
Herr Schnaak, Sie haben sich im Mai dieses Jahres zusammen mit zwei Kosaken aus Deutschland in eine Stadt nahe Moskau begeben, um dort den 9. Mai zu feiern. Wer sind Kosaken überhaupt?
Kosaken waren ursprünglich Wehrbauern, die sich seit Ende des 15. Jahrhunderts in den keiner Zentralgewalt unterstehenden Grenzgebieten des russischen Reichs sowie im Süden Polen-Litauens niedergelassen hatten. Sie siedelten vor allem an den Unterläufen von Dnjepr, Don, Wolga und Jaik.
Der Begriff „Kosak“ leitet sich aus dem tatarischen Wort für „freie Reiter“ oder „freie Krieger“ ab. Das Kosaken-Heer wurde in den 1570er Jahren gegründet und im Jahre 1918 aufgelöst. Bis dahin gab es Kosakengemeinschaften bis zum Dienst in den Garderegimentern der Russischen Kaiserlichen Armee. Nach 1990 entwickelte sich im heutigen Russland eine Kosaken-Renaissance.
Könnten Sie bitte Näheres über Ihre Kosaken-Bekannten aus Deutschland erzählen? Wer sind sie, unter welchen Umständen haben Sie sich kennengelernt?
Die beiden Kosaken, mit denen ich vom 9. bis 11. Mai in Serebrjannye Prudy etwa 200 Kilometer südöstlich von Moskau war, sind der Oberataman der Kosakenvereinigung in Deutschland, Generalmajor der Kosaken Hans-Jürgen Höftman aus Berlin, und sein Stellvertreter für Außenbeziehungen, Oberst der Kosaken Dietmar Görnemann aus Dresden. Außerdem war auch noch die Frau von Görnemann dabei. Die beiden Kosaken sind ehemalige höhere Armeeoffiziere.
Dietmar Görnemann hatte mich Anfang 2021 im Internet „aufgestöbert“. Er hatte einen zuverlässigen Kontakt in Russland gesucht, der ihn bei der Erweiterung und Festigung der Beziehungen zwischen den Kosaken in Russland und in Deutschland unterstützen könnte. Und das habe ich dann auch getan.
Was genau wollte der Oberst der Kosaken unternehmen?
Oberst Görnemann wollte sich Ende Juli 2021 mit Kosaken in Moskau treffen. In dieser riesigen Stadt ist es mir aber nicht gelungen, einen geeigneten Ansprechpartner zu finden. Irgendwie bekam ich dann Kontakt zu einem Ataman in Rjasan, einer Stadt südöstlich von Moskau, etwa 220 Kilometer entfernt.
Sie haben sich dann also zu den russischen Kosaken begeben. Wie ist die Reise verlaufen?
Am 25. Juli fuhren der Oberst, der aus Dresden gekommen war, und ich mit meinem Auto zu den Kosaken. Wir wurden, wie das auch bei den Kosaken so üblich ist, herzlich aufgenommen, gemeinsam wurden große Pläne für die Zukunft geschmiedet … und dann ist nach einigen Telefonaten alles im Sande verlaufen.
Anfang September 2021 hatten Dietmar Görnemann und Frau sowie Generalmajor Höftmann und Frau, die eine Bahnreise nach Wladiwostok unternehmen wollten, und ich in einem Hotel ein Treffen mit einigen Kosaken. Hier lernte ich Oberst Andrej Minin, Ataman der Kosaken aus Serebrjannye Prudy, kennen. Er machte gleich einen sehr aufgeschlossenen Eindruck auf mich, was sich zwei Jahre später bestätigen sollte.
Waren Sie also 2023 wieder bei einer Fahrt zu den russischen Kosaken mit dabei? Wer ist überhaupt für solche Reisen verantwortlich?
Seit 2016 organisiert der deutsche Verein „Druschba-Global“ Freundschaftsfahrten von Deutschland nach Russland, an denen Freunde Russlands mit ihren eigenen Autos teilnehmen. So auch im Jahr 2023. Diesmal war auch Dietmar Görnemann dabei und auch ich wollte mich der Gruppe in Russland anschließen. Als einen der Höhepunkte der Fahrt hatte Dietmar Görnemann vorgeschlagen, einen Besuch bei den russischen Kosaken in Serebrjannye Prudy zu organisieren.
Da auch ich nunmehr den Kontakt zu dem dortigen Ataman hatte, übernahm ich die Feinabstimmung des geplanten Treffens mit ihm. Alles war geregelt, das Programm für den Tag und die Verpflegung. Doch dann gab es aber ein Problem: Aufgrund eines Zeitverlustes von zwei Tagen beim Überqueren der Grenze nach Russland, in den baltischen Republiken ging nichts, es musste ein Umweg über Finnland genommen werden, musste der gesamte Plan der Fahrroute völlig umgearbeitet werden. Das Fazit: Ein Termin musste völlig abgesagt werden – vier Tage in Astrachan – und den Termin bei den Kosaken mussten wir um einen Tag vorziehen. Und das eine Woche vor dem Treffen.
Wie ist schließlich Ihre Reise verlaufen? Was stand auf dem Programm des Treffens mit Kosaken?
Wir, 30 Deutsche, trafen am 7. August überpünktlich mit unseren Autos am Treffpunkt ein. Nach einem gemeinsamen Foto begann der offizielle Teil des Programms. Neben den Kosaken waren auch Vertreter gesellschaftlicher Organisationen zugegen. Nach den Begrüßungsreden gab es ein kurzes Kulturprogramm einschließlich einer Art von Säbeltanz und danach die obligatorische Begrüßung mit Brot und Salz. Danach erfolgten Auszeichnungen, wobei auch einige Freundschaftsfahrer Medaillen bekamen. Dann wurde ich nach vorne gebeten und feierlich zum Ehrenkosaken im Rang eines Jesauls ernannt.
Schildern Sie bitte, wer ist ein Jesaul und für welche Verdienste kommt man zu einer solchen Ehre?
Jesaul heißt der Dienstgrad eines Majors bei den russischen Kosaken. In Anerkennung meines Beitrags zur Entwicklung der Beziehungen zwischen den russischen und den deutschen Kosaken, hieß es zu meiner Ernennung. Ich erhielt auch den entsprechenden Ausweis, die Schulterstücke und sogar eine Uniform. Die war allerdings viel zu groß. Nun ja, die sei erstmal nur symbolisch, ich würde später eine passende bekommen.
Eigentlich sollte das Ganze ja eine Überraschung für mich werden, aber schon vor sechs Wochen hatte sich jemand mir gegenüber verplaudert …
Wir haben nun erfahren, dass es Kosaken in Deutschland gibt. Existiert auch eine Gemeinschaft von Kosaken dort? Wenn ja, wer sind diese Menschen?
In Deutschland gibt es zwei Stanizas (Staniza ist in Russland eine historische Kosakensiedlung). Eine im Norden und eine im Süden von Ostdeutschland. Insgesamt sind es 35 Kosaken, hauptsächlich frühere Angehörige der Nationalen Volksarmee der DDR.
Der Kosakenverein befasst sich im Wesentlichen mit der Geschichte der Kosakenbewegung. Die Basis dabei bildet die Waffenbrüderschaft zwischen Preußen und den Kosaken in den Napoleonischen Kriegen.
Kann man diesem Verein auf Wunsch irgendwie beitreten?
Um bei den Kosaken in Deutschland aufgenommen zu werden, muss man einen Antrag stellen. Bei der Aufnahme erfolgt die Festlegung des Ranges (Dienstgrades) entsprechend der nachgewiesenen Verdienste um die Kosakenbewegung. Auch die militärische Laufbahn sowie der Hochschulabschluss werden berücksichtigt.
Es gibt wohl nur wenige Menschen, denen etwas von Kosaken in Deutschland bekannt ist. Wie war er bei Ihnen? Wann haben Sie die erste Erfahrung mit deutschen Kosaken gemacht?
Erstmals hatte ich von Kosaken in Deutschland Anfang 2013 erfahren. Da hat mich ein Arzt aus Gera ebenfalls übers Internet angeschrieben (ihm hatten meine Fotos auf der damaligen Internetseite der Nachrichtenagentur RIA Novosti gefallen) und mich gefragt, ob ich nicht über das Hofwiesenparkfest Ende April in Gera berichten könnte und wollte. Er selbst sei Hobby-Kosake und Ataman der Geraer Kosaken und zu dem Fest werde auch ein Kosakenchor aus der Nähe von Moskau kommen.
In meiner Redaktion wurde das Thema für interessant befunden – also reiste ich nach Gera. Der Chor hatte dann sogar ein Konzert in einer evangelischen Kirche in der Stadt gegeben, das von den Zuschauern mit Begeisterung aufgenommen wurde. Auch auf der Festwiese waren die Kosaken trotz des regnerischen Wetters gefragt.
Wie ist das Verhältnis zwischen der historischen und modernen Kosakenbewegung? Ist Ihnen etwas davon bekannt?
Derzeit gibt es in Russland über 2500 Kosakenvereine und öffentliche Organisationen. Die Vereine, auch der deutsche, sind im staatlichen Register der Kosakenbewegung offiziell eingetragen und haben die Verantwortung für die Erbringung staatlicher Dienste übernommen. Wladimir Putin hat den Rang eines Obersten der Kosaken und unterstützt die Entwicklung einer einheitlichen Kosakenbewegung in Russland.
Nach dem Bürgerkrieg wurden die Kosaken, die die Weißgardisten aktiv unterstützt hatten, über die ganze Welt verstreut. Und heute wollen ihre Nachkommen enger mit den Kosakenorganisationen in Russland zusammenarbeiten.
Das Gespräch führte Viktoria Nedaschkowskaja.