Auf dem Weg zu alkoholfreiem Wein

Vor dem Hintergrund des gesamtrussischen Stresses im Zusammenhang mit den Kriegshandlungen in der Ukraine und auf dem Territorium Russlands findet Wodka immer noch seine Abnehmer und gewinnt sogar an Beliebtheit. Gleichzeitig nimmt aber auch der Konsum anderer Getränke zu, insbesondere alkoholfreier Alternativen. Marktexperten schätzen ein, wie stark dieser Trend ist und welche Ursachen er hat.

Umsatz vom alkoholfreien Wein
Der Weinabsatz in Russland ist rekordverdächtig. (Foto: Alexander Awilow/AGN Moskwa)

Im ersten Quartal 2024 ist der Einzelhandelsumsatz von Alkohol (ohne Bier und Biergetränke, sowie Apfelwein) um 5,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Dies geht aus den Daten der russischen Agentur für die Kontrolle des Marktes für alkoholische Erzeugnisse und Tabakwaren hervor. Dabei ist zwischen Januar und August 2024 der Umsatz von alkoholfreiem Wein und alkoholfreien Varianten von Spirituosen deutlich gestiegen.

Triumph des Weins

Einem Bericht des Handelsunternehmens X5 Group zufolge haben die Verbraucher in den ersten acht Monaten des Jahres 2024 in den Geschäften der Ketten Pjatjorotschka, Perekrjostok, Tschischik mehr als 3,6 Milliarden Rubel für alkoholfreie Varianten von Spirituosen ausgegeben. Das sind 33 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Der Absatz von alkoholfreiem Apfelwein verdoppelte sich auf 37.000 Liter, wobei der Weinabsatz um 64 Prozent auf 197.000 Liter stieg. Der Bierabsatz erreichte 28 Millionen Liter, 2 Prozent mehr als im Vorjahr.

Lenta, Metro und Auchan verzeichneten ebenfalls ein deutliches Wachstum beim Absatz von Erfrischungsgetränken. So stieg bei Lenta der Absatz von alkoholfreiem Wein und Apfelwein zwischen Januar und August 2024 um mehr als 60 Prozent, das Sortiment wurde um 75 Prozent erweitert. Auch die Metro kann sich sehen lassen. In der ersten Hälfte dieses Jahres stieg der Umsatz von alkoholfreiem Wein um 140 Prozent und das Sortiment wurde um das 2,5-Fache erweitert. Bei Auchan schließlich stieg der Umsatz von alkoholfreiem Apfelwein und ähnlichen Getränken um 25 Prozent, von Bier um 34 Prozent und von Wein um beeindruckende 126 Prozent.

Junge Menschen für Nüchternheit

Russland ist dabei, seine Trink­traditionen zu ändern. Nach Angaben des Forschungsunternehmens FOM wird der Anteil der Russen, die keine alkoholischen Getränke trinken, im Jahr 2024 auf einen Rekordwert von 38 Prozent ansteigen. Im Jahr 2002 waren es nur 21 Prozent. Ähnliche Daten liefert die Higher School of Economics (HSE): Der Anteil der Abstinenzler im Alter von über 16 Jahren ist in den letzten 20 Jahren von 23,7 auf 38,8 Prozent gestiegen. Gleichzeitig trugen die Jugendlichen am meisten zu diesem Wachstum bei. In der Altersgruppe der unter 25-Jährigen hat sich der Anteil der Nichttrinker in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt, von 25,4 auf 55 Prozent.

Wer trinkt was

Aber selbst diejenigen, die trinken, bevorzugen alles andere als Wodka, so die Ergebnisse einer Studie der Higher School of Economics. Nach Ansicht der Marktteilnehmer stellt sich vor allem die Frage, wie sich der Geschmack der jungen Menschen im Laufe ihres Heranwachsens verändern wird: Werden sie ihre Vorliebe für schwachen Alkohol beibehalten oder steigen sie von alkoholfreiem Wein auf Wodka um?

Derzeit fangen die Menschen erst ab einem Alter von 30 Jahren an, allmählich auf Wodka umzusteigen. Nach Angaben des Instituts für Meinungsforschung WZIOM trinken ihn am häufigsten die Vertreter der drei älteren sowjetischen Generationen. Unter den „Kindern des Tauwetters“ (vor 1947 Geborene) sind es 16 Prozent, in der „Generation der Stagnation“ (geboren von 1948 bis 1967) sind es ebenfalls 16 Prozent und in der „Generation der Reformen“ (Jahrgang von 1968 bis 1981) ist es ein Prozent weniger.

Gesunde Werte

Gleichzeitig, so Veniamin Grabar, Chef des Alkoholunternehmens Lagoda, „haben die jungen Leute von heute keine Angst, bei der Wahl des Alkohols zu experimentieren, und sie achten auf neue Angebote in den Regalen“. Nach Ansicht der Experten wird der Alkoholkonsum auch deshalb neu organisiert, weil die jungen Verbraucher versuchen, einen gesunden Lebensstil zu führen und, wie die Autoren der Studie anmerken, „eine positivere Einstellung zu ihrer Zukunft und dem Leben im Allgemeinen haben“.

Alexander Lipilin, Geschäftsführer des Weinhandelsunternehmens Fort, kommentierte die Veränderung der Konsumgewohnheiten unter dem Einfluss der Mode eines gesunden Lebensstils: „Die Anhänger dieser Entwicklung sind nicht nur die jüngere Generation, sondern auch ältere Menschen, die nach bestimmten gesundheitlichen Problemen beginnen, Alkohol zu meiden“, zitierte ihn „Kommersant“.

Wodka hat noch nicht aufgegeben

Obwohl der Konsum von alkoholfreiem Wein zunimmt, gibt Wodka jedoch seine Position noch nicht auf. Er baut sie sogar noch aus. Seit 2016 ist der Wodkakonsum stabil geblieben. Aber die Wodka-Verkäufe waren im Jahr 2022, wie die des gesamten Alkohols, rekordverdächtig, so Wadim Drobis. Der Direktor des Zentrums für die Erforschung der föderalen und regionalen Alkoholmärkte hat es in einem Gespräch mit RBK festgestellt. Und im Jahr 2023 ging es weiter. Daran ist nichts Überraschendes. Eine solche Dynamik ist charakteristisch für Krisenzeiten. Dem Experten zufolge wird das Wachstum des Wodka-Absatzes mindestens bis zum Ende der „Sonderoperation“ anhalten. Und möglicherweise auch noch einige Zeit danach.

Anastassija Archipowa

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