Der gute Russe Pierre: Wie ein Zar den Kurort Spa erfand

Wenn einem russischen Staatschef im Westen gehuldigt wird, dann muss etwas ganz Besonderes passiert sein. Ist es ja auch, allerdings bereits vor 300 Jahren. Die Wirkung hält bis heute an. Wer noch an der wohltuenden Kraft von Mineralwasser zweifelt, der sollte diese Geschichte lesen.

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Das belgische Spa machte Peter den Großen gesund und er machte es berühmt. / Wikimedia Commons/Jean-Pol Grandmont

Es ist nicht die Körpergröße gemeint, wenn von Peter dem Großen gesprochen wird. Trotzdem war der Zar ein Hüne von Mann. Imperiale Macht auf 2,03 Meter! Doch das Denkmal, das ihm die belgische Stadt Lüttich jetzt gesetzt hat, ist sogar noch ein bisschen größer. Am 21. Juni wurde es enthüllt, um damit an den Besuch des russischen Herrschers vor genau 300 Jahren zu erinnern und daran, was das für die Region bedeutete. Ende Juni wird ihm der unweit von Lüttich in den Ardennen gelegene Badeort Spa dann posthum die Ehrenbürgerschaft verleihen.

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Völkerverbindendes Mineralwasser: die Brunnenhalle über der Quelle Pierre le Grand zu Ehren von Peter dem Großen in Spa. / Wikimedia Commons/Jean-Pol Grandmont

Pierre le Grand, wie er dort auf Französisch heißt, hatte im Sommer 1717 einen Monat in dem Flecken verbracht, der damals schon für seine Heilwasser bekannt war, und sich auf Empfehlung seines Leibarztes, des Schotten Robert Erskine, einer Kur unterzogen. Als er wieder abreiste, soll er von einem Leberleiden kuriert gewesen sein. Doch nicht nur für den genesenen Zaren lohnte sich der Aufenthalt. Die Kunde vom hochwohlgeborenen Gesundheitstouristen aus Russland verbreitete sich in den besseren Kreisen des Abendlandes wie ein Lauffeuer und brachte Spa so richtig in Mode. Bereits die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ging als „goldenes Zeitalter“ in die Geschichte der Stadt ein. Peters Gastspiel begründete ihren Ruf als Wiege der Thermalkultur. Nach ihm ist eine von mehreren lokalen Heilquellen benannt, überbaut mit einer Brunnenhalle. Spa wurde zum Inbegriff des Bäderwesens, sein Name zu einem Synonym für wasserbasierte Kuren und sogar für das gepflegte Relaxen im Schwimmbad eines Luxushotels.

Peter der Große, der 1682 den russischen Thron bestieg, unternahm zwei legendäre, ausgedehnte Reisen in den Westen, die ihn jeweils quer durch Europa führten. Die erste dauerte vom 10. März 1697 bis zum 25. August 1698 und ging als „Große Gesandtschaft“ in die Geschichte ein. Stationen: das livländische Riga, das preußische Königsberg, Berlin, Amsterdam (wo Peter, 25 Jahre alt, auf einer Werft vier Monate als Schiffszimmermann arbeitete), London und Wien. Vieles, was der Reformzar später an Modernisierung in der Heimat anstrengte und was sich auch im 1703 von ihm gegründeten St. Petersburg manifestierte, war von seinen Beobachtungen und Kontakten in den europäischen Ländern inspiriert. In Russland wird das bis heute von vielen durchaus kritisch gesehen.

Die zweite Reise des Zaren 1716 und 1717 war ähnlich lang. Mitten im Großen Nordischen Krieg gegen die Schweden um die Vorherrschaft im Ostseeraum suchte der Zar politische und wirtschaftliche Verbündete. Diesmal besuchte er verschiedene deutsche Fürstentümer, weilte drei Wochen zur Kur im niedersächsischen Pyrmont, gastierte in Kopenhagen, Amsterdam und schließlich – trotz eines kühlen Verhältnisses zwischen Frankreich und Russland – in Paris, wo er im Lustschloss Grand Trianon auf dem Gelände des Schlosses Versailles logierte. Dort ist ihm deshalb derzeit eine große Ausstellung gewidmet.

Zar Peter, gemalt 1838 von Paul Delaroche. / www.masalygin.ru

Dann ging es weiter nach Wallonien, zu den Quellen von Spa. Und auch das blieb für die Heimat nicht folgenlos. Noch im selben Jahr erließ Peter ein Dekret, mit dem er die Suche nach Heilquellen „zur Anwendung bei verschiedenen Krankheiten“ in seinem Reiche befahl. Und 1719 begab er sich selbst zu so einem Bodenschatz in Karelien, der wenige Jahre davor entdeckt worden war und wo aus diesem Anlass nun auch einige Holzgebäude errichtet wurden. Damit war der erste russische Kurort geboren.

Warum wir Ihnen das alles erzählen? Natürlich wissen Sie, warum. Die russisch-europäischen Beziehungen sind so angeschlagen, dass sie mal zur Kur müssten. Im Geiste der Zeit sprach auch der Gouverneur von Lüttich, Michel Foret, im Vorfeld der Einweihung des Denkmals für Peter lieber nicht von Russland. Nein, verstärken wolle man damit symbolisch wieder die Kontakte zu den „slawischen Ländern“, hieß es. Doch so wie der russische Zar und sein geschätztes Europa einander Gutes taten, so könnte es nichts schaden, sich heute auf jahrhundertelange Gemeinsamkeiten zu besinnen.

Tino Künzel

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