Wie die bucharischen Juden sich treu blieben

Im usbekischen Buchara hat es die wenigsten von ihnen gehalten, als die Grenzen durchlässig wurden. Doch die bucharischen Juden pflegen ihren Glauben, ihre Traditionen und ihre Sprache auch fern der Heimat, so wie zuvor erst unter islamischer, dann unter sowjetischer Herrschaft. Nun ist ihnen eine Ausstellung im Jüdischen Museum gewidmet.

Kopfkino: In der Ausstellung beschwören Gewürze Bilder von orientalischen Märkten herauf. (Foto: Jüdisches Museum)

Bucharische Juden leben heute auf der ganzen Welt. Man findet sie in Samarkand, Duschanbe, New York, Wien oder Jerusalem. In Deutschland wurde ihre Zahl 2020 mit anderthalbtausend angegeben. Allein 300 davon sind in Hannover zu Hause, wo 2002 die erste Gemeinde der bucharischen Juden auf deutschem Boden gegründet wurde. Solche Gemeinden gibt es mittlerweile in allen möglichen Ländern. Sie seien ein „exemplarisches und äußerst interessantes Beispiel für die Bewahrung der Eigenheiten einer Volksgruppe“, deren Angehörige zum überwiegenden Teil aus ihrer angestammten Heimat in Zentralasien ausgewandert sind. Das sagt Alexander Boroda, der Leiter des Jüdischen Museums und Toleranzzentrums in Moskau. Dort läuft seit dem 3. März und noch bis zum 18. Juni die Ausstellung „Bucharische Juden: Am Schnittpunkt der Zivilisationen“.

Eine uralte Geschichte

Die bucharischen Juden sind Abkömmlinge einer jüdischen Urbevölkerung, die sich in der zentralasiatischen Region zwischen dem sechsten und vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung niederließ. Die Eroberung dieses Gebiets durch die Araber im 8.  Jahrhundert ging mit einer Islamisierung einher. Doch die meisten Juden bewahrten ihren Glauben. Sie konnten ihre Religion ausüben, wurden jedoch verpflichtet, eine spezielle Steuer zu zahlen, durften keine staatlichen Ämter bekleiden und bestimmte Kleidungsstücke tragen. Außerdem mussten Synagogen so gebaut werden, dass sie die Moscheen nicht überragten.

Gewöhnlich wohnten die Juden in ihren eigenen Vierteln, wo sie über eine gewisse Selbstverwaltung verfügten. Die Gemeinde hatte ihren Vorsteher, den sogenannten Kalontar. Für das religiöse Leben war der Rabbiner zuständig.

Die bucharischen Juden

Im 18. Jahrhundert entstanden in Zentralasien drei Machtzentren: das Emirat von Buchara sowie die Khanate Kokand und Chiwa. Die größte jüdische Gemeinschaft war in Buchara konzentriert. Aus diesem Grund bezeichneten Reisende aus Europa die zentralasiatischen Juden als bucharisch. Ende des 19. Jahrhunderts ging das Khanat Kokand im russischen Imperium auf. Das Emirat von Buchara und das Khanat Chiwa gerieten zunächst unter das Protektorat Russlands, blieben nach innen jedoch selbstständig.

In den 1920er Jahren wurde hier die Sowjetmacht ausgerufen und das Territorium an die Sowjetunion angegliedert. Für die bucharischen Juden hatte das eklatante Folgen: Ihre Gemeinden wurden aufgelöst, die jüdischen Kaufleute enteignet. Mit der Zeit zog auch die Zerstörung der jüdischen Kultur immer weitere Kreise: Der bucharisch-jüdische Dialekt wurde aus der Liste der Sprachen der Sowjetvölker gestrichen. Alle Schriftquellen mussten ins Kyrillische übertragen werden. Bildungs- und Kultureinrichtungen wurden geschlossen.

Der Beginn der Auswanderung

Als die Sowjetunion zerfiel, kehrten die allermeisten bucharischen Juden Zentralasien den Rücken. Russlands Oberrabbiner Berl Lasar erzählt, wie er 1987 zum ersten Mal in Taschkent war, der Hauptstadt von Usbekistan. „In dieser Zeit fing der Exodus an. Und obwohl die Atmosphäre der bucharischen Juden noch deutlich zu spüren war, klagten die Leute, dass Tradition und Kultur verlorengingen. Schließlich hatte man unter Seinesgleichen gelebt. Heute ist man über den gesamten Erdball verstreut.“

Damals, so Lasar, hätten keinerlei Strukturen existiert, um die Bewahrung der Traditionen zu unterstützen. Heute, da es praktisch in jedem Land Gemeinden der bucharischen Juden gebe, sei das ganz anders. „Die räumliche Zersplitterung hindert sie nicht daran, überall ihr Zuhause zu haben und die Traditionen zu leben. Küche, Kleidung, Sprache – all das ist sogar bei der jüngeren Generation, den Kindern und Enkeln zu finden.“

Bewahrung von Identität

Diese faszinierende Geschichte aus mehr als zwei Jahrtausenden mag auf den ersten Blick von lokaler Natur und begrenztem Interesse für die breite Öffentlichkeit erscheinen. Doch dass sie nun im Fokus der Ausstellung im Jüdischen Museum steht, hat durchaus einen tieferen Sinn. Denn die Frage, wie sich die Bewahrung von Identität und Tradition mit äußeren Faktoren wie der Auflösung herkömmlicher Lebensverhältnisse und der Globalisierung verträgt, ist von allgemeinem Charakter.

In der Ausstellung vermitteln Objekte der Volkskunst, des Alltagslebens und der Religion, magische Amulette, Elemente der häuslichen Inneneinrichtung sowie historische Dokumente und Fotografien einen Eindruck von der Welt der bucharischen Juden. Besucher erfahren etwas über ihre berufliche Tätigkeit, etwa im Handel, in Färberei- oder Juweliergeschäft, über Musik- und Theaterkunst, Hochzeitstraditionen, religiöse und magische Riten und den Aufbau der Synagogen.

Jekaterina Dolakidse

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