17 Minuten dauert die „Beichte des deutschen Terroristen“. So hat das belarussische Staatsfernsehen einen Beitrag genannt, der Ende Juli ausgestrahlt wurde. Es geht darin um Rico Krieger, einen Deutschen, der in Belarus zum Tode verurteilt wurde und nun selbst zu Wort kommt. Er ist dabei durch die Gitterstäbe einer Zelle und in Handschellen zu sehen. Krieger, im einleitenden Text als „hochmotivierter Verbrecher“ bezeichnet, bricht immer wieder in Tränen aus. Er bittet Präsident Lukaschenko, ihn zu begnadigen, und wirft den deutschen Behörden Untätigkeit vor. Nur seine Familie kämpfe um ihn. Der reißerisch aufgemachte Film endet mit einem flehentlichen Appell an Bundespräsident Steinmeier und Bundeskanzler Scholz: „Noch lebe ich, noch ist es nicht zu spät, um zu verhandeln.“
Der Urteilsspruch war offenbar bereits am 24. Juni erfolgt, wurde aber erst Wochen später öffentlich bekannt. Vom Auswärtigen Amt in Berlin hieß es dazu, man setze sich „intensiv“ für den Betroffenen ein. Belarus ist das einzige Land in Europa, das Todesurteile vollstreckt. Exekutiert wird per Genickschuss.
Wie die staatliche Zeitung „Belarus heute“ berichtet, sei Rico Krieger am 2. Oktober 2023 in das zwischen Polen und Russland gelegene Land eingereist. Dort habe er im Auftrag des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU militärische Anlagen fotografiert und schließlich Bahngleise gesprengt. Tags darauf sei er beim Versuch der Ausreise festgenommen worden.
„Größter Fehler meines Lebens“
Krieger bestätigt im Fernsehen diese Darstellung. Er stellt sich als Rettungssanitäter vor, der in Deutschland für das Rote Kreuz gearbeitet habe, erwähnt aber auch einen Job beim Sicherheitspersonal der US-Botschaft in Berlin. Dafür sei er an Waffen ausgebildet worden.
Im Herbst des vorigen Jahres hat sich der 30-Jährige nach seinen Worten einer ausländischen Militärformation in der Ukraine anschließen wollen. Er sei „sofort verfügbar“, schreibt er in seiner Bewerbung, die in dem Video eingeblendet wird. Nach einem Online-Interview mit einem „maskierten Mann“ sei er jedoch zunächst nach Belarus geschickt worden, angeblich vom SBU. Dort habe er letzten Endes einen Rucksack aus einem Versteck geholt und wie von ihm verlangt an einer Bahnstation am Stadtrand von Minsk neben den Gleisen platziert. Später habe er von einer Explosion erfahren, die es dort gab. Krieger spricht vom „größten Fehler meines Lebens“, den er „jede Sekunde“ bereue. Zum Glück sei dabei niemand verletzt oder getötet worden. Den materiellen Schaden bezifferte die Belarussische Bahn mit umgerechnet rund 500 Euro.
Visafreiheit und Reisewarnung
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat Belarus im Zusammenhang mit dem Bericht scharf kritisiert. Es sei „unerträglich, wie das belarussische Regime einen deutschen Staatsangehörigen im Fernsehen vorgeführt hat“, sagte sie. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass Minsk mit Krieger einen Gefangenaustausch plant, womöglich zu Gunsten seines Verbündeten Russland. Wie das belarussische Außenministerium mitteilte, habe man Deutschland „Lösungsvorschläge“ unterbreitet.
Derweil hat Belarus für Bürger von 35 europäischen Staaten überraschend die Visumpflicht aufgehoben. Seit 19. Juli und zunächst bis zum Jahresende können sich auch Deutsche bis zu 30 Tage am Stück visumfrei in dem Land aufhalten. Damit würden „Offenheit und Friedfertigkeit“ demonstriert, verlautbarte das Außenministerium in einer Erklärung. Das Auswärtige Amt hält seine Reisewarnung für Belarus allerdings aufrecht. Die Bekanntgabe der Visafreiheit kommentierte es im Kurznachrichtendienst X mit dem Satz: „Nicht jedes Land, das mit visafreier Einreise lockt, ist ein gutes Reiseziel.“
UPD: Präsident Alexander Luschaschenko hat Rico Krieger begnadigt, die Todesstrafe ist damit aufgehoben. Das teilte die staatliche Nachrichtenagentur Belta unter Berufung auf das Präsidialamt mit.
Tino Künzel