Die Krise als Herausforderung

Das Krisenjahr 2020 scheint an russischen Start-ups vorbeigezogen zu sein. Statt aufzugeben, setzen sie auf neue Ideen und Expansion – und haben damit Erfolg.

Foto: Greenwise

Noch ist nicht absehbar, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf russische Start-ups haben wird. Dafür fehlen schlicht die Statistiken. Allerdings sollte die Pandemie Start-ups viel stärker zum Handeln motivieren. Das meint zumindest Witalij Serjakow, ehemaliger Verkaufsleiter des EdTech-Start-ups Skyeng, einer Online-Englischschule. Eigentlich, so Serjakow, wollte Skyeng in vielen Bereichen wachsen. So konzentrierte man sich zu Beginn des Jahres auf den Verkauf neuer Produkte, um sich in der Pandemie intensiv um die Bestandskunden zu kümmern. Zugleich wurde mit Skysmart ein neues Projekt gestartet. Das enthält unter anderem ein Online-Arbeitsheft, in dem erledigte Aufgaben automatisch überprüft werden.
Auch Julia Marsel, Mitbegründerin von Greenwise, einem der ersten russischen Hersteller pflanzlicher Freischalternativen, hat im Corona-Jahr erfolgreich Projekte umsetzen können. So wurden zwei neue Produkte auf den Markt gebracht: pflanzliches „Rind“ und „Hühnerfilet“. Nach der Teilnahme am internationalen Programm ProVeg hat sich Greenwise das Ziel gesetzt, zum Start-up-Inkubator für russischsprachige Projekte im Bereich pflanzlicher Ernährung zu werden.
Eigentlich wollte Greenwise in diesem Jahr seine Produkte auch auf dem europäischen Markt anbieten. Wegen Corona mussten die Pläne aber erst einmal verschoben werden. Im postsowjetischen Raum konnte das Startup hingegen bereits expandieren und die Fleischalternativen nach Belarus, Kasachstan, in die Ukraine und in die baltischen Länder liefern. In naher Zukunft plant Greenwise neue Märkte zu erschließen, unter anderem in Australien und Neuseeland.
Bei Mongerine, einem Startup im Bereich Consulting und Außenwirtschaft, spricht Juristin Darja Petrowa von neuen Formaten, auf die man sich einlassen musste. Obwohl Veranstaltungen im Bereich Exportunterstützung nicht stattfinden konnten, gelang es Mongerine, eine Online-Business-Mission für russische und slowakische Unternehmen durchzuführen. Während der Pandemie hat sich das Start-up vor allem auf juristische Dienstleistungen konzentriert, etwa Streitigkeiten über Ansprüche aus Mietverhältnissen oder die Anerkennung von Umständen höherer Gewalt. Und man versuchte, den öffentlichen Sektor als Kunden zu gewinnen. Schließlich ist der stabil.
Die drei Beispiele zeigen, dass Start-ups die Situation nicht als Krise betrachten, sondern mehr als eine spannende Herausforderung. Und damit sind sie nicht allein. Auch viele andere junge Gründer haben proaktiv gehandelt. Und manche wurden für ihre Ideen belohnt. Wie etwa die Entwickler eines Softwarepakets zur Verbesserung der Rehabilitationseffizienz oder eines biotechnischen Geräts zur genauen Diagnose des Todeszeitpunkts. Sie wurden beim Innovationspreis Inradel-2020 ausgezeichnet.
Wie stabil sich die russische Start-up-Szene in der Krise zeigt, verdeutlichen auch die Zahlen des Forschungsprojektes Barometer. Von 620 befragten Gründern haben demnach lediglich drei Prozent im Sommer 2020 daran gedacht, ihr Unternehmen zu schließen. Vielmehr war man gewillt, entweder Geschäftsmodell (24 Prozent) oder das Produkt (40 Prozent) an die neuen Bedingungen anzupassen. Und elf Prozent der Befragten berichteten gar von steigendem Interesse an ihrem Produkt, nachdem Investoren dessen Relevanz erkannt hatten. Außerdem dachten 41 Prozent der Start-ups darüber nach, neue Mitarbeiter einzustellen. Diese Daten zeigen eine relativ gute und positive Dynamik.
Gute Voraussetzungen, um auch 2021 weiter durchzustarten, ob mit Corona-Krise oder ohne.

Maria Bolschakowa

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