Streaming: Wo Zocker Serienhits schlagen

Russlands Streaming-Markt entwickelt sich allmählich und steigert kontinuierlich seine Umsätze. Vor allem Computerspieler freuen sich über höhere Einnahmen.

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Mit der Übertragung von Videospielen lässt sich in Russland mittlerweile gutes Geld verdienen. (Foto: flickr/ Marco Verch)

Filme und Serien wann immer und wo immer man will. Und natürlich auch so viel man will. Mit diesem Versprechen haben Unternehmen wie Netflix vor Jahren die Sehgewohnheiten der Menschen weltweit verändert. Und damit Umsätze in Milliardenhöhe gemacht. Schier unaufhaltsam scheint der Anbieter aus Kalifornien ein Land nach dem anderen zu erobern und zu einer ernsthaften Konkurrenz zu etablierten Kinostudios und Fernsehkanälen zu werden. In Russland hingegen scheint das Erfolgsmodell bis heute nicht wirklich aufzugehen. Trotz internationaler Serienhits und Oscar-Nominierungen am laufenden Band fristet Netflix zwischen Kaliningrad und Wladiwostok immer noch ein Schattendasein.

Dass Streaming in Russland überhaupt funktioniert, grenzt schon fast an ein Wunder. Zumindest wenn man Klischees Glauben schenkt. Denn das Runet (Amn. d. Red.: Das russischsprachige Internet) galt lange Zeit als Hort der Internetpiraterie. Kaum waren Filme oder Musikalben veröffentlicht, konnte man sie nach kurzer Zeit auf russischen Seiten kostenlos herunterladen. Russische Musiker verzichteten teilweise gleich auf den Verkauf ihrer Alben, denn an Geldverdienen war nicht zu denken. Vielleicht auch deshalb scheuten ausländische Anbieter für lange Zeit den Markteinstieg in Russland.

Netflix kommt nicht vom Fleck

Netflix wagte es dennoch 2016 und wurde bisher nicht belohnt. Gerade einmal knapp eine Milliarde Rubel (12,4 Millionen Euro) konnte das Unternehmen 2019 in Russland erwirtschaften. Bei einem Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden US-Dollar eine zu vernachlässigende Summe. Schlimmer noch für die erfolgsverwöhnten Kalifornier – der Marktanteil beträgt gerade einmal vier Prozent und ist gegenüber 2018 sogar um einen Prozentpunkt gesunken. 

Der (bisherige) Misserfolg von Netflix darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Russen das Streamen allmählich für sich entdecken. Jedoch weniger Inhalte auf Abruf, sondern Livestreams. Einer Untersuchung von Donation Alerts, einer Tochter der Mail.ru-Gruppe, zufolge lässt sich jeder dritte russische Internetnutzer mehrmals im Jahr von Live-streams in den Bann ziehen. Und sie schauen am liebsten dabei zu, wie andere Menschen Computerspiele zocken. Jeder zweite (53 Prozent) von Donation Alerts Befragte findet dabei Genugtuung. Blogger und Stars erreichen mit 40 Prozent weit weniger Russen. 

Die Gaming-Umsätze wachsen rasant

Und die Gamer-Branche profitiert von diesem Interesse. Mit direkt übertragenen Videospielen konnten Zocker in Russland (und der GUS) im vergangenen Jahr 21,6 Milliarden Rubel (268 Millionen Euro) einnehmen. Das hat der Zahlungsdienstleister QIWI errechnet. Das war fast doppelt so viel wie noch 2018, als 11,3 Milliarden Rubel (140 Millionen Euro) in die Taschen der Spieler flossen.

Und die können von den Einnahmen mittlerweile leben – zumindest die Besten. Bis zu 200 00 Rubel (2500 Euro) seien pro Stream drin, erklärte Anastasija Bajguschewa, Produktchefin von Donation Alerts der Tageszeitung „Kommersant“. Die meisten Spieler müssen aber nach wie vor kleinere Brötchen backen. Denn durchschnittlich fließen pro Übertragung eher bescheidene 803 Rubel (zehn Euro). 

Dennoch: Das Potenzial ist vorhanden. Donation Alerts spricht von Wachstumsraten von bis zu 20 Prozent im Jahr. Ausbaufähig sei vor allem die Nutzung mobiler Geräte wie Handys oder Tablets, so Bajguschewa. 

Noch ist nicht abzusehen, wie sich die Corona-Pandemie auf die Zahlen auswirken wird. Doch wahrscheinlich werden viele Russen während der Selbstisolation Serien schauen oder anderen dabei zugucken, wie sie Computerspiele spielen. Nicht auszuschließen, dass 2020 ein neues Rekordjahr wird. 

Daniel Säwert

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