Der russische Rubel war in den letzten Jahren eine regelrechte Achterbahnwährung. Nahezu täglich konnte man beobachten, wie die Fieberkurve des Wechselkurses gegenüber Euro und US-Dollar mal nach oben, mal nach unten ausschlug. So gab es zwischen 2014 und 2016 Kursänderungen zwischen 16 und 140 Prozent im Jahr, und das in beide Richtungen. Seit etwas mehr als einem halben Jahr hat sich diese Kurve beruhigt und Russlands Währung zeigt eine erstaunliche Stabilität.
Was den Rubel stabilisiert
„Der Rubelkurs wird nicht fallen“, verkündete der russische Wirtschaftsminister Maxim Oreschkin im vergangenen Dezember. Und bisher hat er Recht behalten. Das Jahr 2018 bietet in der Tat gute Umstände für Russlands Währung. Die neue Stabilität des Rubels hängt in erster Linie zusammen mit den gestiegenen und stabilen Ölpreisen.
Nach einer Entscheidung der Organisation erdölexportierender Länder OPEC, die Fördermenge bis zum März 2018 zu drosseln, stieg der Preis des wichtigsten russichen Exportgutes im letzten Jahr insgesamt um fast 18 Prozent. Folglich stieg auch der Kurs des Rubels zum US-Dollar, wenn auch in weit geringerem Maße, nämlich um gut sieben Prozent.
Neue Haushaltsregel
Der Grund dafür, dass der Rubelkurs nicht stärker und schneller wuchs, ist ein neues finanzpolitisches Instrument. Nachdem die russische Zentralbank im Jahr 2014 ihre Unterstützung für den Rubel auf- und den Wechselkurs freigab, führte das Finanzministerium im letzten Jahr eine neue Haushaltsregel ein, die 2017 bereits getestet wurde und seit diesem Jahr verbindlich gilt. Dafür wurde ein Ölpreis von 40 US-Dollar pro Barrel bei einem Dollarkurs von 67,5 Rubel festgelegt.
War der Preis höher, wurden die Zusatzeinnahmen verwendet, um US-Dollar aufzukaufen. In einem Beitrag für die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ erklärt Natalja Schilowa, Direktorin des Zentrums für makroökonomische Prognosen und Investitionsstrategien der Binbank, dass man im Gegensatz zu 2017 nicht mehr von einem festen Ölpreis, sondern vom realen Wechselkurs ausgeht. Erwartet werden Aufkäufe in Höhe von 48 Milliarden US-Dollar (gegenüber 17 Milliarden im Vorjahr).
Schilowa nennt die Politik des Finanzministeriums antizyklisch. In günstigen Jahren, wie es 2018 erwartet wird, verhindert die Haushaltsregel die Stärkung des Rubels und in Krisenjahren soll der Verkauf von Fremdwährungen einer Schwächung entgegenwirken.
Die Wirtschaft soll unabhängiger vom Öl werden
Insgesamt ist das Ziel der neuen Haushaltsregel, die russische Wirtschaft unabhängiger vom Öl werden zu lassen. Andreas Schwabe, Osteuropa-Analyst der Raiffeisen Bank, erklärt gegenüber der MDZ, dass die Stabilität des Devisenmarktes eher ein Nebeneffekt ist. Aussagen, dass der Einfluss des US-Dollars auf den Rubel bereits signifikant zurückgegangen sei, kann Schwabe nicht bestätigen. Untersuchungen, die dies belegen könnten, wurden bisher noch nicht unternommen.
Alle Analysten, mit denen die MDZ gesprochen hat, sind sich einig, dass der Kurs in naher Zukunft nur durch äußere Schockeinflüsse wie verschärfte Sanktionen erschüttert werden kann. Diese würden den Rubel erheblich unter Druck setzen. Was würde aber geschehen, sollten die Sanktionen aufgehoben werden? Dann, so Anna Bodrowa, Chefanalystin bei Alpari, könnte der Rubelkurs um 20 bis 30 Prozent steigen. Allerdings seien die Aussichten dafür derart gering, dass sich damit bisher niemand ernsthaft befasst hat.
Der Rubel und die Wahl
Und welchen Einfluss wird die Präsidentschaftswahl haben? Gegenüber der Nachrichtenagentur „Regnum“ sagte Jurij Danilow, Direktor des Informations- und Analysezentrums „Expert“ der Nordöstlichen Föderalen Universität in Jakutsk, dass der Wechselkurs des Rubels „mindestens“ bis zur Wahl am 18. März stabil bleibt. Ist die Stabilität also einfach nur ein politisches Geschenk, um das russische Wahlvolk milde zu stimmen, wie hin und wieder zu lesen ist?
Andreas Schwabe geht nicht davon aus, dass der Kurs des Rubels nach der Wahl abstürzen wird. Dass Wladimir Putin nicht wiedergewählt wird, erscheint vielen doch zu unwahrscheinlich. Würde dieses Szenario allerdings eintreten, so würde in Russland politische Unsicherheit herrschen.
Anna Bodrowa meint, dass in solch einem Fall der Kurs um 20 bis 30 Prozent einbrechen würde. Realistischer erscheint eine schwache Wahlbeteiligung oder ein schwacher Sieg des amtierenden Präsidenten. Dies, so Schwabe, könnte durchaus Auswirkungen auf den Rubel haben. Allerdings, so betont Schwabe auch, werde die Wahl an den Finanzmärkten praktisch vorbei gehen.
Ein Blick in die Zukunft
Wo wird der Rubel also in Zukunft stehen? Für das Jahr 2018 lauten die Vorsagen, dass sich der Kurs des Rubels gemäßigt gegenüber dem US-Dollar und dem Euro verändern wird.
Oleg Kusmin, Chefvolkswirt der Investitionsbank „Renaissance Kapital“, meint, dass die US-amerikanische Währung bei einem Durchschnittspreis der Sorte Brent von 50 bis 55 US-Dollar 59 bis 60 Rubel kosten wird. Sollte der Ölpreis weiter wie aktuell bei über 60 US-Dollar liegen, so wird der Wechselkurs bei 57 Rubel liegen.
Würde der Ölpreis indes auf 45 US-Dollar pro Barrel sinken, so bräuchte man 63 Rubel, um die US-amerikanische Währung zu kaufen. Insgesamt sind die Schwankungen also gering. Sie bewegen sich in einem Bereich von fünf bis sechs Rubel pro US-Dollar.
Wissenschaftler der Higher School of Economics in Moskau haben in einer vor Kurzem erschienenen Studie die Entwicklung des Wechselkurses anhand der Inflation bis zum Jahr 2024 berechnet. Demnach wird sich der US-Dollar bis auf 69 Rubel verteuern.
Auch wenn die Methode, den Wechselkurs anhand der Inflation vorauszusagen gerne angewendet wird, hält Andreas Schwabe solch eine Herangehensweise für sehr unsicher. Besser sei es, eine gute Ölpreisprognose zu erstellen, allerdings sei auch dies schwierig, so Schwabe weiter.
Sein früheres Niveau wird der Rubel nicht mehr erreichen
Ein Szenario halten indes alle Experten gegenüber der MDZ für unrealistisch. Niemand von ihnen kann sich vorstellen, dass sich der Rubel so weit erholen wird, dass er sein Niveau von 2014 erreichen wird. Damals kostete ein Euro lediglich 40 bis 50 Rubel.
Dazu bräuchte es in erster Linie einen Ölpreis von über 100 US-Dollar pro Barrel. Und das ist momentan nicht abzusehen. Hinzu kommt die zu erwartende Erstarkung des Euro, auch gegenüber dem US-Dollar.
Sollte aber der Ölpreis weiter steigen und der Westen die Sanktionen gegen Russland nicht weiter verschärfen, dann könnte eventuell Ende des Jahres 2020 der Fall eintreten, dass man für einen Euro nur noch 60 Rubel erhält, meint Natalja Schilowa.
Ein allzu starker Rubel wäre auch nicht unbedingt im Sinne der Währungshüter und der Wirtschaft. Gegen einen Wechselkurs, wie er vor Beginn der Wirtschaftskrise und der Sanktionen existierte, spricht zudem der Inflationsschub, der durch die Abwertung in den letzten Jahren ausgelöst wurde.
Dieser kann, wie Andreas Schwabe betont, nicht rückgängig gemacht werden. Und so werden die russischen Verbraucher trotz eines stabilen Rubels auch weiterhin mit hohen Preisen konfrontiert sein.
Daniel Säwert