Ein-Mann-Protest mit Folgen

Der regierungskritische Journalist Ilja Asar wurde während der Corona-Krise festgenommen und verurteilt. Nun ist er vorfristig aus der Haft entlassen worden. Wie es dazu kam und warum sich viele Kollegen für den Redakteur einsetzten.

Ilja Asar protestierte gegen die Verhaftung eines Bloggers und wurde dabei selbst festgenommen. (Foto: twitter.com)

Es begann mit der Festnahme eines Einzelnen und löste eine ganze Kettenreaktion aus: Ende Mai demonstrierte Ilja Asar mit wenigen Mitstreitern vor dem Hauptsitz der Moskauer Polizeibehörde. Der Journalist der regierungskritischen „Nowaja Gaseta“ protestierte gegen die kurz zuvor erfolgte Festnahme des Aktivisten Michail Woronzow, der unter dem Namen „Ombudsmann der Polizei“ über Probleme und Rechte von Russlands Ordnungshütern bloggt. (Die Moskauer Deutsche Zeitung berichtete.)

Aufschrei nach Festnahme

Doch besonders lange konnte Asar sein mitgebrachtes Protestplakat nicht in die Höhe halten. Polizisten nahmen ihn nach nur wenigen Sekunden fest. Einen Tag später – am 28. Mai – wurde er wegen mehrfachen Verstoßes gegen das Versammlungsverbot zu 15 Tagen Haft verurteilt.
Unter Moskauer Lokalpolitikern und Journalisten löste das Urteil einen Aufschrei aus. Denn aus Sicht seiner Unterstützer hat Asar gegen kein Gesetz verstoßen. Das Abhalten von Einzelprotesten sei laut russischem Recht ausdrücklich erlaubt, argumentieren die Gegner der Festnahme. Im Gegensatz zu Großkundgebungen müssten Einzelaktionen nicht vorher genehmigt werden. Dieser Sichtweise schloss sich auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa an (OSZE) an, die Asars Freilassung forderte. Am Tag nach der Verurteilung protestierten Berufskollegen und Lokalpolitiker wieder mit Einzelaktionen vor der Moskauer Polizeibehörde – diesmal für die Freilassung von Ilja Asar. Doch auch diesmal gelang es den Aktivisten jeweils höchstens für wenige Sekunden, ihre Plakate in die Kameras zu zeigen. Die Polizei verhaftete die Protestierenden, sobald die Losungen enthüllt wurden. Der Internet-Fernsehsender Doschd beschrieb das harte Durchgreifen der Beamten als ein „Förderband, zum Abtransport von Protestierenden.“

Redakteure und Politiker protestieren

Doch die Aktivisten ließen sich davon nicht abhalten. Rund eine Woche hielten die Einzelproteste in Moskau an. Etwa 70 Leute wurden dabei bis Anfang Juni festgenommen. Darunter auch mehrere Politiker wie beispielsweise der Abgeordnete der Moskauer Stadtduma Sergej Mitrochin von der Partei Jabloko sowie bekannte Journalisten wie der Chefredakteur des Internetportals Mediazona, Sergej Smirnow. Nach Angaben des Bürgerrechtsportals OWD-Info fanden auch in St. Petersburg und Nischni Nowgorod ähnliche Protestaktionen statt. Dabei wurden aus beiden Städten Festnahmen gemeldet. Für besondere Aufmerksamkeit sorgte aber die zweimalige Festnahme von zwei bekannten Journalisten des Radiosenders „Echo Moskwy“. Tatjana Felgenhauer und Alexej Pljuschew hatten sich zunächst als Protestierende an der Aktion im Moskauer Zentrum beteiligt und waren dabei wegen angeblicher Verstöße gegen die Corona-Auflagen vorübergehend festgenommen worden. Nach Angaben von Apologija Protesta, einem Projekt der Menschenrechtsorganisation Agora, sollen die Journalisten allerdings Masken und Handschuhe getragen sowie den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand beachtet haben. Nach ihrer Freilassung kehrten Felgenhauer und Pljuschew am nächsten Tag vor die Polizeibehörde zurück, um über die Proteste zu berichten. Trotz gültiger Presseausweise kamen die beiden auch diesmal in vorübergehenden Gewahrsam. Alexej Wenediktow, der Chefredakteur von „Echo Moskwy“ kritisierte das Vorgehen der Ordnungskräfte daraufhin mit scharfen Worten. Die Festnahmen stellten eine Behinderung der journalistischen Arbeit dar, erklärte der Starjournalist. Zudem verstieße das Vorgehen der Polizei gegen Anordnungen des Moskauer Bürgermeisters, der Redakteuren auch unter Corona-Bedingungen die freie Ausübung ihres Berufes garantiert hatte. Noch am selben Tag kamen Felgenhauer und Pljuschew wieder frei. Die Journalisten reichten wegen Behinderung ihrer Arbeit Beschwerde beim Untersuchungsausschuss der Russischen Föderation ein.

Vorfristige Entlassung

Der Kreml äußerte sich zu den Vorgängen nicht. Der Präsident sei über die Festnahmen im Bilde, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow gegenüber „Echo Moskwy“. Einen weiteren Kommentar lehnte Peskow ab. Er verfüge nicht über genügend Informationen zu den Hintergründen der Festnahmen. Am Sonntag, dem 7. Juli, wurde Asar nach zehn Tagen Haft vorfristig entlassen. Auf Twitter bedankte er sich für die Unterstützung und das Eintreten der Demonstranten für das Recht auf friedlichen Protest.

Birger Schütz

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