Osthandel: Exporte nach Russland steigen

Frohe Botschaft: Erstmals seit über drei Jahren haben zumindest die deutschen Exporte nach Russland wieder angezogen. Thorsten Gutmann, Chefredakteur von Ostexperte.de, mit einem durch und durch positiven Bericht.

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Die sechs Türme von Moskau City mit einer Höhe von bis zu 300 Metern im Panorama / Foto: Tino Künzel.

Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen haben unter den Sanktionen gelitten: Seit Frühjahr 2013 fielen die deutschen Russland-Exporte 13 Quartale in Folge. Ende November nun ein Paukenschlag: Erstmals seit Beginn der Sanktionen sind die deutschen Russland-Exporte angestiegen, meldete der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft.

Deutsch-Russisches Business auf Kurs

„Die aktuellen Zahlen lassen hoffen, dass der deutsch-russische Handel nach zwei verlustreichen Jahren die Talsohle durchschritten hat“, erklärte Geschäftsführer Michael Harms gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Exporte legten im dritten Quartal binnen Jahresfrist um 3,9 Prozent zu. Für die ersten neun Monate 2016 beträgt das Minus nur noch 0,8 Prozent (siehe Tabelle). „Setzt sich die aktuelle Entwicklung fort, könnte für das Gesamtjahr 2016 noch ein leichtes Exportplus erreichbar sein. Bildschirmfoto 2016-12-08 um 20.43.43Auch die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) bestätigt diese Entwicklung auf Anfrage: „Die verbesserten Russland-Exporte lassen sich vor allem mit einer zunehmenden Stabilisierung der russischen Wirtschaft in den letzten Monaten begründen. Diese Entwicklung stimmt die Unternehmen deutlich optimistischer.“

Doch nicht nur die Ausfuhren nach Russland verzeichneten ein Wachstum – auch die deutschen Direktinvestitionen legten deutlich zu. „Im Vergleich zum Vorjahr konnten wir im dritten Quartal eine deutliche Steigerung des Engagements deutscher Unternehmen in Russland sehen“, so die AHK. Im ersten Halbjahr lag die Zahl der Direktinvestitionen bei 1,73 Milliarden Euro. Damit wurde in einem halben Jahr fast genauso viel investiert wie im gesamten Jahr 2015 (1,78 Milliarden Euro).

Konzerne sowie Mittelständler investieren kräftig

Da wäre zum einen das Engagement der Konzerne: Volkswagen Russland investierte 180 Millionen Euro in die Produktion der zweiten Generation des SUV Tiguan in Kaluga. Henkel eröffnete jüngst ein Werk im russischen Noginsk in der Oblast Moskau. Und ein deutsches Konsortium aus Siemens, Deutsche Bahn, Deutsche Bank und anderen Unternehmen kündigte an, bis zu 2,7 Milliarden Euro in eine Zugstrecke von Moskau nach Kasan investieren zu wollen.

Zum anderen jedoch ist das Engagement mittelständischer Unternehmen bemerkenswert: OBO Bettermann (Gebäudeinstallationstechnik) eröffnete ein neues Produktionswerk in der Sonderwirtschaftszone Lipezk. Der Werkzeughersteller Special Tools Technology unterzeichnete eine Investitionsvereinbarung in Höhe von rund 100 Millionen Euro mit der Region Uljanowsk. Das Saatgut-Technologieunternehmen Petkus will in der russischen Region Stawropol über 35 Millionen Euro in eine Mais-Kalibrierungsanlage investieren.

Anreize für deutsche Unternehmen

Darüber hinaus beobachten die deutschen Unternehmen mit Interesse ein neues Instrument: Die sogenannten „SpezInvestKontrakte“ (SPIK). Die AHK erklärt dazu: „Firmen verpflichten sich dazu, eine langfristige Produktion mit hohem Lokalisierungsgrad in Russland aufzubauen. Im Gegenzug sichert ihnen die Regierung unveränderte Rahmenbedingungen und Steuervergünstigungen zu.“

Ein Beispiel ist der Landmaschinenbauer Claas, mit seinem Werk in Krasnodar einer der ersten Unterzeichner eines SPIK. Damit erhielt das Unternehmen den Status eines russischen Herstellers und ist den russischen Unternehmen steuerlich gleichgestellt. „Hier muss die russische Regierung den Unternehmen zeigen, dass sich ein solch langfristiges Bekenntnis zu Russland per SPIK lohnt“, so die AHK. Die russischen Wachstumsbranchen sind Germany Trade and Invest zufolge vor allem die Textil-, Ernährungs-, Chemie-, Pharma- und die Luftfahrtindustrie. Schwierig haben es nach wie vor etwa die Autobauer und die Bauwirtschaft. Aber auch in den schwachen Branchen lassen sich antizyklische Investitionen von Unternehmen beobachten, die wie VW langfristig auf den russischen Markt setzen.

Trotz politischer Anspannung und Sanktionen setzen deutsche und russische Unternehmen auf Annäherung. Die Haltung der EU stößt bei vielen Lobbyverbänden auf wenig Gegenliebe. So fordert der Ost-Ausschuss eine Abkehr von den westlichen Strafmaßnahmen. Aber auch junge Interessensvertretungen wie der Deutsch-Russische Wirtschaftsbund leisten Lobbyarbeit auf EU-Ebene, um die Politik zum Umdenken zu bewegen.

MG_5358-cd-8x6-3Thorsten Gutmann ist der Chefredakteur von Ostexperte.de.

Zuvor war er Online-Redakteur der Berliner Zeitung und des Berliner Kuriers sowie Autor der MDZ. Der gebürtige Freiburger studierte in Berlin Journalismus und Unternehmenskommunikation.

 

 

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