Nach ungefähr zwei Stunden Autofahrt von Moskau aus in südwestlicher Richtung sind wir in Ulanowo, einem Dorf in der Region Kaluga. Für die Besichtigung der Milchviehanlage von Ekoniva am Samstag um 13.00 Uhr hatten wir uns zwei Wochen vorher angemeldet und die letzten Plätze in einer Gruppe von 30 Personen ergattert.
Auf dem Parkplatz haben die meisten Autos Moskauer Kennzeichen. Viele Familien mit Kindern und Pärchen sind hierhergekommen. Während wir auf die Führung warten, schauen wir auf die im Winde wehenden Fahnen, eine deutsche, eine russische, eine der Region Kaluga und eine von Ekoniva.
Die Firma wurde 1994 von dem deutschen Unternehmer Stefan Dürr gegründet. Zum heutigen Zeitpunkt hat er Betriebe und Viehzuchtanlagen in 11 Regionen Russlands. Ekoniva ist der größte Rohmilchproduzent in Europa und der drittgrößte in der Welt (nach Betrieben in China und Saudi Arabien).

Bei den Jungtieren
Der Bus kommt, wir nehmen unsere Plätze ein und los geht es. Der erste Halt ist bei den Jungtieren. 350 Kälber im Alter von 0 bis 3 Monaten leben hier das ganze Jahr über in individuellen Häuschen und kennen keine Konkurrenz um das Futter. Im Winter, wenn die Temperatur unter 15 Grad sinkt, bekommen sie eine Weste übergezogen und zusätzlich Stroh eingestreut.
Die Besichtigungsführerin Antonina bietet uns an, ein kontaktfreudiges Kälbchen mit Milch zu füttern. Später sagt meine vierjährige Tochter, dass ihr das Füttern am besten gefallen habe. Pro Tag kommen zwischen 2 und 20 Kälbchen in die Anlage. Die Bullenkälber leben woanders. Es sind nicht viele, aber es kommt eben vor, dass auch Bullen zur Welt kommen. Sie werden an die Dorfbewohner oder an andere Wirtschaften verkauft.

Holsteiner in Russland
Der nächste Halt ist an einer überdachten Weide für die Kälber von 3 bis 8 Monaten. Sie haben nur eine Aufgabe – an Gewicht zuzunehmen. Hier sieht man schon, alle Kälber sind schwarz-weiß gefleckt. Holsteiner. Diese Rasse wird sehr geschätzt, weil diese Kühe viel Milch geben, bis zu 40 Liter am Tag. Meine Schwiegermutter erzählte, dass ihr Vater aus dem Krieg eine Holsteiner Kuh als Trophäe mitgebracht hatte, allerdings eine Rotbunte. Eine solche Kuh war nach dem Krieg in Russland etwas sehr Ausgefallenes.
Beim Besuch der Anlage mit den ausgewachsenen Kühen erfahren wir, wie ihr Leben hier abläuft. Wie und womit sie gefüttert werden, wie man sich um ihre Gesundheit kümmert und darum, dass sie viel Milch geben und Kälber kriegen. Jeder Kuh stehen sieben Quadratmeter Fläche zu, laut Norm brauchen sie aber nur vier.

Fünf Minuten von der Kuh bis zur Molkerei
Die Zuhörer sind begeistert von den Ausführungen und davon, wie alles durchdacht und automatisiert ist. Ekoniva baut das Futter selbst an und bereitet es auf. In ihren Viehzuchtanlagen kommen die Kälber zur Welt, wachsen heran und geben später Milch, die Ekoniva in den eigenen Molkereien selbst verarbeitet. Eine davon liegt fünf Minuten von der Anlage entfernt. Überschüssige Milch wird verkauft. „Schade, dass wir im Moment noch nicht alles selbst verarbeiten können, was wir produzieren“, sagt Antonina. Nach ihren Worten sind die Mitarbeiter mit ihrem Gehalt zufrieden, und „Schwierigkeiten wegen der Sanktionen hat der Betrieb noch nicht“.
Die größte Begeisterung ruft bei allen die Melkanlage „Karussell“ hervor. Jede Kuh weiß, wann sie an ihrem Platz auf dem Karussell zu sein hat. Ihr wird ein Gerät zum stressfreien Melken angelegt. Manche sind jedoch widerspenstig und werfen es ab. Dann legen es die Mitarbeiter wieder an oder auch nicht, wenn das Melken schon beendet ist. Sensoren neben jeder Kuh zeichnen alles auf. Eine Runde dauert neun Minuten. Nach dem Ende der Karussellfahrt steigt die Kuh ab. Ihr Euter wird bearbeitet, und sie geht zurück an ihren Platz. Wenn sie zurückkommt, ist der Kuhstall sauber gemacht und in der Futterkrippe liegt frisches Futter. Die Gäste des Viehhofes können von einer Aussichtsplattform aus den ganzen Prozess verfolgen. Und vor Ort frische Ekoniva-Produkte verzehren.

Kuh als Souvenir
Hölzerne Kühe werden noch bemalt und als Souvenirs zum Andenken mitgenommen. Mit einem Velomixer kann man sich einen Milchshake machen. In den Fotobereichen macht man Fotos zum Andenken. Draußen kann man mit Mini-Traktoren fahren oder sich in einem Labyrinth aus Strohballen verlaufen. Am Ende der Besichtigungstour bekommen alle Ekoniva-Produkte geschenkt.
Wir verlassen voller Begeisterung den Milchviehbetrieb. Die Laune meiner 10-jährigen Tochter wandelte sich von „was kann denn da schon interessant sein“ zu „cool ist da alles“. Noch unter dem Eindruck des Gesehenen stehend fahren wir zum firmeneigenen Laden der Molkerei. Dort steht schon eine Schlange aus den Teilnehmern der Besichtigungstour. Während wir anstehen, schauen wir uns an, was Ekoniva alles produziert. Wir haben 60 verschiedene Produkte gezählt. Von allen möglichen Milchvarianten bis hin zu Joghurts. Wir kaufen für jeden ein Eis. Lecker!
Besichtigungen finden täglich von 10-13 Uhr statt.
Eintrittskarten kosten für Erwachsene 500 Rubel und für Kinder 350 Rubel. Es gibt auch vergünstigte Karten.
Voranmeldung per Telefon: 8 (800) 550-57-00, 4 hinzufügen.
Olga Silantjewa