
Der russische Präsident Wladimir Putin hat ein Gesetz unterzeichnet, das die Ausstellung von Vertriebslizenzen für Filme verbietet, die Materialien enthalten, die traditionelle russische geistige und moralische Werte diskreditieren oder deren Abschaffung fördern.
Die Neuerungen gelten nun auch für Betreiber audiovisueller Dienste und sozialer Netzwerke. Sie sind verpflichtet, die Verbreitung von Materialien zu verhindern, die „geistige und moralische Werte des Landes“ diskreditieren würden. Werden solche Inhalte entdeckt, müssen soziale Netzwerke diese dann entfernen und sicherstellen, dass Nutzer sie nicht erneut veröffentlichen.
Das Gesetz tritt am 1. März 2026 in Kraft.
Worum es genau geht
Damit klarer wird, was es mit den „traditionellen russischen Werten“ auf sich hat, muss man sich einem entsprechenden Erlass des Präsidenten zuwenden. Demnach zählen dazu „Leben, Würde, Menschenrechte und Freiheiten, Patriotismus, Staatsbürgerschaft, Dienst am Vaterland und Verantwortung für dessen Schicksal, hohe moralische Ideale, eine starke Familie, schöpferische Arbeit, der Vorrang des Geistigen vor dem Materiellen, Humanismus, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Kollektivismus, gegenseitige Hilfe und gegenseitiger Respekt, historisches Gedächtnis und Kontinuität der Generationen sowie die Einheit der Völker Russlands“.
Weiter heißt es: Die „ideologische und psychologische Beeinflussung der Bürger“ führe zur Einführung „eines dem russischen Volk fremden und für die russische Gesellschaft zerstörerischen“ Ideen- und Wertesystems.
Dazu gehören die „Förderung von Egoismus, Freizügigkeit und Unmoral, die Verleugnung patriotischer Ideale, des Dienstes am Vaterland, der natürlichen Lebensfortführung, der Werte einer starken Familie, der Ehe, kinderreicher Familien, schöpferischer Arbeit und des positiven Beitrags Russlands zur Weltgeschichte und -kultur sowie die Zerstörung der traditionellen Familie durch die Propaganda nicht-traditioneller sexueller Beziehungen“.
So gesehen könnten viele Filme, die heute auf den Markt kommen oder aus dem Leben vieler Russen nicht wegzudenken sind, die „Auswahl“ nicht bestehen.
Von der Vergangenheit eingeholt
Viele Filme in der Sowjetunion hatten ein ähnliches Schicksal – und wurden bereits in der Entwicklungs- und Drehbuchphase abgelehnt. Oft wurden selbst Filme, die kurz vor der Veröffentlichung standen, von der Zensur abgewiesen und verstaubten zehn oder sogar zwanzig Jahre lang im Regal. Filmwissenschaftler und -historiker verwenden in diesem Zusammenhang oft den Begriff „Regalfilme“. Also Filme, die ins Regal eines Filmdepots verbannt und nicht gezeigt wurden.
Die Haltung gegenüber einigen damals verbotenen Filmen änderte sich später angesichts der neuen gesellschaftspolitischen Lage des Landes – und die meisten davon wurden dann auch veröffentlicht.
In Ungnade der Behörden gefallen
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die amtierende Regierung oft die Filme abgelehnt hatte, die nach mehreren Jahren oder Jahrzehnten den sowjetischen Regisseuren zu weltweiter Berühmtheit verhalfen. Ähnlich erging es auch „Iwan dem Schrecklichen“ von Regisseur Sergej Eisenstein (1945).
Zwar hatte Stalin das Drehbuch persönlich genehmigt, doch der Film wurde fast unmittelbar nach seiner Veröffentlichung auf die Liste der verbotenen Filme gesetzt. Später begründete man das damit, dass Eisenstein „Unwissenheit bei der Darstellung historischer Tatsachen“ an den Tag legte, indem er Iwan den Schrecklichen, „einen Mann mit starkem Willen und Charakter, als willensschwach und rückgratlos“ dargestellt habe.
Ein weiteres Paradebeispiel ist „Straßenkontrolle“ von Alexej German (1971). Im Zentrum der Handlung steht die Geschichte eines Kollaborateurs, der freiwillig auf deutscher Seite kämpfte, dann aber in einer Partisanenabteilung für seinen Verrat büßen wollte. Der Regisseur zeigte also einen ehemaligen Verräter, der durchaus zum wahren Helden werden könnte. Die Leitung des „Goskino“, des sowjetischen Kino-Komitees, warf dem Regisseur vor, die sowjetische Armee zu „entehren“ und die Heldentaten des Volkes zu verfälschen.
Eine fragliche Maßnahme
Das Gesetz wird inzwischen von mehreren Seiten regelrecht kritisiert. Anton Tkatschew von der Partei „Neue Leute“ erklärte, seine Fraktion werde den Gesetzentwurf nicht unterstützen, da sie Verzerrungen in der Strafverfolgungspraxis befürchte. Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs würde zu einem Anstieg der Piraterie auf russischen Plattformen und zu finanziellen Verlusten für den legalen Onlinedienst führen.
Auch sprach sich der russische Industrie- und Unternehmerverband gegen die Annahme der Änderungen aus, da er darin „zerstörerische Auswirkungen auf die Geschäftspraxis der Produktion“ sowie „Risiken erheblicher finanzieller Verluste“ für die Marktteilnehmer sehe.
Viktoria Nedaschkowskaja


