Über Gegenwart und Zukunft des russischen Kassenbons

Während in Deutschland die Einführung der Bonpflicht von heftigen Protesten begleitet wurde, ist sie in Russland seit vielen Jahren Realität. Der Staat will damit die Schattenwirtschaft bekämpfen. Und setzt dafür zunehmend auf das Internet.

Auch ein kleiner Einkauf wird gern mit viel Papier quittiert. (Foto: Lucian Bumeder)

Es hat schon etwas Unausweichliches. Wann immer man in Russland etwas kaufen will, erhält man ungefragt einen Kassenbon. Selbst der kleine Imbiss am Straßenrand legt der Pirogge oder dem Döner immer einen Kassenzettel bei. Mehrere tausend Tonnen von umweltschädlichen Thermopapier werden jedes Jahr für die Zettelwut an Russlands Kassen aufgewendet. 

In Russland herrscht auf fast alle Waren Bonpflicht. Denn der Staat möchte die weit verbreitete Steuervermeidung bekämpfen und die immer noch große Schattenwirtschaft eindämmen. Dafür wurde 1998 die erste Liste mit Waren erstellt, für deren Kauf ein Bon ausgestellt werden muss. Nach und nach wurde diese Liste erweitert und umfasst mittlerweile so ziemlich alles, was man kaufen kann.

Seit dem 1. Juli 2019 hat die Bonpflicht auch die Kultur erreicht. So muss beispielsweise an jede Theaterkarte, auf der der Preis bereits aufgedruckt ist, ein zusätzlicher Kassenzettel angeheftet werden. Dieser, und nur dieser, ist für den Fall der Rückgabe oder des Umtauschs gültig. Gegenüber dem Fernsehsender „Kultura“ äußerte der Direktor des Moskauer Wachtangow-Theaters Kirill Krok Bedenken ob der neuen Regel. Denn Theaterkarten werden in der Regel zwei bis drei Monate im Voraus gekauft. So sei der Kassenzettel am Tag der Vorstellung schon gar nicht mehr lesbar, so Krok. Ob man auf Kulanz des Theaters hoffen kann, ist nicht bekannt. „Kultura“ empfiehlt seinen Zuschauern zumindest, den Kassenzettel vorsorglich bis zum Ende der Vorstellung aufzubewahren. 

Die Finanzbehörde weiß über jeden Einkauf Bescheid

Im Jahr 2017 läutete Russland mit der „großen Kassenrevolution“ ein neues Zeitalter in der Registrierung und Bestätigung von Käufen ein. Nach und nach werden die alten Kassen gegen sogenannte Online-Kassen ausgetauscht, die jeden Vorgang speichern und digital an die Finanzbehörde weiterleiten. Den Anfang machten die großen Ketten, 2018 folgten mittlere und kleine Unternehmen, die zuvor teilweise gar nicht mit Registrierkassen arbeiteten und so vor einige Probleme und Investitionskosten gestellt wurden. Dennoch gab es nach Angaben der Finanzbehörde bei 83 000 Unternehmern bereits 2,3 Millionen Online-Kassen. 2019 folgten schließlich die Kleinunternehmer.

2018 brach auch für die Kunden das digitale Zeitalter an. Damals wurden erstmals QR-Codes auf Bons gedruckt. Damit können Käufer sich ihren so eben getätigten Einkauf über eine App von der Finanzbehörde überprüfen und bestätigen lassen. Attraktiv ist ein gescannter Kassenzettel auch für die Banken. Denn sie erhalten nun genauere Informationen über die Einkäufe ihrer Kunden und können maßgeschneiderte Angebote zusammenstellen. Auch für den Käufer selbst soll der Code Vorteile bringen. Denn er kann sich den digitalisierten Bon in seiner Wallet abspeichern und so für später aufbewahren, wenn das Papier bereits ausgeblichen ist. Was umweltfreundlich klingt, ist es (noch) nicht. Schließlich wird immer noch der ausgedruckte Bon benötigt.

Viel Papier trotz Digitalisierung

Auf diesen ausgedruckten Bon besteht die Finanzbehörde bis heute. Und Verkäuferinnen wie Verkäufer halten sich an die Vorgabe. Manche Cafés und Läden bieten ihren Kunden sogar an, den Einkauf kostenlos zu erhalten, sollten sie keinen Beleg dafür bekommen haben. Schließlich überwacht die Finanzbehörde die Bonausgabe mit Kontrolleinkäufen. Und verhängt bei Verstößen Strafen. Verkäufer müssen dann bis zu 3000 Rubel (44 Euro), juristische Personen sogar bis zu 100 000 Rubel (1500 Euro) zahlen. Werden Unternehmen wiederholt erwischt, droht sogar die Schließung für bis zu 90 Tage und eine Berufssperre für den Direktor von bis zu drei Jahren. 

Kassenbons werden vorerst die Portemonnaies der Russen weiter füllen. Denn auch die große „Kassenrevolution“  musste ihr Tempo drosseln. Selbstständige Kleinunternehmer haben vom Staat für die Einführung einen Aufschub bis 2021 erhalten. Dann aber werden sie die ersten sein, die komplett auf Papier verzichten können und ihren Kunden den Beleg einfach per QR-Code übermitteln. 

Daniel Säwert

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