Ein Klassiker mit Romben

Er steht auch noch in den abgelegensten Winkeln: Der PO-2 ist der am meisten verbreitete Zaun Russlands. Sein Erfinder kann dies allerdings nicht so ganz nachvollziehen.

Ein häufiger Anblick in russischen Städten: Der Stahlbetonzaun PO-2. (Foto: prefab92.ru)

Er ist grau, etwas unscheinbar – und zwischen Brest und Wladiwostok in wahrscheinlich jedem Ort zu finden, in dem etwas vor allzu neugierigen Blicken versteckt werden soll: Der PO-2 ist der am meisten verbreitete Zaun auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Keine ernst zu nehmende Baustelle und kein ordentlicher Garagenkomplex kommt ohne die monotone Betonmauer aus.

Einfach und nüchtern

Erfunden wurde der unkaputtbare Massenzaun mit dem hervortretenden Rombenmuster vom Moskauer Architekten Boris Lachmann. Dieser arbeitete in den 1970er Jahren als Leiter der Materialabteilung von Mosgorstroj – dem Bauamt der Hauptstadt – als er den Auftrag bekam, einen Zaun zum Schutz von Militärbasen und wirtschaftlich bedeutsamen Industrieunternehmen zu entwickeln. Was die Aufgabe besonders anspruchsvoll machte: Der Zaun sollte auch ästhetisch ansprechend sein. Lachmann machte sich an die Arbeit und präsentierte wenige Monate später drei Entwürfe, darunter ein Zaun, der das Muster einer Steinmauer imitierte. Die Verantwortlichen hatten für solche architektonische Spielereien allerdings kein Verständnis – und entschieden sich für den einfachsten und nüchternsten Vorschlag.

50 Rubel Prämie für eine Lärmbarriere

„Vielleicht, weil das Spiel von Licht und Schatten die Augen erfreut“, mutmaßte Boris Lachmann vor einigen Jahren gegenüber dem Männermagazin „Esquire“. „Oder wegen der sich selbstreinigenden Form, bei der Schmutz und Staub vom Regen abgewaschen werden.“ Zudem verfüge sein Zaun über einen weiteren Vorteil. Das unebene Rombenrelief breche Geräusche und Schall und mache den PO-2 so auch zu einer Lärmbarriere. Seinen Siegeszug trat der PO-2 im Jahr 1974 an: Damals wurde eine erste Version des Zaunes auf der Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft (WDNCh) präsentiert und gewann gleich mehrere Architektur-Auszeichnungen. Auch Lachmann erhielt für seine Erfindung eine Medaille – und eine bescheidene Prämie von 50 Rubeln.

Emigration in die USA

Zur massenhaften Verbreitung des PO-2 in den kommenden Jahren trug vor allem dessen einfache Produktionsweise bei. Denn bei der Herstellung des Stahlbetonzauns konnte auf bereits bestehende Fabriken zurückgegriffen werden, in welchen sonst Bauteile für Plattenbauwohnungen gefertigt werden. Ein Aufbau eigener Produktionsanlagen war nicht notwendig. Ein wichtiges Argument für die sowjetischen Wirtschaftsplaner! Im Lebenslauf von Boris Lachmann sollte der PO-2 allerdings nur eine Randnotiz bleiben. Denn im Jahr 1981 wanderte er mit seiner Familie in die USA aus. Die Skizzen für seinen Superzaun durfte er nicht mitnehmen. Die Ausbreitung des PO-2 in der Sowjetunion und die Entwicklung zahlreicher neuer Varianten fand fortan ohne ihn statt.

Nur wenig Stolz

In den Vereinigten Staaten arbeitete Lachmann zunächst für verschiedene Architekturbüros. Anfang der 1990er eröffnete er dann sein eigenes Unternehmen und entwarf unter anderem Restaurants, Shoppingmalls, Privathäuser, Bibliotheken und Gemeindezentren. Gegenüber seiner Erfindung hegt Lachmann keine besonders tiefen Gefühle. „Dieser Zaun ist nicht das Bedeutendste, was ich geschaffen habe“, erklärte er gegenüber „Esquire“. „Und dass man das ganze Land damit zugestellt hat, kann ich nicht wirklich nachvollziehen.“ Dass der PO-2 im Moskauer Zentrum schon Ende der 1990er Jahre verboten wurde, verstehe er dagegen sehr wohl. „Das war schon lange Zeit!“

Birger Schütz

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