Privatisierung mit Hindernissen

Die russische Wirtschaft ist von Staatsunternehmen geprägt. Die bringen zwar Geld ein, lähmen aber den Markt und gelten als wenig innovationsfreudig. Seit Jahren will sich der Staat auch deshalb von Unternehmen trennen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Der Mineralölkonzern Transneft gehört zu den Unternehmen, aus denen sich der russische Staat zurückziehen will. (Foto: Transneft)

Der Staat ist ein schlechter Unternehmer, heißt es gerne. Denn er weiß nicht, wie man eine Firma effizient führt und sich an Kundenwünschen orientiert. Deshalb verwundert es kaum, dass Staatsunternehmen in vielen Ländern einen schlechten Ruf haben und Forderungen nach Privatisierung großen Anklang finden.

In Russland ticken die Uhren jedoch ein bisschen anders. Hier sind Staatsunternehmen nach wie vor enorm wichtig. In keinem anderen europäischen Land tragen sie so viel zur Wirtschaftsleistung bei. Wie viel genau, lässt sich nicht sagen. Der Internationale Währungsfonds blamierte sich vor ein paar Jahren, als er angab, Staatsunternehmen würden in Russland 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaften. Nachdem die Finanzexperten noch einmal nachgerechnet hatten, korrigierten sie die Zahl auf 33 Prozent. Auch Experten der Präsidentenakademie RANEPA kamen nach mehreren Berechnungen auf eine ähnliche Zahl. Glaubt man dem Finanzdienstleister Moody’s, sind es hingegen 40 bis 50 Prozent.  

Viele Verkäufe in den vergangenen Jahren

Die nahezu unmögliche Berechnung der Wirtschaftskraft russischer Staatsunternehmen zeigt, wie komplex der Sektor ist. So gehören große wie kleine Firmen, Mehr- und Minderheitsbeteiligungen zum Portfolio. 

In den vergangenen Jahren schien es, als öffne sich Russland zunehmend für Investoren. Zwischen 2008 und 2019 wurden nach Berechnungen von Germany Trade and Invest (GTAI) staatseigene Unternehmen im Wert von gut 14,2 Billionen Rubel (160 Milliarden Euro) abgestoßen. Wobei ein überwiegender Teil aus dem Jahr 2011 stammt, als man Anteile an Baschneft, Rosneft und Alrosa veräußerte. Und die Regierung will weitermachen. Anfang Januar wurde ein Plan verabschiedet, laut dem bis 2022 jährlich 3,6 Milliarden Rubel (40 Millionen Euro) über Verkäufe eingenommen werden sollen.

Dafür wurde eine Liste mit 272 Firmen und knapp 1200 Objekten erstellt, von denen sich der Staat zumindest teilweise trennen möchte. Darunter sind auch bekannte Namen wie der Mineralölkonzern Transneft, die VTB-Bank und einige Spirituosenhersteller. Bis 2024 soll die Zahl der Staatsbeteiligungen weiter sinken. Dabei gehe es aber nicht darum, an Geld zu kommen, sondern um rein strukturelle Maßnahmen, wie Finanzminister Anton Siluanow erklärte.  

Unklar, wie viele Staatsunternehmen es gibt

Doch weitere Kandidaten für die Privatisierung zu finden, könnte sich schwierig gestalten. Nicht nur, weil die Filetstücke bereits Investoren gefunden haben. Russland scheint nicht zu wissen, wie viele Staatsunternehmen es eigentlich im Land gibt. Das kritisiert der Rechnungshof in einem jüngst veröffentlichten Papier. So gehen etwa die Zahlen der Föderalen Agentur für das Staatsvermögen (1651), der Statistikbehörde (1819) und des Föderalen Steuerdienstes (1010) auseinander. Und auch darüber, was in den Unternehmen eigentlich geschehe, scheint Unklarheit zu herrschen. Laut Rechnungshof agieren 90 Prozent der Firmen im Graubereich. Lediglich von einem Prozent liegen verlässliche Zahlen vor. 

Als Reaktion auf die Kritik gab die Regierung Ende August bekannt, Staatsunternehmen zukünftig bei der Berichterstattung besser zu kontrollieren. Oder besser gesagt, überhaupt erst damit anzufangen. Denn man musste einräumen, dass bisher nicht geprüft wird, was in den Unternehmen geschieht und welche Gelder wohin fließen. Dabei verdient der Staat durchaus gutes Geld mit seinen Beteiligungen. Laut Rechnungshof waren es zwischen 2017 und 2019 insgesamt 1,2 Billionen Rubel (13,4 Milliarden Euro). Allerdings flossen im selben Zeitraum auch 718 Millionen Rubel (8 Millionen Euro) nicht in die Staatskasse, obwohl sie es sollten. 

Und so gibt es immer noch viele lautstarke Befürworter der Staatsunternehmen. Wohl auch, weil sich dort in leitender Position gut verdienen lässt. Im März hatte Präsident Wladimir Putin in einem Interview mit der Nachrichtenagentur TASS deutlich gemacht, wie er sich den russischen Wirtschaftsmarkt vorstellt. Das Business müsse groß sein und staatliche Aufgaben erfüllen. Nur im Schatten eines quasi höfischen Geschäftsumfeldes können sich demnach kleine Unternehmen entwickeln. 

Daniel Säwert

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