Neues Image, neuer Kurs: Die CEBIT-Messe kommt im nächsten Jahr nach Moskau

Auf der CEBIT-Messe waren viele russische Start-ups aus dem Bereich Virtual Reality vertreten. /Foto:m CEBIT.

Es gab Zeiten, als das Wort CEBIT mit einem kleinen „e“ geschrieben wurde, aber die IT-Industrie es mit großer Huldigung aussprach. Nicht nur in Deutschland und jenseits des Ozeans, sondern auch im sich rasch entwickelnden Asien und natürlich in Russland. Die CEBIT-Ausstellung war eine Veranstaltung, die von keinem Branchenprimus übersehen wurde. Unter den Ausstellern waren beispielsweise der Antiviren-Gigant Kaspersky Lab, ABBYY, der führende Entwickler von Lösungen für Texterkennung, PDF-Verarbeitung und Datenerfassung, und 1C, Gründer der populären Business-Software-Lösung. 2007 war Russland sogar Partnerland der CEBIT.

Heute fehlen sie auf dem russischen Stand. Denn die Welt verändert sich und das Magnetfeld der CEBIT ist merklich abgeschwächt. Noch im Jahr 1995 lockte die Messe 755 000 Besucher, 2005 hatte die weltgrößte IT-Ausstellung bereits 480 000 Interessenten verzeichnet und 2015 waren es nur noch 221 000 Besucher. Eine bedauernswerte Tendenz. Um ein weiteres Absinken der Besucherzahlen zu verhindern, überarbeitete die Deutsche Messe AG, Veranstalter des Jahrmarktes der Digitalisierung, das Eventkonzept. „Mit dem Mut zur radikalen Transformation hat das Team die Basis für die Zukunft gelegt. Die neue CEBIT hat Business mit Festival verbunden“, lobte Heiko Meyer, Vorsitzender des CEBIT-Messeausschusses und Geschäftsführer von Hewlett Packard Enterprise, die neue Ausrichtung.

Turnschuhe statt Business-Schuhe

Top-Themen dominierten dieses Jahr die CEBIT: Robotik, Internet of Things, Künstliche Intelligenz, Dronen & Unmanned Systems, Future Mobility und Blockchain. Das alles ist sehr interessant, relevant und kommerziell attraktiv. Aber solche Inhalte können gerade nicht verkauft werden, sie müssen schön verpackt sein. Und „Verpackung“ im Kontext der CEBIT ist kein Zufallswort. Die Ausstellung hat sich einer Verjüngungskur unterzogen, sie liegt, wie es so schön heißt, im Trend. Zahlreiche Technologie-Start-ups mussten sich in diesem Sommer in Hannover besonders wohl gefühlt haben. Denn ein Projekt gut zu verpacken, ist ein Hauptbestandteil der Start-up-Kultur.

Vor diesem Hintergrund mussten sich russische Gründer auf der CEBIT nicht verstecken. Beim russischen Stand präsentierte sich beispielsweise das 2015 gegründete Start-up Antilatency. 2017 erhielten die Gründer vom russischen Entwicklungsfond für Internet Initiativen 120 Millionen Rubel. Das Start-up bietet Lösungen auf dem Gebiet der virtuellen und erweiterten Realität an. Das gleiche Thema beschäftigt das Unternehmen Fibrum aus Moskau. Die Entwickler brachten nicht nur ihre Virtual-Reality-Brillen mit, sondern auch ihre neuesten Produkte. Ins neue Konzept der IT-Messe passte auch das junge Unternehmen Altair Digital aus Nowosibirsk, das mobile Planetarien und Projektionssysteme produziert. „Sternenhimmel to go“ bringt jedes Publikum in hellste Begeisterung.

Riesenrad und künstliche Intelligenz

Doch die Begeisterung der Zuschauer ist nur der halbe Erfolg. Das verstehen sowohl Start-ups als auch IT-Giganten. Es war unmöglich, das 60 Meter hohe Riesenrad von SAP auf der Ausstellung nicht zu bemerken: In jeder der 40 Gondeln wurden Anwendungsbeispiele für Top-Themen der Ausstellung demonstriert. Die Transformation der CEBIT zielte klar auf einen Wow-Effekt ab. Ein reichhaltiges Konzertprogramm mit Bands wie Mando Diao und Jan Delay war geboten und Auftritte von IT-Gurus wie Marc Raibert, Gründer und CEO von Boston Dynamics, und US-Digitalpionier Jaron Lanie rundeten die neue Festival-Atmosphäre ab.

Doch nicht alle sind von der neuen CEBIT überzeugt. Kritik hagelte es, weil die Kombination aus Business und Entertainment-Programm nicht richtig gefunkt haben soll. Nicht jeder Fachbesucher will draußen Party und drinnen Geschäfte machen. Das machte sich auch bei der Besucherzahl bemerkbar. Die CEBIT zählte 120 000 Besucher, das sind 80 000 weniger als im Vorjahr, als die CEBIT noch das steife Image von Schlips und Kragen pflegte. CEBIT-Chef Oliver Frese blieb dennoch vollkommen zufrieden: „Die neue CEBIT macht Digitalisierung emotional und baut nicht nur Distanz zwischen Technologie und Gesellschaft ab, sondern zeigt auch die konkreten Chancen auf.“ Die neue Lockerheit habe neue Geschäftskontakte gebracht. „Wir haben überaus positives Feedback von unseren Kunden erhalten.“

Nächster Halt: Moskau

Im März 2019 wird in Moskau die CEBIT Russia starten. Den entsprechenden Kooperationsvertrag wurde auf der diesjährigen CEBIT unterschrieben. Das Moskauer Ausstellungsprogramm werde alle CEBIT-Themen aufgreifen. Der Schwerpunkt in Russland wird voraussichtlich auf IT-Start-ups liegen, so die Initiatoren. Nächstes Jahr könnten die Zahlen steigen, schließlich kennt sich Russland mit der Austragung von Großveranstaltungen aus.

Igor Beresin

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