
Russland und Fast Food – das war von Anfang an eine Erfolgsgeschichte. Als vor 30 Jahren die erste McDonald’s-Filiale in Moskau eröffnete, bildeten die Menschen eine kilometerweite Schlange. Heute finden sich im größten Land der Welt mehr als 700 Restaurants der US-Kette. Bis 2030 sollen es über 800 werden. Der eigentliche Star im größten Land der Welt ist dennoch nicht der Burger, sondern die Pizza. Russlands Liebe zum mit Tomatensoße bestrichenen Rund stellt derzeit alles andere in den Schatten.
Die Branche ist in einem bemerkenswert rasanten Aufschwung begriffen. Zwischen April 2018 und März 2019 gaben die Russinnen und Russen 19 Prozent mehr Geld für Pizza aus als im Vorjahr. Während dieser Zeitspanne eröffneten mehr als 1500 neue Pizzerien in den Millionenstädten Russlands. Im ersten Quartal des vergangenen Jahres allein wuchs die Anzahl der Kundinnen und Kunden um 15 Prozent an. Wachstum konnten dabei vor allem Schnellrestaurants verzeichnen, während traditionelle Pizzerien meist in die Röhre gucken und Kundschaft einbüßen mussten.
Domino’s mit hohen Zielen
Angesichts des Trends erscheint die jüngste Meldung des US-Unternehmens Domino’s Pizza umso verwunderlicher. Laut eigenen Angaben verzeichnete der Pizzalieferant für 2019 eine Zunahme der eigenen Verkäufe um lediglich 17,5 Prozent. Im Vergleich zu 2018, als der Wert um insgesamt 49 Prozent zunahm, enttäuschen die neuen Zahlen des Konzerns. Er zählt zu den weltweiten Marktführern der Branche und rangiert auch in Russland unter den Top drei, zusammen mit Dodo Pizza und Papa John’s.
Der Ertrag des Unternehmens steht im krassen Gegensatz zum Aufwand: Während des vergangenen Jahres hat Domino’s Pizza nach Schätzung von Experten rund 900 Millionen Rubel (etwa 13 Millionen Euro) in sein Geschäft investiert – und damit deutlich mehr als die Konkurrenz. Mit einer aggressiven Vergrößerungskampagne war der Konzern in die Offensive gegangen. Im vergangenen Jahr sollten russlandweit 60 neue Läden entstehen. Zudem versuchte man, mit erhöhten Werbeausgaben gegen die niedrige Markenbekanntheit in den neu erschlossenen Regionen anzukämpfen.
Viel Aufwand, wenig Ertrag
Tatsächlich liegt das Hauptproblem des Unternehmens außerhalb von Moskau. Um den eigenen ambitionierten Zielen gerecht zu werden, erhöhte Domino’s Pizza den Druck auf seine regionalen Franchisenehmer. Diese beschwerten sich schon bald darauf über unrealistische Anforderungen. Im März 2019 kritisierten 20 der 26 Pizzerien außerhalb der russischen Hauptstadt, dass die Zentrale zu hohe Preise angesetzt habe und „gescheiterte Marketingaktionen durchführt, ohne regionale Besonderheiten zu berücksichtigen“. Die Partner hatten nicht unerhebliche Verluste zu verzeichnen. Einer von ihnen, ein Betreiber aus Tscheljabinsk am Ural, verklagte das Unternehmen auf eine Zahlung von rund 27 Millionen Rubel (rund 391 000 Euro). Domino’s wiederum sieht den Fehler bei den Franchisenehmern.
Mit seiner Strategie ging der US-Konzern ein Risiko ein, das sich letztlich nicht auszahlen sollte. Von den geplanten 60 Neueröffnungen wurden gerade einmal 24 realisiert. Domino’s Pizza hat nicht zuletzt deshalb einen so schweren Stand außerhalb von Moskau, weil es erst Mitte 2017 damit begonnen hat, sich dem Franchising außerhalb der Metropole zu widmen.
Ein gnadenloser Wettbewerb
Der Konkurrent Dodo Pizza war zu diesem Zeitpunkt bereits in allen größeren Städten des Landes vertreten. Dessen Gründer, Fjodor Owtschinnikow, kündigte Ende des vergangenen Jahres an, in den folgenden fünf Jahren 1000 neue Pizzerien in Europa, Asien und Afrika eröffnen zu wollen. Sein russisches Unternehmen hat es geschafft, Papa John’s, Domino’s Pizza und Pizza Hut innerhalb von acht Jahren zu überholen. Einer der Filialen in Samara gelang es am 26. Mai, sage und schreibe 12 267 Pizzen an einem Tag zuzubereiten – ein neuer Rekord im Land.
Trotz des Dämpfers für Domino’s Pizza trugen die Einnahmen auf dem russischen Markt auch im vergangenen Jahr auf entscheidende Art und Weise zum Ausbau des Unternehmens bei. Das pizzahungrige Russland präsentiert sich nach wie vor als ein zentraler Wachstumstreiber, von dem der Konzern auch in Zukunft profitieren will. Doch 2019 hat deutlich gezeigt, wie stark umkämpft der hiesige Markt mittlerweile ist.
Patrick Volknant