Mit deutschem Know-how auf Moskaus Baustellen

Wladimir Eber kam mit 14 Jahren aus Nowosibirsk nach Pforzheim im Südwesten Deutschlands. Doch Russland hat ihn nie ganz losgelassen. Jetzt macht er sich als Bauunternehmer in Moskau selbständig. Die Metropole, so sagt er, gibt ihm einfach mehr Möglichkeiten, sich etwas aufzubauen.

Wladimir Eber
Einfamilienhäuser aus Porenbetonsteinen sind Wladimir Ebers Fachgebiet. (Foto: privat)

Deutsches Know-how und Wertschätzung für die Mitarbeiter, das sind die Grundpfeiler von Wladimir Ebers Geschäftsstrategie. Damit will er vom Moskauer Bauboom profitieren. Dabei kam der studierte Bauingenieur eigentlich der Liebe wegen in die russische Hauptstadt. Seine Liebe zerbrach, wie auch die ersten beiden Geschäftsideen. Doch der Russlanddeutsche gab nicht auf. Mit leeren Händen zurück nach Pforzheim? Das war nicht drin. Also probierte er es noch einmal.

Jetzt ist er erfolgreich als Unternehmer im Baugewerbe tätig. Derzeit noch zusammen mit einem Partner, doch ab dem kommenden Jahr macht er sich unabhängig, gründet sein eigenes Unternehmen. Einfamilienhäuser, Gewerbebauten, auch Innenausbau gehören zu seinen Fachgebieten. Als zertifizierter Ytong-Partner verarbeitet er wärme­dämmende Porenbetonbausteine, noch relativ neu im rus­sischen Baugewerbe.

Von Nowosibirsk nach Pforzheim

Doch der Weg dorthin war alles andere als vorbestimmt oder gar geplant. Wladimir Eber wuchs als Kind russlanddeutscher Eltern in Nowosibirsk auf. Wenn die Familie im Sommer die Verwandtschaft im rund 130 Kilometer entfernten Dorf Smirnowka besuchte, dann „sprachen die da irgendwas, was wir Kinder nicht verstanden haben“, erinnert sich Wladimir. Zuhause wurde Russisch gesprochen, doch mit den Großeltern sprach der Vater noch einen deutschen Dialekt.

Als er 14 Jahre alt war, siedelte die Familie nach Deutschland über, ins baden-württembergische Pforzheim. Wladimir hieß ab jetzt Waldemar. „Wir haben noch unseren Vater gefragt, ob er uns ein wenig Deutsch beibringen kann“, sagt er. „Doch der hat oft Sachen gesagt, die wir nicht verstanden haben, auch als wir schon in der Schule waren.“ Erst später begriffen die Kinder, dass das „ein ganz anderes Deutsch“ war.

Ferien in der alten Heimat

Doch die Sprache lernte er schnell. Und Russisch vergaß er ebenso schnell. Zehn Jahre hat er die Muttersprache nicht mehr benutzt und Russland nicht mehr gesehen. „Meine Eltern hatten immer Angst, dass ich zur Armee eingezogen werde, wenn ich nach Russland gehe“, erzählt er. Doch nach seinem Zivildienst hatte er bis zum Beginn der Ausbildung etwas Zeit. Da fuhr er zu seiner Tante nach Nowosibirsk, zurück in die Wohnung, in der er aufgewachsen war.

Das war erst mal ein Schock für ihn. „Ist der Krieg erst seit gestern vorbei? Hier ist ja alles kaputt, keine Blumen auf der Straße, die Wohnung bedrückend eng“, erinnert er sich an seine ersten Gedanken. Doch nach einer Weile gefiel es ihm, und er hing direkt noch ein paar Wochen dran.

Russland lässt ihn nicht los

Kurz später fand er einen Freund in St. Petersburg, der ihn einlud. „Das war schon was anderes, dieses Nachtleben dort, wie die Leute gekleidet waren, das hat mich total zerrissen“, schwärmt er. Er kam immer öfter und eines Tages stellte er fest, dass es ihn billiger kam, einen russischen Pass statt eines Visums zu besorgen.

Er begann, Autos nach Russland zu verkaufen. „Kein großes Geschäft, mehr ein nettes Zubrot, um meine Reisen zu finanzieren“, erinnert sich Wladimir. „Mal eine Mercedes E-Klasse, mal einen 3er BMW.“ Mit der Fähre fuhr er von Rostock nach Helsinki, dann den Rest über Land. Auch eine Freundin aus Russland hatte er, die wollte nach Deutschland kommen und eine Familie mit ihm gründen, sobald er es zu Geld gebracht habe. Doch er studierte mittlerweile, Geld war keins da, die Freundin auch bald wieder weg.

Auf die Baustelle nach Sotschi

Doch Russland fand immer wieder zu ihm – oder er zu Russland. Am Ende seines Studiums als Bauingenieur blätterte er Stellenanzeigen durch. Der österrei­chische Baukonzern Strabag suchte da gerade jemanden, der Russisch spricht. Kurz danach stand Wladimir Eber auf der Baustelle für das olympische Dorf in Sotschi.

Ein Sprung ins kalte Wasser war das. „Ich konnte zwar sprechen, aber nicht wirklich schreiben, fehlerfrei schon dreimal nicht“, sagt er. Die Sekretärinnen ließen ihn daher keine Mail selbst schreiben. Aber mit Lieferanten verhandeln, das war drin.

Moskau mit anderen Augen sehen

Doch auch diese Russland­episode ging vorbei. Es folgten Baustellen quer durch Deutschland, bevor sich Wladimir in München niederließ. Im Skiurlaub hat er dann eine Moskauerin kennengelernt. „Komm doch mal vorbei“, meinte sie. „Das Wetter war so grau wie jetzt gerade“, erinnert er sich mit Blick aus dem Fenster, „doch wenn dir jemand Einheimisches die Stadt zeigt, dann ist das einfach der Wahnsinn.“

Vorher hatte er Moskau nur als Tourist gekannt, doch jetzt sah er die Stadt mit anderen Augen. Und er sah, wie wohlhabend sie zum Teil ist. „In mancher Straße ist jedes fünfte Auto ein Maybach. Da dachte ich mir: Was hält dich in Deutschland? Wenn hier solche Autos rumfahren und so viel gebaut wird, da muss doch auch ein Plätzchen für mich dabei sein“, so Wladimir.

Deutsche Technologien auf russischen Baustellen

Seine erste Geschäftsidee waren Epoxidharzböden, die Technologie ist in Russland noch nicht so verbreitet. Also heuerte er zunächst bei einem Betrieb in Deutschland an. „Ich musste das erst mal lernen, als ganz normaler Arbeiter, mit dem Schleifer auf dem Boden“, so Wladimir. Dann zog er in Moskau eine kleine Firma auf, wollte Mitarbeiter in der Technik ausbilden. Doch das wurde nichts. „Es fehlten die Referenzen“, so Wladimir. Nebenbei hatte er mit seiner Freundin noch einen Handel mit portugiesischen Korktaschen betrieben. Als auch der floppte, ging die Beziehung in die Brüche.

Da kam die Rettung durch einen Freund aus der Region Nischnij Nowgorod. Der war gerade dabei, eine Baufirma aufzuziehen. Wladimir stieg ein. Sie spezialisierten sich auf deutsche Technologien, arbeiten mit Porenbetonsteinen als Unternehmen mit Ytong-Lizenz. „Auf den Baustellen kommen so ziemlich alle Materialien aus Deutschland oder werden in deutscher Lizenz gefertigt“, so Wladimir. Daher positionieren sie sich als Unternehmen mit deutschem Hintergrund und deutschen Prinzipien.

Bald ein eigenes Unternehmen

„Uns ist Kundenbetreuung sehr wichtig“, sagt er. „Das fehlt hier oft, dass sich vom Bauunternehmen jemand um die Kunden kümmert, ihnen zeigt, was alles möglich ist.“ Außerdem ist ihm die Wertschätzung der Mitarbeiter ein großes Anliegen. Hier in Russland wird halt doch oft von oben herab geredet, gerade auf dem Bau. „Aber die Leute sind dankbar, wenn sie merken, dass der Chef sich um sie kümmert“, so Wladimir. Das mache sich in der Qualität der Arbeit bemerkbar.

Wichtig ist ihm auch angemessene Arbeitskleidung. Die habe er kistenweise aus Deutschland bestellt, sagt Wladimir, er wolle nicht, dass die Arbeiter in Sandalen auf der Baustelle herumlaufen, wie das sonst so üblich sei.
Im dritten Anlauf hat es für Wladimir in Russland also geklappt. Bald macht er sich mit dem Unternehmen ganz selbständig. „Bavaria Bau“ will er es nennen. „Als Referenz an die deutsche Qualitätsarbeit“, wie er sagt.

Für ihn war es der richtige Entschluss, wieder ins Land seiner Kindheit zurückzukehren. „Ich bin zwar in Deutschland zuhause, aber hier kann ich was aufbauen“, sagt Wladimir Eber. Es sei einfach ein top Wirtschaftsstandort und „allemal besser, als in Pforzheim 2000 Euro zu verdienen oder gar arbeitslos zu sein“.

Jiří Hönes

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