Es sei ihm eine große Ehre, dass ihm Präsident Wolodymyr Selenskyj den Posten als stellvertretender Ministerpräsident für Reformen in der ukrainischen Regierung angeboten habe. Das schrieb Michail Saakaschwili am 22. April auf seiner Facebook-Seite. Ganz so kam es dann am Ende doch nicht. Selenskyj bekam für seinen Vorschlag, den einstigen georgischen Staatspräsidenten zum Vize-Regierungschef zu machen, keine Mehrheit – weder in der Fraktion seiner Partei Diener des Volkes noch im Parlament.
Stattdessen wurde der charismatische Politiker am 7. Mai zum Vorsitzenden des Reformkomitees beim Präsidenten ernannt. Das Amt hat bislang keine klar umrissenen Kompetenzen und wirkt wie eine Verlegenheitslösung. Wolodymyr Selenskyj erhofft sich von der Berufung Saakaschwilis offenbar Unterstützung bei der Reform der Bürokratie im Land. Die Ukraine ist auf Kredite von der Europäischen Union und vom Internationalen Währungsfonds angewiesen. Der Georgier genießt den Ruf eines Reformers, in seinem Heimatland hat er tatsächlich einen erfolgreichen Kampf gegen die korrupte Bürokratie geführt.
Saakaschwiki erhielt die ukrainische Staatsbürgerschaft zurück
Schon Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko hatte ihn ins Land geholt und 2015 zum Gouverneur von Odessa ernannt. Doch die beiden überwarfen sich, Saakaschwili wurde die zuvor übertragene Staatsbürgerschaft wieder entzogen. Später wurde er gar verhaftet und konnte sich in einer filmreifen Aktion mithilfe von Demonstranten aus den Fängen der ukrainischen Sicherheitskräfte befreien. Spätestens seit da hängt ihm der Ruf als „Kamikaze-Politiker“ an.
Nun kehrt er zurück in ein politisches Amt. Schon im vergangenen Jahr hatte ihm Selenskyj kurz nach seiner Wahl zum ukrainischen Präsidenten die Staatsbürgerschaft zurückgegeben. Die ukrainische Bevölkerung empfing Saakaschwili mit offenen Armen.
In seiner Heimat wird er per Haftbefehl gesucht
Für wenig Begeisterung sorgte die Ernennung des Georgiers dagegen in seiner Heimat. Saakaschwili wird dort Amtsmissbrauch während seiner Präsidentschaft vorgeworfen, es liegt ein Haftbefehl gegen ihn vor. Unmittelbar nach der Ernennung berief Georgien seinen Botschafter in der Ukraine zu Beratungen ein. Man müsse sehen, was man tun könne, um die strategischen und brüderlichen Beziehungen zum ukrainischen Volk vor solchen „Abenteurern“ zu schützen, ließ der georgische Premierminister Giorgi Gacharia mitteilen.
Beide Länder dürften jedoch wenig Interesse an einer Verschärfung des Konflikts haben. Die Ukraine und Georgien eint nicht nur, dass sie Konflikte mit dem großen Nachbarn Russland haben. Die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der beiden ehemaligen Sowjetrepubliken sind eng, man ist Teil einer gemeinsamen Freihandelszone. Selenskyj ließ denn auch bald wissen, die Ukraine werde ihren Botschafter im Gegenzug nicht einberufen.
Mission als Reformer der Staatsbürokratie
Nur Saakaschwili selbst goss noch Öl ins Feuer. Laut der Nachrichtenagentur „Tass“ soll er den Georgiern mit einer Hungerkatastrophe gedroht haben, sollte das Land die Beziehungen abbrechen. Ein Großteil der Lebensmittel in Georgien stamme aus der Ukraine.
Die ehemalige georgische Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse vermutet unterdessen, dass Saakaschwilis neues Amt auch die ukrainisch-russischen Beziehungen belasten werde. In einem Interview mit der Zeitung „Iswestija“ wies sie auf die russlandkritische Haltung des Ex-Präsidenten hin.
Ob sich Wolodymyr Selenskyj mit der Berufung der schillernden Figur einen Gefallen getan hat, muss sich noch zeigen. Vorerst hat er vor allem für Wirbel gesorgt. Jetzt muss Saakaschwili zeigen, ob er seine Mission als Reformer noch beherrscht.
Jiří Hönes