Die Kukryniksy-Kreativvereinigung ist praktisch genauso alt wie das Sowjetregime. Die Künstler Michail Kuprijanow, Porfiri Krylow und Nikolai Sokolow begannen ihre Zusammenarbeit im Jahr 1924. Zu diesem Zeitpunkt entstand das Pseudonym „Kukryniksy“, das sich aus den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der Künstler zusammensetzt. Die Ausstellung, die anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung dieses Trios stattfindet, beschränkt sich nicht nur auf die Karikaturen. Allerdings geben diese Bilder den Ton an.
Bücher und Reisen
Jedes Mitglied des Trios war auf seine Weise ein ziemlich guter Maler. Die Landschaften und Porträts , die sie von ihren Reisen mitbrachten, waren weit von ihren Karikaturen entfernt. Es handelte sich um zwei völlig verschiedene Welten. Allerdings gab es auch einen Schnittpunkt zwischen ihnen. Unter ihren bereits gemeinsamen Bildwerken sticht ihr Gemälde „Das Ende“ von 1947/48 hervor. Die Szenen des Gemäldes, das Hitlers Bunker in den letzten Kriegstagen darstellt, haben fast karikaturistische Züge. Allerdings gab es eine dritte Welt, in der die Kukryniksy durchaus zu Hause waren – die Buchillustration. Den Charakter einer Figur buchstäblich mit ein paar Pinsel- oder Bleistiftstrichen auszudrücken, das konnten die Kukryniksy außerordentlich gut. Sie illustrierten Tschechows Erzählungen und Scholochows Prosa. Und doch waren die auffälligsten Buchillustrationen der Kukryniksy groteske satirische Bilder. Das kommt der Karikatur wohl am nächsten.
Sowjetische Realität …
Die Kukryniksy wurden vor allem als Karikaturisten berühmt. Ab Mitte der 1920er Jahre arbeiteten sie aktiv mit verschiedenen satirischen Zeitschriften zusammen. Damals zeichneten sie Karikaturen berühmter Schriftsteller und Parodien auf Gemälde von Künstlern der damaligen Zeit. Ab 1932 begannen die Kukryniksy für die Zeitung „Prawda“ zu arbeiten und reisten durch das Land, um Fabriken und landwirtschaftliche Betriebe zu besuchen. Ihre Werke entwickelten sich zunehmend als Sozialsatiren. Auf diese Weise deckten die Künstler die Probleme auf, die das Leben der sowjetischen Gesellschaft erschwerten. Und sie taten es meisterhaft: Ihre Karikaturen aus dieser Zeit sind eine Art visuelle Geschichte mit vielen witzigen Details.
… und politische Agenda
Eine neue Richtung in der Arbeit der Kukryniksys ergab sich nach dem Treffen der Künstler mit dem Schriftsteller Maxim Gorki. Ihm gefiel die Art und Weise, wie die Karikaturisten in ihren Bildern den Kampf literarischer Gruppen widerspiegelten. Er riet den Künstlern jedoch, sich der internationalen Politik zuzuwenden und „öfter nach Europa zu schauen, über den Ozean, über alle unsere Grenzen hinaus“. Von da an verdrängten die politischen Themen allmählich die literarischen und alltäglichen Motive.
So entstanden Prioritäten nicht nur im Werk der Kukryniksy, sondern auch in der Gattung der Karikatur insgesamt. Insofern wurden westliche Politiker für die nächsten Jahrzehnte zur Zielscheibe der Satire. Die zweite Linie bildeten alltägliche Themen: Korrupte, Nichtsnutze und Säufer. Mit anderen Worten waren es Typen, die den Aufbau des Kommunismus im Lande behinderten. Von Kritik an seinen Erbauern oder an den Behörden war natürlich keine Rede.
Äußere und innere Feinde
Die wichtigste Arbeitsperiode des Trios sind zweifelsohne die Kriegsjahre. Ihre Karikaturen von Hitler und anderen Führern des Dritten Reiches gelten zu Recht als Klassiker des Genres. Diese Karikaturen wurden zu einem mächtigen Instrument der Anti-Hitler-Propaganda: Ein Zeitungsartikel musste erst gelesen werden, aber eine Karikatur wirkte sofort. Ein Blick genügte, um zu verstehen, wo der Feind war, wer ein Verbündeter war und was vor sich ging.
Nur wenige konnten sich mit den Kukryniksy vergleichen, wenn es darum ging, einen Feind des sowjetischen Staates anzugreifen. Das galt sowohl für äußere als auch für innere Feinde. Beispielsweise zeichneten die Kukryniksy 1937 Leo Trotzki und stellten ihn als Marionette in den Händen der Faschisten dar. 1953 beteiligten sich die Kukryniksy an einer Kampagne zur Entlarvung der „Ärzteverschwörung“. Diese antisemitische Kampagne endete jedoch sehr schnell mit dem Tod Stalins im Jahr 1953.
Die neuen Rahmen
Das Werk der Kukryniksy gehört ganz in die sowjetische Ära. In Erinnerung an Maxim Gorkis Ratschlag blickten die Künstler auch nach dem Krieg „über die Grenzen hinaus“ und prangerten in ihren Zeichnungen die amerikanischen Imperialisten und das verkommene Europa an. Dennoch waren in der Zeit der Perestroika von Gorbatschow andere Motive gefragt. Die Karikaturisten hatten die Möglichkeit, den in den Jahrzehnten der Sowjetunion gebildeten Rahmen zu sprengen. Es wurde möglich, sich nicht nur über einzelne unsoziale Aspekte lustig zu machen, sondern auch über das Vorgehen der Behörden im eigenen Land. Es war bereits eine andere Zeit, und es war nicht die Zeit der Kukryniksy.
Im Jahr 2001 schrieb die Zeitschrift „Kommersant Wlast“, dass das Genre der politischen Karikaturen in Russland praktisch verschwunden sei. Der Künstler Sergej Tjunin glaubte damals, dass der Grund für ihre Rückkehr die Verschärfung des politischen Regimes sein könnte. Er meinte: „Je härter die Zeiten werden, desto interessanter ist es zu zeichnen. Ich denke, dass dieses Genre seine frühere Bedeutung wiedererlangen wird, wenn sich die Situation weiter verschärft“. Offenbar ist diese Zeit bereits gekommen. Einige russische Karikaturisten sind bereits in die Riege der ausländischen Agenten aufgenommen worden.
Igor Beresin