Die Machtprobe von Pristina

Sie stehen sich schwer bewaffnet gegenüber und fast kommt es zu einer militärischen Eskalation: Vor 20 Jahren stießen nach dem Ende des Kosovo-Krieges russische Fallschirmjäger und NATO-Soldaten aufeinander. Die heute im Westen weitgehend vergessene Geschichte inspirierte nun zu dem Streifen „Balkanskij Rubesch“.

Brenzlig: In „Balkanskij Rubesch“ überlisten russische Fallschirmjäger die NATO. /Foto: filmpro.ru

Eine eingeschworene Spezialtruppe soll einen strategisch wichtigen Flugplatz unter Kontrolle bringen, ein mörderischer albanischer Feldkommandeur, welcher den Helden nach dem Leben trachtet und gerissene NATO-Generäle als Gegner: Der Film „Balkanskij Rubesch“ hat alle Zutaten, die ein moderner Actionstreifen braucht. Die serbisch-russische Gemeinschaftsproduktion lockt zudem mit Stars wie Indianerfilmlegende Gojko Mitic, It-Girl Anna Chapman und dem serbischen Kultregisseur Emir Kusturica. Gegenwärtig zählt der Blockbuster zu den beliebtesten Filmen der russischen Kinogänger.

Kassenknüller über den Kosovo-Krieg

Die Geschichte des Films basiert auf einer realen Episode, die sich vor 20 Jahren nach dem Kosovokriegs ereignete: Damals, am 12. Juni 1999, rückten NATO-Soldaten in die serbische Provinz Kosovo ein. Das westliche Militärbündnis wollte mit dem Einmarsch die ethnischen Säuberungen beenden, die der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic in der mehrheitlich von Albanern besiedelten Provinz durchführte.

Doch am Flughafen Slatina, nahe der kosovarischen Hauptstadt Pristina, rieben sich die westlichen Truppen erstaunt die Augen. Das strategisch wichtige Rollfeld war längst besetzt: 200 schwer bewaffnete russische Fallschirmjäger hatten das Gelände in den frühen Morgenstunden unter ihre Gewalt gebracht – und verwehrten den NATO-Truppen nun mit vorgehaltener Kalaschnikow den Zugang. Die Soldaten waren in einem Gewaltmarsch unbemerkt über Nacht angerückt – und waren dreieinhalb Stunden vor der NATO vor Ort. In Moskau jubelten patriotische Zeitungen und Sender über das waghalsige Husarenstück.

Nur kurz vor einer Konfrontation

Die Kommandierenden der NATO waren zuerst verblüfft – dann reagierten sie kurzentschlossen. US-General Wesley Clark befahl in ungewöhnlich scharfem Ton eine Blockade der Rollbahn mit Panzern. Auf diese Weise sollte die russische Truppe von der Versorgung aus der Luft abgeschnitten werden. Die Situation spitzte sich zu, russische und westliche Truppen standen sich erstmals seit der Berlin-Krise bewaffnet direkt gegenüber. Eine Konfrontation schien greifbar.

Mit dem Handstreich reagierte Moskau auf die aus seiner Sicht fehlende Berücksichtigung eigener Interessen bei der Lösung des Kosovo-Konflikts. Russland hatte den von der NATO ausgearbeiteten Rambouillet-Friedensplan für das Kosovo abgelehnt, welcher eine vollständige Autonomie und eine Kontrolle durch die NATO vorsah. Die daraufhin einsetzenden Bombardierungen Serbiens empfand Russland, das sich traditionell als Schutzmacht des Balkanstaates begreift, als tiefe Demütigung. Der damalige Premierminister Jewgenij Primakow ließ einen Staatsbesuch in den USA platzen und sein Flugzeug demonstrativ über dem Atlantik wenden. Bei der geplanten Kfor-Truppe zur künftigen Verwaltung des Kosovo wollte die NATO Russland keinen eigenen Sektor zugestehen.

Mit Reibeisenstimme gegen den Weltkrieg

Dass eine Konfrontation ausblieb, ist vor allem General Mike Jackson zu verdanken. Der mit der Blockade beauftragte Kommandeur der britischen Kfor-Truppen weigert sich schlicht, den Befehl auszuführen. „Sir, ich werde für Sie nicht den Dritten Weltkrieg beginnen“, bellte der Befehlshaber mit der Reibeisenstimme mehrmals in sein Funkgerät. Auf keinen Fall wollte der altgediente Militär eine Auseinandersetzung mit den Russen riskieren.

Zur Deeskalation trug paradoxerweise aber auch die ungenügende Planung des Handstreichs bei. Denn schon nach drei Tagen gingen den Fallschirmjägern die Vorräte aus. Nato-Soldaten versorgten daraufhin die Kämpfer, nach Verhandlungen wurden Russland schließlich doch noch Teil der Kfor-Schutztruppe.

Im Westen vergessen, in Russland bejubelt

Das wenig heroische Ende der Kommandoaktion schadet der Verklärung allerdings nicht. Während die Militäraktion in Deutschland heute weitgehend vergessen ist, gilt sie patriotisch gesinnten Russen auch 20 Jahre später noch als Beispiel der Schlagkraft der eigenen Armee.

Birger Schütz

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