Lieferdienste im Test: Es geht auch ohne Pizza!

Von Georgien bis Usbekistan, vom Kaukasus bis zum Tien Shan: Moskau vereint eine einzigartige Mischung regionaler Küchen, die auch bestellt werden können. Die MDZ-Redaktion hat das ausprobiert.

Im Treppenflur: der Liefermann mit der heißbegehrten Ware. Neben Geschmack, Service und Preis-Leistung wird die Nachhaltigkeit der Verpackung unter die Lupe genommen / Foto: Christopher Braemer.

Tino Künzel 

Usbekischer Plow

Wer bei Plov.com bestellt, der sollte sich der Konsequenzen bewusst sein. Er wird nie wieder anrühren wollen, was in der russischen Gastronomie für gewöhnlich als Plow serviert wird und doch nur ein liebloser Abklatsch davon ist. Im zentralasiatischen Usbekistan genießt das Reisgericht mit all seinen regionalen Spielarten dagegen den Rang eines nationalen Kulturguts. Das scheint auch die Gründer von Plov.com – den früheren Börsenmakler Ilchom Ismailow und seinen Bruder Safar, selbst Usbeken – auf Qualität zu verpflichten. Ihr seit 2013 vertriebener Plow ist ein Gedicht, zumindest soweit man das als Mitteleuropäer beurteilen kann. Der Reis dafür wird eigens aus Usbekistan importiert.

Ein Fest: Plow hat in Usbekistan den Rang eines nationalen Kulturguts / Foto: Plov.com

Die Bestellung kommt nach ziemlich genau einer Stunde Wartezeit an. In einer Pappschachtel, die wiederum in einem Warmhaltebeutel steckt. Umgefüllt auf Geschirr, füllt der Plow einen Suppenteller bis zum Rand. Von zwei bestellten Sorten hat es mir der sogenannte Fest-Reis mit Hammelfleisch, Kichererbsen und Rosinen besonders angetan: Er ist unglaublich aromatisch und saftig.

Geschmackvoll ist bei Plov.com auch die Außendarstellung: Kreative Slogans wie „All you need is Plov“ oder „Make Plov, not War“ sowie  eine attraktive Webseite erfreuen Auge und Geist. Auf der Karte stehen zehn Hauptgerichte, davon vier Sorten Plow zu je 300 Rubel.

Georgische Chinkali und Chatschapuri

Anastassija Buschujewa

Es ist das Markenzeichen der georgischen Küche: Chatschapuri. Mein Lieblingsgericht. „Chatscha“ heißt übersetzt Quark, „Puri“ Brot. Erfunden wurde das eigentlich mit Käse gefüllte „Quarkbrot“ im Mittelalter in den hohen Bergen Georgiens.  Chatschapuri gibt es in allen möglichen Versionen – am populärsten ist die von einem Ei gekrönte. Das Besondere am georgischen Nationalgericht ist der sogenannte „Suluguni“-Käse. In Sole gezüchtet, wird er auch Salzlakenkäse genannt. Er besteht aus einem Milchmix von Kuh, Schaf und Ziege. Das ideale Chatschapuri besteht aus Suluguni und Teig zu gleichen Mengen.

„Chatscha“ heißt übersetzt Quark, „Puri“ Brot. Erfunden wurde das eigentlich mit Käse gefüllte „Quarkbrot“ im Mittelalter in den hohen Bergen Georgiens. Hier neben Chinkali / Foto: Anastassija Buschujewa.

Zum adscharischen Chatschapuri bestelle ich Chinkali. Der Telefonservice des Café Batoni wurde der berühmten kaukasischen Herzlichkeit gerecht. Innerhalb einer Stunde soll die Ware geliefert werden – bereits nach 40 Minuten trifft sie ein. Das Quarkbrot ist noch ofenwarm, der Käse komplett flüssig.

Den Geschmackstest besteht es mit Bravour. Einzig bei  den Chinkali wurde merklich am Käse gespart. Umweltfreundlichkeit ist dem Café Batoni jedoch ein Fremdwort. Die Chinkali sind in einem Berg aus Aluminium und Plastik verpackt. Ergo: bitte mehr Käse und weniger Verpackung!

Dagestanischer Sudak

Katharina Lindt

Glaubt man den Bewertungen im Internet, dann ist das Restaurant „Schi Jest“ das authentischste in Moskau. Ich bestellte dagestanischen „Sudak“, „Tschudu“ mit Käse und Tomaten sowie Grill-Gemüse. Eigentlich wollte ich vegetarische Manty verspeisen, aber diese haben es nur versehentlich ins Menü geschafft. Dagestanische Küche ist nichts für Vegetarier, wie mir die Mitarbeiterin des Lieferdienstes am Telefon erklärt. Fleisch und Teig seien die Hauptzutaten.

Hinter dem „Sudak po-dagestanskij“ verbirgt sich gebratener Zander, garniert mit angeschmorten Zwiebeln und Spinat / Foto: Katharina Lindt.

Hinter dem „Sudak po-dagestanskij“ verbirgt sich gebratener Zander, garniert mit angeschmorten Zwiebeln und Spinat. Tschudu ist ein Fladen, mit unterschiedlichen Zutaten gefüllt. In meinem Fall mit Tomaten und Käse. Nach Lektüre der Online-Bewertungen waren meine Erwartungen hoch. Umso enttäuschter war ich, als geliefert wurde – das Essen war fad und kalt. Auch das Preisleistungsverhältnis stimmt nicht: Die Portionen sind für den hohen Preis von 1100 Rubel (umgerechnet etwa 18,50 Euro) einfach zu klein.

„Schi jest“, um es in einer typisch dagestanischen Redewendung auszudrücken. Zu Deutsch: „So ist es halt!“

Uigurischer Lagman

Christopher Braemer

Lagman, das ist uigurischer Ziegenfleisch-Gulasch mit Bandnudeln / Foto: Christopher Braemer.

Sonntag ist Chill-Tag: Das Bett wird nur im Notfall verlassen, gekocht schon gar nicht. Zur mehr als deutschen Mittagszeit um 11.50 Uhr bestelle ich Lagman, mein absoluter Favorit der postsowjetischen Küche. Lagman, das ist uigurischer Ziegenfleisch-Gulasch mit Bandnudeln. Die Uiguren sind ein turksprachiges Nomadenvolk, lebhaft in der abtrünnigen Region Xinjang in Westchina.  Ziegenfleisch und Bandnudeln geben Kraft für lange Ritte durch die Steppe sowie langes Ausharren in der MDZ-Redaktion. Der minimalen Bestellsumme wegen bestelle ich ihn gleich  dreimal, dazu ein großes Fladenbrot.

Die Tschaichana Nummer eins wurde ihrem „bescheidenen“ Namen nicht gerecht. Das Beste an der Sache war noch der Registrierungsbonus der Bestellplattform: Einen Plow  gibt es kostenlos. Zur Freude meines Mitbewohners. Dafür wird mein Browser seitdem mit aufdringlicher Onlinewerbung zugespamt.

Wie versprochen, traf die Bestellung innerhalb einer Stunde ein. Und mit ihr der Albtraum: Lagman im Papp-Becher. Ebenso künstlich wie die Verpackung war der Geschmack. Und das für satte 1140 Rubel  – man gönnt sich ja sonst nichts. Na ja, etwas Gutes hat die Sache: Nächsten Sonntag werde ich früh aufstehen. Und selber kochen.

Armenische Dolma, Lamadscho und Kutabi

Ljubawa Winokurowa

Das 2010 eröffnete Familiengewerbe „Djadja Granta“ ist genaugenommen gar kein Restaurant. Denn es wird ausschließlich außer Haus geliefert. Die Spezialität des Lieferservices ist Lamadscho – so etwas wie armenische Pizza: hauchdünner Teig mit Hackfleisch und Tomaten belegt und mit Käse überbacken.

Ich bestelle um 13 Uhr – oder versuche es zumindest. Denn erst beim dritten Mal nimmt jemand ab. Dann werde ich gewarnt, dass es wenig Lieferanten gebe. Meine Bestellung: zwei Lamadscho für 70 Rubel das Stück, Kutabi (Piroggen aus ungesäuertem Teig) mit Fleisch, Käse und Kräutern für 150 Rubel das Stück und Dolma, meine armenische Lieblingsspeise.

Lamadscho (l.) und Dolma (o.) / Foto: Ljubawa Winokurowa

Dolma sind kleine Weinblatt-Rollen, gefüllt mit Hackfleisch und Reis. Von denen könnte ich gleich zehn Stück auf einmal verputzen – Minimum. Gewöhnlich werden sie mit sogenanntem „Mazun“, einem Sauermilch-Getränk, verkauft. Das Rezept für Dolma wird in jeder armenischen Familie von Generation zu Generation weitergegeben. Meine Bestellung trifft – entgegen der Vorwarnung – nach etwas mehr als einer Stunde ein. Sechs Minuten Verspätung sind aber noch im Rahmen.

Ärgerlich ist etwas anderes: Die Lamadscho sind kalt, müssen nochmal in die Mikrowelle. Danach schmecken sie ausgetrocknet – ganz und gar nicht so, wie ich erwartet habe. Die Kutaby und Dolma hingegen sind einfach nur köstlich. Ich würde nochmal bestellen. Vorausgesetzt mit der Verpackung wird dann etwas sparsamer umgegangen – der Umwelt zuliebe.

Ossetische Piroggen

Peggy Lohse

Es scheint sie an fast jeder Ecke zu geben, diese großen, runden, sättigenden Teigscheiben mit allerlei Füllung. So eine Art Quiche, aber rund und geschlossen und ein bisschen fettiger: ossetische Piroggen. Sie gelten als ein Überbleibsel der nomadisch lebenden Vorfahren der Osseten, der Skyphen und anderer Kaukasusstämme. Im Idealfall, so heißt es in der Beschreibung, soll der Teig dünn sein, ohne dass die Füllung ihn durchbricht. Eine dicke Teighülle sei ein Zeichen für die Unerfahrenheit der jeweiligen Hausfrau, heißt es.

Mein Kollege und ich bestellen um 18.55 Uhr. Online, um Missverständnissen am Telefon vorzubeugen. Eine müde Stimme ruft trotzdem zurück, um Bestellung und Adresse zu bestätigen. Sie warnt vor: Lieferzeit eineinhalb bis zwei Stunden. Dafür wird die eingehalten: Um genau 20.45 Uhr steht der Kurier vor der Tür. Gezahlt wird bar. Bei Bestellung zwischen 16 und 19 Uhr gibt es zehn Prozent Rabatt auf alles. Für drei Kuchen à 600 Gramm zahlen wir so nur 1070 Rubel. Und das ist nur die Mini-Variante (ab 399 Rubel das Stück). Die XXL-Version wiegt das Doppelte und kostet bis zu 1000 Rubel – je nach Füllung.

Ossetische Piroggen gelten als ein Überbleibsel der nomadisch lebenden Vorfahren der Osseten, der Skyphen und anderer Kaukasenstämme / Foto: Peggy Lohse.

Als die drei Kartons mit der heißen Ware eintreffen, riecht die ganze Wohnung nach heißem Apfel, ossetinischem Käse sowie Kartoffel, Pilzen und Zwiebel. Hmm… sehr lecker, einfach zu handhaben, schnell sättigend. Nur fällt es schwer, sich auf einen Favoriten festzulegen – alle drei überzeugen. Am nächsten Tag nehmen wir genauso viele Piroggen mit in die Redaktion, damit auch die Kollegen etwas davon haben.

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