Weniger Büro, mehr Homeoffice? Deutsche Chefs zum Berufsalltag nach Corona

Zwei Monate Homeoffice haben Spuren hinterlassen. Viele mussten ihr Leben umstellen. Manche haben daran Gefallen gefunden, andere weniger. Jetzt werden nach und nach die Corona-Beschränkungen aufgehoben. Wird damit im Berufsleben wieder alles wie früher? Oder findet gerade ein Umdenken statt? Das hat die MDZ die Chefs von deutschen Unternehmen in Moskau und der AHK gefragt. Die Antworten fielen durchaus unterschiedlich aus.

Zu den positiven Seiten der Büroarbeit bei Assmann gehört die tolle Aussicht auf Moskau-City. (Foto: Assmann)

Assmann

Alexander Berthold, Geschäftsführer und Gesellschafter von Assmann Beraten + Planen

Ich habe schon gesagt, dass ich mit jedem ein Einzelgespräch führe, wenn diese ganze Corona-Krise vorbei ist. Dann werden wir sehen, für wen es sinnvoll ist, zu Hause zu bleiben. Einige können auf jeden Fall generell zum Homeoffice übergehen. Wir sind eine Projektierungs- und Planungsgesellschaft, da ist es mir völlig egal, ob der Konstrukteur oder Architekt nun im Büro am Computer sitzt oder zu Hause. Wichtig ist, dass und wann er abliefert.

Soziale Kontakte kann man auch anders als im Büro pflegen. Man hat ja Freunde, Verwandte. Da sollte eigentlich der Schwerpunkt des sozialen Lebens liegen. Die Arbeit ist doch eher zum Geldverdienen da. Wenn wir uns einmal in der Woche zur allgemeinen Vollversammlung treffen, damit man auch mal physisch miteinander gesprochen hat, und ab und zu mal eine Pizza zusammen essen, dann reicht das zur Kontaktpflege aus.

Ich mache mir auf jeden Fall Gedanken, wie es weitergeht. Je weniger Leute wir im Büro haben, desto weniger Büroraum brauchen wir und desto weniger Miete zahlen wir. Wir sitzen hier in der Nähe von Moskau-City, das ist nicht gerade ein billiges Pflaster. Da ein paar Zimmer abzugeben, ist sicher eine Überlegung wert.

Angaben zum Büro:

World Trade Center, Krasnopresnenskaja Nabereschnaja 12
Metrostation Uliza 1905 goda
Fläche: 330 Quadratmeter
Arbeitsplätze: 40

Schneider Group

Ulf Schneider, Präsident des Beratungsunternehmens Schneider Group

Ich kenne Mitwerber, die sagen, dass man eigentlich kaum noch ein Büro in Moskau braucht und dass 80 Prozent der Mitarbeiter von zu Hause arbeiten könnten beziehungsweise in Sibirien oder auf dem Land, wo die Arbeitskräfte billig sind. Das sehe ich für uns überhaupt nicht. Ich glaube, es wird auf jeden Fall Veränderungen geben und die sind auch im Gange. Aber ich gehe davon aus, dass unsere Mitarbeiter auch in Zukunft den Großteil ihrer Arbeit im Büro erledigen werden.

Ich habe in den vergangenen zwei Monaten einmal pro Woche Kollegen zum Abendessen zu mir nach Hause eingeladen, da wurde auch über diese Frage gesprochen. Und der Tenor der Meinungen zur Ausgestaltung des Arbeitsalltags ist: 80 Prozent Büro, 20 Prozent Homeoffice. Das kann auch ich mir sehr gut für die Zukunft vorstellen, dass man vier Tage im Büro und einen Tag zu Hause ist. Gleichzeitig muss man natürlich auch die Familien- und Wohnverhältnisse berücksichtigen. Nicht jeder hat ein großes Haus. Für manchen ist es vielleicht auch schwieriger, zu Hause zu arbeiten. Da ist Flexibilität von beiden Seiten gefragt.

Angaben zum Büro:

Haus der Deutschen Wirtschaft (Hauptbüro), 1. Kasatschij per. 7  
Metrostation Poljanka
Fläche: 2435 Quadratmeter
Arbeitsplätze: 282

Bosch

Hansjürgen Overstolz, Präsident der Bosch-Gruppe in Russland

Homeoffice ist für uns längst Realität. Wir haben es bereits vor Corona eingeführt. Unsere Mitarbeiter können im Jahr 50 Tage zu Hause arbeiten. Das entspricht also einem Tag pro Woche, etwa immer freitags. Ich rechne damit, dass das Thema nach der Krise weiteren Aufwind erfährt und die Vorbehalte von Arbeitnehmer- wie von Arbeitgeberseite sinken. Man hat gemerkt, dass man auch von zu Hause sehr effizient arbeiten kann. Ich merke das selbst. Wobei es sicher leichter in einem Ein-Personen-Haushalt ist und schwieriger, wenn mehrere Personen unter einem Dach wohnen.

Aber ich bin überzeugt, dass dieses Konzept viel mehr Bestandteil unseres normalen Lebens werden wird. Und es geht nicht nur um Büro oder Homeoffice, sondern generell um die Gestaltung unserer Arbeit. Wie viel reisen wir eigentlich? An wie vielen Konferenzen nehmen wir teil?

Wir bei Bosch werden uns über das Jahreskontingent an Homeoffice auf jeden Fall unterhalten. Bleibt es bei 50 Tagen? Warum nur ein Tag pro Woche und nicht zwei? Das ist eine Frage, auf die ich keine fertige Antwort habe. Aber darüber werden wir nachdenken.

Angaben zum Büro:

Chimki, Waschutinskoje Schosse 24
Fläche: 22.538 Quadratmeter
Arbeitsplätze: 700

Phoenix Contact

Elena Semenova, Generaldirektorin des Elektrotechnik-Unternehmens Phoenix Contact in Russland

Wir produzieren und vertreiben industrielle Anwendungen. Diese Waren sind erklärungsbedürftig. Das heißt, die Voraussetzung für den erfolgreichen Vertrieb auf dem Markt ist der Kontakt zum Kunden. Man muss Kunden besuchen, muss sich anschauen, welche Lösungen wir für ihre Bedürfnisse anbieten können. Das aus dem Homeoffice zu tun, ist unmöglich.

Vorübergehend geht das, aber es ist kein Ersatz für normale Büroarbeit. Wir werden es so lange betreiben, wie es nötig ist. Aber es wird die Ausnahme bleiben und auf keinen Fall zur Regel.

Angaben zum Büro:

Nowomeschtscherskij Projesd 9/1
Metrostationen Borowskoje Schosse, Solnzewo
Fläche: 1200 Quadratmeter
Arbeitsplätze: 70

Antal

Michael Germershausen, Managing Partner Russland und GUS der Personalvermittlung Antal

Wir werden voraussichtlich ab 15.  Juni den Bürobetrieb wieder aufnehmen. Im Mai haben wir unsere Beschäftigten gefragt, wer eigentlich ins Büro zurückkommen möchte, wenn wir jetzt starten. Das waren ungefähr 40 Prozent. Alle anderen wären lieber zu Hause geblieben. Ich rechne damit, dass wir in einer Art Hybridmodus weiterarbeiten: ein Teil von zu Hause, ein Teil im Büro. Und dass auch im Büro ein Schichtbetrieb gilt, man also nur jeden zweiten Tag kommt und so zusätzlich Abstand zueinander hält. Zumindest in den ersten ein, zwei Monaten, bis sich die Infektionslage in Moskau beruhigt hat.

Global gesehen, sind wir schon am Überlegen, ob wir unsere gesamte Bürofläche noch brauchen oder einen Teil davon an unseren Vermieter zurückgeben. Das hängt aber auch davon ab, wie sich der Markt weiter entwickelt. Unser Umsatz ist in der Krise um 50 Prozent gesunken. Je nachdem, wie schnell sich der Markt erholt, kann es durchaus sein, dass wir gar nicht genug Arbeit für 100 Prozent unserer bisherigen Belegschaft haben und das Büro auch deshalb in Zukunft kleiner ausfallen wird.

Angaben zum Büro:

Trjochprudnyj per. 9/1B
Metrostationen Majakowskaja, Puschkinskaja
Fläche: 1300 Quadratmeter
Arbeitsplätze: 120

AHK

Matthias Schepp, Vorstandsvorsitzender der Auslandshandelskammer

Unsere Homeoffice-Erfahrungen sind gemischt. In den ersten Wochen hatten wir eine Steigerung der Produktivität. Wir waren auch sehr gut vorbereitet, weil wir schon vorher die technischen Voraussetzungen weitgehend geschaffen hatten und nach agilem Management arbeiten. Unter den weltweit über 140 Auslandshandelskammern gehören wir sicher zu denen, bei denen die Digitalisierung am weitesten fortgeschritten ist. Das hat beim Übergang ins Homeoffice geholfen.

Aber dann ließ die Effizienz auch wieder nach, weil der Mensch eben doch ein „zoon politikon“ bleibt, um es mit Aristoteles zu sagen – ein soziales Wesen. Wir werden in Zukunft sicher mehr AHK-Veranstaltungen wie Konferenzen oder Roadshows  im Online-Format machen.  Regelarbeitsplatz aber bleibt das Büro.

Angaben zum Büro:

Businesscenter „Fili Grad“, Beregowoj Projesd 5
Metrostationen Fili, Schelepicha
Fläche: 1135 Quadratmeter
Arbeitsplätze: 100

Zusammengestellt von Tino Künzel

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