Ein starker Rückgang
In den Pandemiejahren 2020–2021 stieg in Russland die Zahl der Menschen, die im Homeoffice-Modus arbeiteten, drastisch an: von 1–1,5 Prozent auf 25–30 Prozent aller Beschäftigten. Wie eine aktuelle Studie des Zentrums für Arbeitsstudien der Wirtschaftshochschule in Moskau zeigt, hat sich die Telearbeit auf dem russischen Arbeitsmarkt jedoch nicht durchgesetzt. Bereits Anfang 2022 sank der Anteil auf 4,2 Prozent, und Ende 2023 war er auf 1,4 Prozent gesunken. Derzeit arbeiten in Russland etwa 1 Million Menschen oder etwas mehr als 1 Prozent aller Erwerbstätigen (davon 35–45 Prozent arbeiten die ganze Zeit im Telemodus, 55–65 Prozent in einem „hybriden“ Modus) auf diese Weise. Wie die Autoren der Studie feststellten, ist das um ein Vielfaches niedriger als in anderen Ländern – nach der Pandemie ging der Anteil der Fernarbeit überall zurück, aber nirgendwo war der Rückgang so stark wie in Russland.
Ein Homeoffice-Monopol
Betrachtet man einzelne Sektoren, ist die Informations- und Kommunikationstechnologie zweifellos führend, wo jeder achte Beschäftigte online arbeitet. Im Sektor der freien Berufe und wissenschaftlich-technischen Berufe sind es 7 Prozent, im Finanz- und Immobiliensektor 4 Prozent. Bei etwa 2,5 Prozent wird diese Form der Beschäftigung auch in der Verwaltung genutzt. In anderen Branchen schwankt der Anteil der Online-Arbeitskräfte in einer engen Spanne von 0,5 bis 1,5 Prozent. Dieser Anteil ist umso höher, je stärker die Branche mit Computern arbeitet. Laut der Studie ist die Fernarbeit im Großen und Ganzen ein „Monopol“ von Arbeitnehmern mit Hochschulbildung – sie machen etwa 75 Prozent aus. Arbeitnehmer mit beruflicher Sekundarbildung machen 18 Prozent aus, Arbeitnehmer mit grundlegender Allgemeinbildung sind so gut wie nicht darunter zu finden.
Autoritäre Führungskultur vs. modernes Management
Rostislaw Kapeljushnikow, einer der Autoren der Studie, merkte in einem Gespräch mit der Zeitung „Kommersant“ an, dass die im internationalen Vergleich geringe Verbreitung der Telearbeit in Russland möglicherweise auf die traditionelle autoritäre Führungskultur zurückzuführen ist. „Viele Manager wissen nicht, wie sie Mitarbeiter, die von zu Hause aus arbeiten, kontrollieren sollen. Daher ist Telearbeit am häufigsten in Unternehmen mit einem modernen Managementansatz zu finden, der von relativ jungen Managern praktiziert wird“, bemerkt Wladislaw Byсhanow, ein Partner des HR-Unternehmens Cornerstone.
Dies wiederum könnte ein weiterer Faktor für das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem russischen Arbeitsmarkt sein, denn für viele Menschen ist die Telearbeit am komfortabelsten und veranlasst sie, andere Stellenangebote abzulehnen.
Alexej Karelski