland ein „beeindrucken- des“ Wachstumstempo. 

Mit 5300 Tonnen verfügt Russland über die zweitgrößten Goldreserven der Welt. Und viele Abbaustätten sind noch nicht einmal erschlossen. Nach Angaben der Fachzeitschrift „Westnik solotopromyschlennika“ gibt es in Russland 130 Lagerstätten. Davon sind 41 in Gebrauch und 81 in der Erkundungsphase. Mit der Erschließung dieser Felder könnte die Goldproduktion bis 2030 verdoppelt werden, glaubt Michail Leskow, stellvertretender Generaldirektor des Instituts für Geotechnologie. Damit würde Russland auf Platz zwei der Förderländer vorrücken. 

Und auch die Russen selbst könnten demnächst am Goldaufschwung teilhaben. Denn Präsident Wladimir Putin will in Gegenden, in denen sich ein industrieller Abbau nicht lohnt, privates Goldschürfen erlauben. Ein entsprechendes Vorhaben wurde im vergangenen September auf den Weg gebracht. Man solle aufhören, alles zu verbieten und stattdessen das Goldschürfen in geordnete Bahnen lenken, so Putin. Und läutete damit vielleicht eine neue Goldgräberstimmung in Russland ein. 

Daniel Säwert

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