Der Geschmack von früher

Für die einen waren es die Süßigkeiten, für die anderen die Getränke deren Geschmack mit der Kindheit oder der Jugend verbunden sind und die es heute so nicht mehr gibt. Die MDZ zeigt eine Auswahl an Lebensmitteln, bei denen Russen Nostalgiegefühle bekommen.

Sekt

Der Traditionssekt von Abrau-Durso erfreut sich heute wieder großer Beliebtheit. © wikicommons

Abrau-Durso-Sekt

Was dem Deutschen Rotkäppchen oder Mumm, ist für den Russen Abrau-Durso. Der beste Sekt der Sowjetunion stammt aus einem Dorf an der Schwarzmeerküste und hat eine Geschichte, die ihren Anfang bereits vor knapp 150 Jahren nahm. Nachdem 1872 die ersten Riesling-Reben nach Südrussland gelangten, begann man bald darauf mit dem Aufbau eines Weingutes. Auf die Idee, Sekt zu machen, kam Fürst Lew Golizyn, der für seinen Schaumwein auf der Weltausstellung 1900 in Paris eine Medaille erhielt.

Nach der Oktoberrevolution erhielt das Weingut den Auftrag, möglichst billig Sekt zu produzieren. Das gelang so gut, dass sogar die Italiener daran Interesse zeigten und ihren Asti bis heute nach dem Abrau-Durso-Verfahren herstellen. In der Sowjetunion fand das perlige Vergnügen durch Michail Gorbatschows Prohibition 1985 sein jähes Ende, als alle Rebstöcke vernichtet wurden.  Erst in den 2000ern wurde Abrau-Durso durch Boris Titow, den heutigen Beauftragten für Unternehmerrechte beim russischen Präsidenten, aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Heute findet man Abrau-Durso in jedem Supermarkt. Und in Moskau eröffnete erst vor Kurzem eine Bar, in der man zum Sekt Austern genießen kann.

Schiguli-Bier

Schiguli

Auch die russische Regierung schätzt das Schiguli Bier © archive-governmnent.ru

Sprechen Russen von Schiguli, können sie damit gleich drei Sachen im Sinn haben. Eine liebliche Hügellandschaft, ein nicht ganz so liebliches Auto oder ein süffiges Bier. Und alle drei kommen von der Wolga. Dort, genauer gesagt in Samara, begann der Österreicher Alfred Vacano von Wellho Ende des 19. Jahrhunderts, Wiener Lager zu brauen. Und die Russen liebten es. So stieg Vacano schnell zum drittgrößten russischen Brauer auf.

In der jungen Sowjetunion wurde das Bier, und mit ihm die Brauerei, in Schiguli umbenannt. Warum das geschah, weiß man bis heute nicht genau. Mit neuem Namen setzte das Bier schnell Standards in der Sowjetunion und wurde zu einem der beliebtesten Gerstensäfte des Landes. Nach dem Ende der Sowjetunion wollten auch die Ukraine und Weißrusslandd an der Trinktradition festhalten und produzieren bis heute ihr eigenes Schiguli mit jeweils adaptierten Rezepten. Auch in Russland dürfen Brauereien ihr eigenes Schiguli kreieren. So verwendet die Firma Otschakowo aus Moskau Hefe aus der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin.

Anstehen für die sowjetische Erfrischung © wikicommons

Limonaden

Die Limonade Djusches ist eine echte sowjetische Erfindung. Gerüchten zufolge wurde die Zuckerbombe in den 1930ern  als „Waffe“ gegen die erfolgreiche US-amerikanische Cola geschaffen. Gesichert ist, dass Josef Stalin dem US-Präsidenten Harry S. Truman die hellgelbe Limonade servierte. Benannt ist Djusches nach einer Birnensorte aus dem Kaukasus, die tatsächlich im Getränk enthalten sein soll. Das Rezept ist denkbar einfach: Birnensirup, Zitronensaft, Zucker und Sprudelwasser. In der Sowjetunion war Djusches in Halbliterflaschen für zehn Kopeken erhältlich. Zu kaufen gab es die Limonade eigentlich überall. Für den schnellen Schluck zwischendurch konnte man an einen Kiosk oder Automaten gehen. Heutzutage ist das Rezept nicht mehr genau festgelegt, weshalb man unter dem Namen Djusches sehr verschiedene Geschmäcker antreffen kann.

Ein sowjetischer Limonadenklassiker ist auch Tarchun – ein giftgrünes Estragongetränk, dass außerdem noch Zitronensäure, Zucker und Wasser enthält. Erfunden wurde Tarchun aber bereits 1887 vom Apotheker Mitrofan Lagidse aus Tiflis. Mehrfach wurde Lagidse für seine Limonade ausgezeichnet und schließlich zum Vorsitzenden einer Tarchun-Frabrik ernannt.

Kaviar

Begehrt, aber selten. Der schwarze Kavier © pixabay

Kaviar und Balyk

Russland verfügt neben Öl noch über ein anderes schwarzes Gold – den Kaviar. Und dieser wird schon viel länger „gefördert“. Wichtig zu wissen: Original ist schwarzer Kaviar nur, wenn er vom Stör stammt. Kaviar gab es immer in Wellen, mal viel, mal wenig. Wenig vor allem dann, wenn der Mensch kurz davor war, den Stör auszurotten.

Russland verfügt heute nur noch über ein Drittel der Küste des Kaspischen Meeres, wo 90 Prozent des weltweit vertrieben schwarzen Kaviars herstammen.

Mit dem Ende der Sowjetunion brach der Export des Kaviars zusammen – von 141 Tonnen 1989 auf zehn Tonnen 2010. Heute kann man natürlichen Kaviar kaum noch kaufen. Wenn überhaupt, dann findet man ihn in Gourmetläden, wo für 50 Gramm schnell 37 Euro fällig werden. Eine andere sowjetische Spezialität ist der Balyk, ein in Salz eingelegter und gedörrter Fisch. Verwendet werden dafür sowohl Störe als auch Lachse. Da der Balyk in der Sowjetunion knapp war und die Auswahl in Moskau relativ, wurde der gedörrte Fisch zum beliebten Souvenir aus der Hauptstadt. Den Charme des Seltenen hat der Balyk heute verloren. Kaufen kann man ihn fast überall. Einzig der hohe Preis verhindert, dass man ihn jeden Tag genießt.

Eis

Schmeckte früher besser: Plombir © wikicommons

Eis

Eis, das war zu Anfang der Sowjetunion eine bourgeoise Nachspeise. Wie bei den Limonaden haben es die Menschen der Konkurrenz mit den USA zu verdanken, dass das Eis zu einem volkseigenen Gut wurde. In den 1930ern bestand der Kommissar für die Nahrungsmittelindustrie Anastas Mikojan darauf, die Nachspeise für jeden erschwinglich anzubieten. Mindestens fünf Kilogramm Eis solle jeder Sowjetbürger im Jahr essen, so Mikojan. 1940 begann schließlich (mit US-amerikanischen Maschinen) die Massenproduktion. Angesichts der heutigen Auswahl mag sich manch einer wundern, warum die Russen dem Eis aus der Sowjetunion nachtrauern. Das liegt einfach daran, dass die fünf Sorten, die es damals gab, aus natürlichen Zutaten hergestellt wurden und nicht lange haltbar waren. So etwas gibt es heute in Russland nicht mehr. Am nähesten kommt dem Geschmack noch das Eis im Kaufhaus GUM am Roten Platz. Deshalb verwundert es nicht, dass die Moskauer auch im tiefsten Winter dort Schlange stehen.

Ljubawa Winokurowa

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