Studie: Entwicklungspotential für Familienunternehmen

Russland bietet unter Schwellenländern die besten Investitionsbedingungen für deutsche Familienunternehmen, sagt eine neue Studie. Das Land punktet durch qualifizierte Arbeitskräfte, geringe Besteuerung und eine gute digitale Infrastruktur.

Auf Expansionskurs: Das Hochland-Werk in Prochorowka im Gebiet Belgorod. (Foto: Hochland)

Russland, die Türkei und China belegen die obersten Ränge in der Studie „Länderindex Familienunternehmen – Emerging Markets“. Mit dieser lässt die Stiftung Familienunternehmen die wirtschaftlichen Standortbedingungen in sieben großen Schwellenländern untersuchen.

Wie schon in der ersten Studie vor zwei Jahren belegt Russland den vordersten Rang. Die Auftraggeber weisen darauf hin, dass sich die untersuchten Länder allesamt in einem zwar langsamen, aber stabilen Wachstum befinden. Zudem wird betont, dass in allen drei in der Studie führenden Volkswirtschaften Defizite im Hinblick auf den Rechtsstaat und die Demokratie bestünden, was jedoch nur bedingt Auswirkungen auf das Investitionsklima habe.

Hervorragende Ausbildungssituation in Russland

Bezogen auf das Niveau der Schulbildung attestiert die Studie Russland einen Platz „in der Liga eines Industrielandes“. Bei der Qualifikation der Fachkräfte sei das Land – wie auch die Türkei – dank einer langen Tradition der akademischen Ausbildung gut aufgestellt, explizit auch im direkten Vergleich mit China. In Russland haben über die Hälfte aller Erwerbstätigen einen Hochschulabschluss, womit das Land hier mit Abstand den ersten Rang einnimmt.

Verhältnismäßig geringe Steuerlasten und eine hohe Verfügbarkeit von Krediten wirken sich zudem positiv auf das Investitionsklima aus, wie die Autoren bemerken. Bei der Infrastruktur erzielte Russland ebenfalls den Spitzenplatz. Hier ist jedoch weniger die Straßen- und Schieneninfrastruktur ausschlaggebend. Der Vorsprung Russlands resultiert insbesondere aus seiner ausgezeichneten Informations- und Kommunikationsinfrastruktur.

Ein vergleichsweise schlechtes Zeugnis erhielt Russland dagegen bei der Rechtssicherheit und bei der Unabhängigkeit der Justiz. Grundlage für diese Beurteilung waren etwa der „Rule of Law Index“ und Expertenbefragungen der Weltbank. In Sachen Korruption steht das Land ebenfalls nicht gut da. Die Autoren der Studie betonen, dass für Familienunternehmen nicht unbedingt die prominenten Fälle entscheidend seien, sondern die Korruption „im täglichen Geschäftsleben, bei der Erteilung von Genehmigungen aller Art, dem Erhalt von öffentlichen Aufträgen und Fördermitteln.“ Verbessert hat sich Russland jedoch bei der Kriminalität und der politischen Stabilität, wo es nun im Mittelfeld liegt.

Unternehmen würden politische Annäherung begrüßen

Trotz der insgesamt positiven Ausgangslage hat sich laut einer Meldung der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) im vergangenen Jahr die Zahl der in Russland engagierten deutschen Unternehmen verringert. Dem steht jedoch ein qualitativer Ausbau des Engagements vieler Firmen entgegen, so AHK-Sprecher Thorsten Gutmann gegenüber der MDZ: „Deutsche Mittelständler sind strategisch und langfristig orientiert, lassen sich nicht von temporären Krisen abschrecken und sehen Russland als Zukunftsmarkt mit gewaltigem Wachstumspotenzial. Deshalb investieren traditionsorientierte Familienunternehmen wie Knauf, Claas oder Globus weiter kräftig in Russland.“

Auch der Allgäuer Käseproduzent Hochland, der seit 2000 auf dem russischen Markt aktiv ist, hat vor zwei Jahren ein weiteres Werk in der Region Pensa übernommen. Politische Spannungen scheinen die deutschen Familienunternehmen also nicht abzuschrecken. Dennoch weisen die Autoren der Studie darauf hin, dass eine politische Wiederannäherung mit Russland – wie auch mit der Türkei – durch die Europäische Kommission wünschenswert sei. Diese könnte für beide Seiten ein enormes wirtschaftliches Potenzial entfalten.

Eine Aufhebung oder Lockerung der im Zuge des Ukraine-Konflikts verhängten EU-Sanktionen gegen Russland wird jedoch nicht explizit gefordert.

Jiří Hönes

Newsletter

    Wir bitten um Ihre E-Mail: