
Alle zwei Jahre veranstaltet die Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland „Tage der Verbundenheit“. Nach dem Konzept der Organisatoren sollen Vertreter deutscher nationaler Minderheiten aus verschiedenen Ländern zusammenkommen, um Probleme zu besprechen, Verbindungen zu stärken und sich einfach kennenzulernen. Das diesjährige Treffen findet vom 27. Juni bis zum 7. Juli statt. Die Stiftung hat ein umfangreiches Programm für diese elf Tage vorbereitet.
1945: der Anfang, aber nicht für alle
Einer der Schwerpunkte war zweifellos die Diskussion „1945 – Beginn von Deportation, Lagerhaft und Repressionen der Heimatverbliebenen Deutschen im Osten“. Dabei ist nicht nur die Tatsache wichtig, dass das Thema Deportation angesprochen wird, sondern auch der Blickwinkel: Die Erfahrungen derjenigen, die im eigenen Land Repressionen ausgesetzt waren, wie es vor allem bei den Russlanddeutschen der Fall war, unterscheiden sich von denen derjenigen, die aus ihren Heimatländern vertrieben wurden. Die Organisatoren sprechen von zwei Seiten einer Medaille: die aus der Heimat Vertriebenen und die im eigenen Land Vertriebenen oder Unterdrückten. Über letztere weiß das deutsche Publikum weniger, und die Diskussion sollte diese Lücke füllen. Es soll lediglich präzisiert werden: Das Jahr 1945 bedeutete den Beginn der Repressionen nicht für alle Deutschen in Osteuropa, wie es im Titel der Gesprächsrunde heißt. Die Russlanddeutschen wurden bekanntlich im August 1941 deportiert.
An diesem Gespräch nahmen AGDM-Sprecher Bernard Gaida, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, Dr. Petra Loibl MdL, und weitere Vortragsredner teil, darunter der Historiker Viktor Krieger vom Bayerischen Kulturzentrum der Deutschen aus Russland. Der Grund für die starke Vertretung bayerischer Institutionen und Organisationen auf dem Forum ist einfach: Die Tage der Verbundenheit finden in Bayreuth statt, dem Sitz der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland.
Keine legitime Kollektivschuld
Auch das Thema der Heimatvertriebenen wird von der Stiftung aufgegriffen. Nur einen Tag vor Beginn der Tage der Verbundenheit hielt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Hartmut Koschyk, im Rahmen des Gedenktages im Nationalrat der Republik Österreich einen Vortrag. Das Thema: 80 Jahre Flucht und Exil. An der Veranstaltung nahm auch Nationalratspräsident Walter Rosenkranz teil, der in seiner Rede die Verantwortung Österreichs und seines Parlaments für die Bewahrung des Erbes der Vertriebenen betonte.
Der österreichische Bundespräsident erinnerte an den „Brünner Todesmarsch“ im Mai 1945. Laut Walter Rosenkranz ist es „besonders bedrückend“, dass die Schicksale der Exilanten, die einen „unschätzbaren Beitrag zur Zweiten Republik“ geleistet hätten, nur sehr selten Gegenstand der Forschung sind.
„Wer die Vertreibungen als Völkerrechtsbruch benenne, betreibe keine Spaltung, sondern diene der Wahrheit und diese sei Grundlage für die Versöhnung und den Blick in die Zukunft“, so wird der Nationalratspräsident auf der Webseite des österreichischen Parlaments zitiert. „Es gebe keine gerechte Vertreibung, keine legitime Kollektivschuld und keine Ausgrenzung, die mit der Freiheit vereinbar wäre.“
Schreckliche Zahlen
Hartmut Koschyk hat in seinem Vortrag einige Zahlen genannt. In den westlichen Besatzungszonen, vor allem in Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, ließen sich neun Millionen Vertriebene nieder. Vier Millionen Menschen landeten in der sowjetischen Besatzungszone. Österreich empfing 430 000 und Dänemark 250 000 Vertriebene. Insgesamt 14 Millionen Deutsche mussten ihre Heimatländer verlassen. Sie flohen vor den Kriegshandlungen, wurden vertrieben und aufgrund der Beschlüsse der Potsdamer Konferenz umgesiedelt.
Diese Erinnerung an den Krieg ist auch in Russland von Bedeutung. In der Sowjetunion Deportierte wurden zu Stalins Zeiten als „schuldig“ bezeichnet. Stalin wandte diesen Begriff bereits 1920 bei der Deportation der Terek-Kosaken an. In der Folgezeit wurden Koreaner, Chinesen, Kurden, Russlanddeutsche, Tschetschenen und Inguschen, Krimtataren, pontische Griechen und andere Völker als „schuldig“ bezeichnet.
Sowohl Russland als auch verschiedene internationale Organisationen erkannten den verbrecherischen Charakter der Massendeportationen von Völkern an. Es gibt jedoch immer noch Menschen, die glauben, dass die Deportationen (oder, wie sie es nennen, „Umsiedlungen“) ein Akt des Humanismus gegenüber den deportierten Völkern waren. Die Idee der „schuldigen Völker“ und der Kollektivschuld ist immer noch lebendig.
Igor Beresin