Eine Mütze steht jedem

Sergej Malychin fertigt in seiner kleinen Werkstatt im Zentrum Moskaus individuelle Kopfbedeckungen an. Der MDZ verrät er, was eine gute Mütze ausmacht und was die Moskauer in diesem Winter auf dem Kopf tragen werden.

Malychin

Der Fischerhut gehört zu den Trends in diesem Jahr © Daniel Säwert

Die Idee

Ich mache seit fünf Jahren Kopfbedeckungen, aber erst seit gut einem Jahr betrachte ich es als Geschäft und nicht als Schaffensakt. Erst damals habe ich verstanden, dass es ein wunderbares Nischengeschäft mit Perspektive ist. Als ich die Marke gegründet habe, hieß sie „Ingenieur Garin“. In Russland wird der Ingenieur als Erschaffer gesehen. Und als ein Mensch mit bestimmten Eigenschaften: Er ist kultiviert und unpolitisch, hat guten Stil und Humor. Aber ich habe mich verändert und mit dem Ingenieur auseinandergelebt. Außerdem würde ich gerne im Ausland verkaufen und dort hat man eine andere Beziehung zum Ingenieur.

Die ideale Mütze

Eine gute Mütze sollte eine schöne Form haben. Darunter verstehe ich vor allem richtige Proportionen. Sie darf den Träger nicht dazu nötigen, seine Garderobe zu ändern. Sie muss sich in das bereits vorhandene Bild einfügen. Sie muss Komfort bieten, schützen und dem Träger Sicherheit geben. Der Kulturpublizist Adolf Loos hat in „Warum ein Mann gut angezogen sein soll“ den Begriff „korrekt“ benutzt. Eine gute Mütze sollte korrekt und solide sein. Und sie muss universell sein. Es wird soviel Mode für alle möglichen Situationen und Anlässe hergestellt. Die Modeindustrie ist die zweitschädlichste für die Umwelt. Ich glaube, dass man gar nicht viel braucht.

Ich möchte eine Mütze machen, die in allen Situationen passt. Das Leben des Menschen soll vereinfacht werden. Ich muss ihm nicht sagen, dass, wenn er heute ins Theater geht oder sich mit Freunden trifft, dass er die oder die Mütze braucht. Man muss die Kultur dahin gehend erhöhen und mit gutem Beispiel vorangehen. Nehmen wir die Schirmmütze. Ich bin überzeugt, dass sowohl Männer als auch Frauen, unabhängig von sozialem Status und Beruf, eine gute Schirmmütze brauchen. Eine gute Schirmmütze stört nie! Und zur Universalität einer Mütze gehört für mich auch, dass sie „easy to wear“ sein muss. Deswegen gestalte ich sie mehr oval als rund. So muss man nicht nachdenken. Einfach aufsetzen und gut.

Der ideale Träger

Bei einem Hut ist das schwierig, der ist nicht für jeden Menschen etwas. Eine Mütze hingegen schon. Die Überzeugung, dass ihnen Mützen nicht stehen, ist der Hauptfeind der Menschen. Ich designe meine Kopfbedeckungen so, dass sie auch jeder tragen kann. Das gilt für Männer wie für Frauen. Eine Mütze macht einen Mann selbstsicher und männlich, eine Frau äußerlich attraktiv und einzigartig. Ich freue mich riesig, wenn eine Frau zu mir kommt, sich eine Mütze oder einen Hut aussucht und mir anschließend schreibt, dass sie seit Langem nicht mehr so viele Komplimente bekommen hat, dass sie glücklich ist, dass sich alle umdrehen und zu ihr kommen und fragen, wo sie die Mütze herhat.

Jeder braucht eine Schirmmütze, meint Malychin © Daniel Säwert

Der russische  Geschmack

Der russische Geschmack ist in erster Linie durch die klimatischen Gegebenheiten bestimmt. Es gibt bei uns keine Kultur, im Sommer etwas auf dem Kopf zu tragen. Die meisten greifen einfach zum Strohhut. Das kann man auf Bildern aus allen Epochen sehen.

Im Winter trägt man einfach etwas Warmes. So kommen an die Mütze Ohren, die man einklappen kann. Ich mag sie ehrlich gesagt nicht. Ohren an der Mütze sind eigentlich eine Sünde, aber ich verstehe, dass die Menschen danach verlangen. Also muss man sie schön machen, das ist die Herausforderung. Ein Kunde hat mich einmal um solch eine Mütze gebeten. Ich habe lange darüber nachgedacht und ihm letztendlich ergonomische Ohren gemacht, die nicht scheußlich aussehen. Nachdem ich das Bild in sozialen Netzwerken geteilt habe, kamen sehr viele Anfragen speziell wegen der Ohren.

Hüte haben es in Russland nicht einfach. Sie sondern ab und ziehen Aufmerksamkeit auf sich. Es gibt nur wenige Menschen, die das wirklich wollen. Ausgefallene Hüte herzustellen, die keiner versteht, wäre unternehmerischer Selbstmord. Ebenso wie sich den Ohren zu verweigern. Man braucht ein Gleichgewicht, einen Kompromiss.

Ich beobachte die Menschen, wie sie mit ihren Mützen umgehen, daraus ziehe ich meine Schlüsse, was man verbessern kann.

Was in diesem Winter getragen wird

In diesem Winter werden in Moskau auf jeden Fall Baskenmützen getragen. Die Menschen folgen dem, was die großen Marken zeigen. Prada hat zum Beispiel einen synthetischen Fischerhut in der Kollektion. Also werden die Moskauer auch dazu greifen. Außerdem die Prinz-Heinrich-Mütze. Die liegt gerade bei Bloggern im Trend und wird massenhaft auf den Markt geworfen. Die absoluten Modefanatiker werden Hüte mit breiten Krempen tragen, aus synthetischen Materialien, die auch als Regenschutz dienen. Wenn ein Kunde es wünscht, fertige ich ihm eine dieser Mützen an. Ansonsten versuche ich, nicht jeden Trend mitzumachen und bei meinen Modellen zu bleiben.

Daniel Säwert

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