Eine Insel namens Russland

Noch vor Kurzem hat Russland gemeinsam mit dem Rest der Welt die Unannehmlichkeiten der Corona-Isolation durchlebt und es überstanden. Jetzt finden sich die Russen alleine in einer neuen Isolation wieder. Und das für lange Zeit.

Insel
Die Gefängnisinsel Ognennyj liegt fernab der Zivilisation. Auch die Russen werden nun von der Außenwelt abgeschnitten. (Foto: fsin-atlas.ru)

Solche Nachrichten greifen Journalisten gerne auf: „Die UN hat Moskau zur lebenswertesten Me­tropole erklärt“ oder „Russlands Exporte erreichen neuen Rekordwert“. Auf der anderen Seite stehen die Anti-Ratings. Russland ist nun Spitzenreiter bei den Sanktionen. Bis zum 24. Februar hat es sich mit dem zweiten Platz hinter dem Iran „begnügt“, vor Syrien, Nordkorea und Venezuela. 2754 Sanktionen gab es damals gegen Russland, bis zum 15. März kamen weitere 4053 hinzu.

Es gibt wohl kaum einen Wirtschaftszweig, der nicht von Einschränkungen betroffen ist. Die Blockade spüren alle. Der Finanz- wie der Flugsektor, die Logistik und die IT, die Nahrungsmittelindustrie wie die Energiebranche. Es sind zum Teil sehr empfindliche Schläge, die den russischen Export und in der Folge auch die europäischen Verbraucher treffen. Und es gibt die symbolischen Gesten. Die USA stoppen den Import von russischem Wodka, von Kaviar und Diamanten.

Vom Global Player zum abdriftenden Eisberg

Es ist nicht lang her, da hätten die Russen mit einem Lächeln darauf geantwortet: „Wunderbar, dann bleibt mehr für uns.“ Doch wenn jetzt noch jemand lächelt, ist das in der Regel eine Schutzreaktion, ein Versuch, sich von der neuen Realität abzukapseln. Drei Wochen dauert die „Sonderoperation“ in der Ukraine schon an. Auf beiden Seiten gibt es Verluste, Verletzte und Geflüchtete. Die Welt wird nie wieder so sein wie früher, das versteht in Russland jeder.

Die Menschen verstehen es nicht nur, sie spüren es am eigenen Leib. So sehr die Sanktionen teilweise unsichtbar bleiben, umso sichtbarer ist der Rückzug ausländischer Firmen aus Russland. Hunderttausende Arbeitnehmer sind betroffen, wirtschaftlich wie psychologisch. Das riesige Land, integriert in die Weltwirtschaft und wichtiger Rohstoffexporteur, findet sich in der Isolation wieder.

Auch vor der Kultur macht die Isolation nicht halt. Viele Organisationen und Projekte stellen ihre Arbeit ein. Die Trutzburg Russland scheint vom Rest der Welt getrennt zu sein, eine Insel, oder vielleicht auch ein gigantischer Eisberg, der Richtung Südchinesisches Meer treibt.

Igor Beresin

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