Präziser als der Mensch

Die Russischen Eisenbahnen wollen 2021 fahrerlose Züge auf der Moskauer Ring-S-Bahn MZK einführen. Im August starteten Tests mit Triebzügen des Typs „Lastotschka“ auf einem Eisenbahngelände. Wie realistisch ist der Zeitplan? Müssen Lokführer nun um ihre Jobs bangen?

Kommen bald fahrerlose Züge?
Dichter Takt: Die S-Bahn MZK fährt alle fünf Minuten. (Foto: AGN Moskwa/ Andrej Nikeritschjew)

Die Moderatorin von „Rossija 1“ sitzt allein im Führerstand und erzählt vom „Autopiloten“, während der Triebzug wie von Geisterhand gesteuert durch die Landschaft rollt. Das Video entstand im vergangenen Jahr auf dem Testring des Allrussischen Forschungsinstituts für Schienenverkehr in Schtscher­binka südlich von Moskau.

Seit August dieses Jahres werden die fahrerlosen Lastotschkas nun auch auf einem Gelände im Bahnhof Tscherkisowo im Nordosten der Hauptstadt getestet. Das Magazin „M24“ meldete, dass dort untersucht werde, wie die auto­matischen Züge auf Hindernisse im Gleis reagieren. Eingesetzt werden sollen sie ab 2021 auf der Moskauer Ring-S-Bahn MZK, wie der Direktor der Moskauer Abteilung der Russischen Eisenbahnen, Oleg Beloserow, mitteilte.

Elektronische Zugbeeinflussung ist bereits in Betrieb

Mit ihrem dichten Takt von teilweise nur fünf Minuten ist die Ringbahn ein prädestiniertes Einsatzgebiet für rechnergestützte Hilfen. Schon heute ist hier ein Zugbeeinflussungssystem im Einsatz, das stehts die Position jedes Zugs kennt. Die Lokführer erhalten permanent aktualisierte Daten, so kann schnell auf geringste Verzögerungen reagiert werden. Das ist deutlich flexibler als ein herkömmliches System, das ausschließlich mit Signalen entlang der Gleise arbeitet. In Deutschland ist eine ähnliche Technik unter dem Namen „Linienförmige Zugbeeinflussung“ (LZB) unter anderem auf ICE-Schnellstrecken im Einsatz.

Die Anweisungen der Zugbeeinflussung muss aber der Fahrer noch selbst in die Tat umsetzen. Das soll sich nun bei der S-Bahn MZK ändern. Das wäre ein Novum, denn bei einer Eisenbahn im Personenverkehr gibt es das bislang nirgends.

Experte rät, vorerst nicht auf das Personal zu verzichten

Autonome Metros sind dagegen längst keine Seltenheit mehr. In den vergangenen Jahren gingen zahlreiche Systeme in Europa in Betrieb, vor allem in Frankreich und Italien. Aber auch in Nürnberg, Kopenhagen, Barcelona und Budapest sind fahrerlose U-Bahnen im Einsatz. Auf diesen Netzen ist der automatische Betrieb jedoch deutlich einfacher zu realisieren. Zum einen sind in den Tunnels weniger Hindernisse zu erwarten, zum anderen teilen sich diese Bahnen die Gleise nicht mit anderen Zügen.

Leonid Baranow, Leiter der Abteilung Informationsmanagement und Datensicherheit der Russischen Universität für Verkehrswesen (MIIT), ist deshalb auch etwas vorsichtiger, was die Prognosen angeht. „Mit den Tests soll zunächst herausgefunden werden, ob es sinnvoll ist, fahrerlose Züge einzusetzen. Die Ergebnisse werden dann bei der Entscheidung helfen, ob wirklich auf das Lokomotivpersonal verzichtet werden soll oder nicht“, sagt er gegenüber der MDZ. Dabei sei die Technik durchaus so angelegt, dass ein fahrerloser Betrieb möglich ist.

Pünktlicher und sparsamer als der Mensch

Die Vorteile der Automatisierung seien vielfältig, so der Experte. Zum einen könne die Infrastruktur effektiver genutzt werden, da der Computer den Fahrplan präziser einhalten kann. Zum anderen sei die Technik dem Menschen auch im Hinblick auf eine vorausschauende Fahrweise überlegen, was zu Energieeinsparungen führe. Nicht zuletzt erhöhe das autonome Fahren die Sicherheit, da die Wahrscheinlichkeit sinke, dass sich zwei Züge gefährlich nahekommen oder zusammenstoßen.

Der wirtschaftliche Effekt der Einsparung von Personalkosten sei nur ein Teil des Gesamtbilds. „Der Übergang zu diesem Modus sollte erst nach langen Tests realisiert werden“, so Leonid Baranow.

Zudem müssten für einen komplett fahrerlosen Betrieb erst einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. In den Regelwerken der Eisenbahn ist dies bislang schlicht nicht vorgesehen. Sorgen um ihren Arbeitsplatz müssen sich die Eisenbahner also vorerst nicht machen.

Jiří Hönes

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