Die russischen Medien verwendeten unterschiedliche Ausdrücke, um den Fall mit dem Gulag-Museum in Moskau zu beschreiben. Einige berichteten, dass „das Museum seine Arbeit eingestellt hat“. Die Form des Satzes weist auf eine Eigeninitiative der Museumsverwaltung hin. Andere schrieben, dass am 14. November „das Museum geschlossen wurde“. Darin kann man eine Andeutung der Einmischung in die Arbeit einer staatlichen Kultureinrichtung durch äußere Akteure erkennen. Dabei geben alle Medien den Grund für die Schließung an: „Verletzung der Brandsicherheit“. Das Gulag-Museum in Moskau veröffentlichte eine ensprechende Erklärung auf seiner Webseite.
Eine an ein Verbrechen grenzende Dummheit
Diese Erklärung überzeugt nicht jeden. Jelisaweta Lichatschjowa, die Direktorin des Puschkin-Museums, meint, dass die Einstellung der Arbeit des Museums unter einem, „gelinde gesagt, seltsamen Vorwand“ erfolgte. Das hat sie im Gespräch mit dem Radiosender BFM gesagt. Lichatschjowa weist darauf hin, dass das Vorhandensein eines U-Bahn-Lüftungsschachtes im Museumsgebäude seit Jahren niemanden gestört hat und nennt das Geschehene „eine an ein Verbrechen grenzende Dummheit“.
Ein störendes Thema
Das Auftauchen dieses Zitats im Zusammenhang mit der Schließung des Gulag-Museums ist ironisch und bedrohlich zugleich. Diese Worte stammen nicht von irgendjemandem, sondern von Josef Stalin, nach dem die Repressionen der 1930er bis 1950er Jahre benannt wurden. Diese Tatsache stört diejenigen, die heute Stalin verherrlichen, überhaupt nicht. Aus den russischen Regionen kommen regelmäßig Nachrichten über die Errichtung von Stalin-Denkmälern. Und umgekehrt stoßen Versuche, Aktionen zum Gedenken an die politisch Verfolgten zu veranstalten, derzeit nicht selten auf den aktiven Widerstand der Behörden.
Daher passt die Schließung des Gulag-Museums in die heutige Logik. Das Thema der Repressionen ist störend und sogar unerwünscht. Es überrascht nicht, dass die Zusicherung des Pressedienstes des Moskauer Kulturministeriums, die Aussetzung sei nur vorübergehend, viele Menschen nicht beruhigt hat. Stalin kehrt in die russischen Geschichtsbücher zurück, die Repressionen verschwinden allmählich von dort.
Igor Beresin