Dicke Luft bei Russlands Brauern

Russlands Biermarkt ist im Umbruch. Erst verliert Baltika seine Spitzenposition. Und kurz darauf verlassen die drei größten Brauer den nationalen Verband.

Wie viel sollte ein Bier kosten? Darüber streiten Russlands Brauereien. (Foto: Alexander Awilow/ Nachrichtenagentur Moskwa)

„Baltika ist da, wo Russland ist“ – so lautet einer der Werbesprüche von Russlands bekanntester Brauerei. Und tatsächlich wird man in Russland kaum einen Laden finden, in dem kein Produkt des Unternehmens aus St. Petersburg verkauft wird. Die Menschen selbst machten über die Jahre den Gerstensaft von Baltika zu ihrem Getränk. Ganze 24 Jahre lang war Baltika Marktführer, wenn es darum ging, den Bierdurst der Russen zu stillen.

Bis 2019. Denn im vergangenen Jahr verdrängte die weltweit größte Brauereigruppe AB Inbev Efes mit Marken wie Bud oder Sibirskaja Korona die Petersburger vom Spitzenplatz. Mit 28 Prozent Marktanteil ist das multinationale Konsortium jetzt Russlands größter Brauer. Baltika auf dem zweiten Platz kommt auf 27 Prozent, ein Minus von drei Prozent gegenüber 2018. Das geht aus einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Nielsen hervor. Äußern wollte sich Baltika zu der Situation nicht. Über die Presseabteilung ließ Präsident Lars Lehmann im Februar schmallippig mitteilen, dass man im Unternehmen mit den Zahlen des Vorjahres nicht zufrieden sei und dass die Marke vor allem in der zweiten Jahreshälfte unter einem harten Preiskampf gelitten habe.

Baltika verliert seinen Spitzenplatz

Mit dem Umsatzrückgang widerspricht die Entwicklung bei Baltika der Branche. Denn nach mehreren Krisenjahren mit Umsatzrückgängen von bis zu neun Prozent konnten Russlands Brauer in den vergangenen beiden Jahren wieder mehr Bier verkaufen. Nachdem 2018 auch dank der vielen trinkfreudigen Besucher der Fußball-Weltmeisterschaft 5,3 Prozent mehr Bier abgesetzt werden konnte, gab es 2019 einen erneuten Zuwachs von 2,1 Prozent.

Kurz nach dem Führungswechsel auf dem Biermarkt überraschte Baltika Mitte Februar mit einem weiteren Paukenschlag. Gemeinsam mit AB Inbev Efes und der Nummer drei Heineken gab das Unternehmen seinen Austritt aus dem Verband der Bierbrauer Russlands bekannt. Der Verbandsvorsitzende Daniil Briman sprach anschließend von einem „Sturm“, der über die Interessengemeinschaft hinweggezogen sei. Denn schließlich versorgen die großen Drei 70 Prozent des russischen Biermarktes.

Und sie scheinen um ihr Geschäftsmodell zu fürchten. Das lautet bisher vor allem, so viel Bier wie möglich auf den Markt zu werfen und dabei durchaus auch auf Gewinn zu verzichten. So gehen Analytiker davon aus, dass in den vergangenen Jahren eine bedeutende Menge Bier über Werbeaktionen verkauft wurde. Und viele Büchsen und Flaschen sollen dabei sogar für weniger als den Produktionspreis an den Mann gebracht worden sein. Kritiker dieses Vorgehens sprechen seit Längerem von einem unlauteren Wettbewerb und einem ruinösen Preisdumping.

Bier wird oft zu Dumpingpreisen angeboten

Schuld daran seien die ausländischen Brauereien (Baltika gehört seit 2012 dem dänischen Carlsberg-Konzern), glaubt zumindest Dmitrij Tarasewitsch. In einem Interview mit der Informationsagentur Abireg sprach der Chefbrauer von Tarkos aus Woronesch davon, dass ausländische Brauereien mit ihrem Verhalten die Büchse der Pandora geöffnet hätten. Denn beim Preisdumping müsse die gesamte Lieferkette nachsitzen und würde so kaum noch etwas verdienen, so Tarasewitsch.

Mit dieser Meinung steht Tarasewitsch nicht alleine da. Beobachter kritisieren, dass das Preisdumping fatale Folgen hat. So ist es für kleinere Brauereien sehr schwer, ihr Geschäft aufzuziehen. Und der sogenannte „graue“, also halblegale Markt mit illegalen Importen und nicht versteuerten Flaschen floriert. Deswegen fordern viele Brauer seit Längerem einen Mindestpreis, wie es ihn bei anderen Alkoholika bereits gibt. 2018 schlug der Leiter der Regulierungsbehörde Rosalkoregulirowanije Igor Aleschin 75 Rubel pro Liter vor, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.

Da jedoch bis heute kleinere Unternehmen auf diesen Mindestpreis pochen, entschieden sich die großen Drei für den Ausstieg aus dem Verband. Tarasewitsch findet das grundsätzlich schade, da es jetzt an zusätzlicher Durchsetzungskraft fehle. Allerdings könnten Russlands mittelständische Brauer künftig auch ganz auf die Großen verzichten. Denn russische Verbraucher setzen zunehmend auf einheimische Marken und bescheren ihnen damit immer mehr Marktzuwachs.

Daniel Säwert

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