Zwischen Kochvideos und Kirche

Das westsibirische Omsk gilt als die heimliche Hauptstadt der Russlanddeutschen. Wie die Minderheit in der Millionenmetropole lebt und wie sie ihre Kultur pflegt, hat die MDZ bei einem Besuch erkundet.

Jewgenij Filippow ist Pfarrer in der evangelisch-lutherischen Christuskirche von Omsk/ Foto: Jiří Hönes

Es war ein deutschstämmiger Oberstleutnant namens Johann Buchholz, unter dessen Befehl Omsk im Jahr 1716 als Festung gegründet wurde. In den Jahren des Zweiten Weltkriegs wurden zahlreiche Russlanddeutsche in die Stadt deportiert, etwa 20 000 von ihnen leben heute noch in Omsk. Was gibt es hier an deutschem Leben zu entdecken?

Eine Kirche und zehn Gläubige

Da wäre zum Beispiel die evangelisch-lutherische Kirche, in der Jewgenij Filippow als Pfarrer tätig ist. Neben einem russischen gibt es hier auch einen Gottesdienst in deutscher Sprache. Etwa zehn Gläubige versammeln sich dort jeden Sonntag. „Das sind unsere ältesten Brüder und Schwestern, sie stammen aus dem wolgadeutschen Gebiet“, erklärt Filippow in fließendem Deutsch. Er selbst ist nicht etwa Russlanddeutscher, sondern hat am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission im Schwarzwald studiert. Seine Frau Larissa ist Deutschlehrerin und unterrichtet am Sprachlernzentrum in Omsk.

Deutsch lernen in „Sibirischer Krone“

Ihre Kollegin Natalija Dudova veranstaltet einen Stammtisch für Deutschlerner in der Kneipe „Sibirische Krone“. Dort finden sich Leute wie die Übersetzerin Irina, deren deutschstämmige Großeltern aus der Ukraine hierher gebracht wurden. „In der Familie sprachen wir kein Deutsch und als Kind hat es mich kaum interessiert“, sagt sie. Heute sei das aber anders.

Themenabende organisiert Fremdsprachenassistent Simon am Zentrum für Deutsch in Omsk. Er bietet Interessierten einen Zugang zur deutschen Kultur „der nicht unbedingt den Klischees entspricht“, denn das Land habe mehr zu bieten als das Oktoberfest, so der gebürtige Pfälzer. Von Stadiongesängen bis zum Kölner Dom reicht das Spektrum.

Geselligkeit und Literatur

Treffpunkt für die Russlanddeutschen ist seit 2016 das Kultur- und Geschäftszentrum „Deutsch-Russisches Haus Omsk“. Neben dem Erlernen der Sprache steht die Geselligkeit im Fokus. „Viele wollen einfach andere Deutsche treffen“, so Mitarbeiterin Kristina Golland. Zudem gibt es einen deutschen Literaturclub und einen YouTube-Kanal mit russlanddeutschen Kochvideos.

Jiří Hönes

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