Piters geheime Helden

St. Petersburg ist nicht nur die Hauptstadt und der Kultur und des Nordens, sondern auch der Katzen. Die Gründe dafür sind tief mit der über 300-jährigen Stadtgeschichte verbunden. Dabei waren sie einer Zarin zuwider.

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Im Gegensatz zu Katharina II. liebten Peter I. und seine Tochter, Elisabeth I., die Vierbeiner / Foto: Postkarte

Katzen haben seit eh und je einen festen Platz in der Mythologie der Stadt an der Newa – nicht ohne Grund. So geht eine uralte Petersburger Legende bis auf seine Gründung zurück. Demnach lief Peter der Große bei seiner Begutachtung der neu eroberten Ostseeufer ein streunender Kater über den Weg. Er warf sich schnurrend vor die Füße des Zaren. Dies gefiel diesem so sehr, dass er feierlich verkündete: „Hier soll meine neue Stadt entstehen!“ Den Kater nahm er mit nach Hause.

Man erzählt sich sogar, dass der „eherne Reiter“, das bronzende Reiterstandbild Peter I. am Newaufer,  von seinem Schaffer, dem französischen Bildhauer Étienne Maurice Falconet, ursprünglich mit einem jungen Kätzchen auf dem Arm entworfen wurde – als Symbol neuen Lebens. Allerdings rechnete Falconet nicht mit dem Veto seiner einflussreichen AuftrPlanet Piteraggeberin. Denn Katharina II. mochte keine Katzen. Sie war eher Hunden zugeneigt. So blieb das Denkmal für Peter I. katzenfrei – und Falconet tiefbeleidigt. Die Legende ist bis heute umstritten. Historikern zufolge fuhr Falconet lange vor der Einweihung des Denkmals im August 1782 nach Paris.

Dabei gehörten Katzen bereits 37 Jahre zuvor zum festen Interieur des Zarenpalastes. Sie wurden von 15 der besten Kammerjäger des Khans von Kasan gebracht, um der Rattenplage am königlichen Hofe von Elisabeth I., Vorgängerin von Katharina II., ein Ende zu bereiten. Bis heute leben geschätzte 50 Katzen im Winterpalast: Die Eremitage bleibt damit wohl auch in Zukunft rattenfrei.

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Warnschild vor der Eremitage: Im Winterpalast leben heute geschätzt 50 Katzen / Foto: Petr Iwanow.

Absoluten Heldenstatus erreichten die Pelztiere zur Zeit der Leningrader Blockade. Dabei war nicht alles für die Katz: Denn die treuen Jäger teilten gefundene Fische, Vögel und Mäuse mit ihren vom Hunger geplagten Besitzern. Dabei teilten sie das Schicksal der Menschen, zahlreiche verhungerten im Verlauf der über zwei Jahre und fünf Monaten andauernden Belagerung durch die Deutschen. 

Den heimlichen Helden der Blockade wurde ein Denkmal errichtet: zwei kleine Skulpturen an der Kreuzung Malaja Sadowaja und Newskij Prospekt. Doch damit nicht genug: Nach der Befreiung der Stadt im Januar 1943 wurden ganze vier Eisenbahnwagen voll Katzen aus dem entfernten Jaroslawl deportiert. Ihre Aufgabe war es die Ratten zu bekämpfen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt unheimlich vermehrt hatten. Zwei Jahre später erhielten sie Verstärkung von 5000 sibirischen Katzen.

In einer Sendung von „Radio Baltika“ proklamierte Anna Kondratjewa, Leiterin des Kunstprojektes „Katzenrepublik“, St. Petersburg sogar als Katzenhauptstadt Europas. Sie erinnert zudem an das ironische Willkommensritual Anna Achmatowas. Dabei wurden die Gäste vor die Wahl „Tee, Hund und Pasternak“ oder „Kaffee, Katze und Mandelstam“ gestellt (Pasternak kommt aus Moskau, Mandelstam hingegen aus St. Petersburg). Den waschechten Petersburger erkannte die russische Dichterin daran, dass er sich – ohne jeden Zweifel – für das Zweitere entschied.

4_newOlga Welsch 

Nach Stationen bei Hubert Burda, Bauer und Sanoma Independent Media kam die gebürtige Berlinerin zur MDZ. Die ehemalige Deutschdozentin an der Moskauer MGIMO machte Sankt Petersburg im Jahr 2014 zu ihrer Wahlheimat. 

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