Schwarzbau in Moskau: Abriss einer Wohnanlage angeordnet

Illegale Bauten beschäftigen Moskau seit Jahren. Meist handelt es sich beim Schwarzbau um Imbissbuden und Ladenzeilen. Nun hat ein Gericht den Abriss einer noblen Wohnanlage angeordnet, weil sie ohne Genehmigung errichtet wurde.

Wohnanlage „Loft River“
Um die Wohnanlage „Loft River“ im Nordwesten Moskaus dürfte ein längerer Rechtsstreit anstehen. (Foto: Jiří Hönes)

Zwei schicke Backsteinriegel mit Appartements in Flussnähe, umgeben von einem Zaun mit gemauerten Pfosten, historisierende Standuhren im Hof, davor ein kleines Pförtnerhäuschen – die Wohnanlage „Loft River“ gehört zu den besseren ihrer Art in Moskau. Ein wenig getrübt wird die Idylle des Komplexes im Bezirk Pokrowskoje-Streschnewo im Nordwesten Moskaus allenfalls durch das Betonwerk auf der anderen Straßenseite. Dass die Bewohner derzeit allerdings keinen ruhigen Schlaf finden dürften, liegt an einem anderen Umstand. Dem Bau fehlt die Genehmigung.

Im vergangenen Jahr hat die Umweltbehörde der Stadt Moskau festgestellt, dass es sich bei der Residenz „Loft River“ um einen Schwarzbau handelt. Auf dem Gelände befanden sich zuvor Lagerhallen aus dem Jahr 1970. Wie die Zeitung „Wedomosti“ berichtet, hatte der Eigentümer des Grundstücks lediglich die Genehmigung, diese Lagerhallen umzubauen. Die Nutzung als Wohnfläche war nicht gestattet, auch weil es sich um ein Naturschutzgebiet handelt.

Die betreffenden Lagerhallen waren längst abgerissen, als die Appartementhäuser in den Jahren 2011 und 2012 entstanden. Von einem Umbau kann also keine Rede sein, auch wenn die für Planung und Bau verantwortliche Firma Planeta-OWK, die sich als einen der „Pioniere des Loft-Stils in Russland“ bezeichnet, die Anlage auf ihrer Website als „rekon-
struierte Gebäude“ bezeichnet.

Abbruch bis April angeordnet

In der Folge reichten die Umweltbehörde und das Grundbuchamt beim zuständigen Bezirksgericht in Tuschino Klage ein gegen Planeta-OWK und zahlreiche Eigentümer der rund 140 Wohnungen. In erster Instanz wurde nun zum Schrecken der Bewohner am 18. Dezember entschieden, dass die Gebäude binnen einer Frist von drei Monaten abzureißen sind. Die Stadt gewährt den Eigentümern in solchen Fällen eine finanzielle Entschädigung, sofern diese kooperieren und den Abbruch selbst veranlassen. Doch damit ist hier kaum zu rechnen.

Schwarzbauten sind seit Jahren ein Thema in Moskau. Bürgermeister Sergej Sobjanin hat dem Wildwuchs 2015 den Kampf angesagt und in mehreren Wellen zahlreiche Bauten abreißen lassen. Als „Nacht der langen Schaufeln“ ging die erste Abbruchaktion am 9. Februar 2016 in die Stadtgeschichte ein. Betroffen waren vor allem Ladenzeilen rund um Metrostationen, Schaurma-Buden, Zeitungskiosks und Mobilfunkläden, auch einige Einkaufszentren waren darunter.

Die Bauten befanden sich, so die Stadtverwaltung, entweder über Metrotunnels oder Gas-, Wasser- und Strom- und Telefonleitungen und stellten somit eine Gefahr für die Sicherheit dar. Zudem wurde die Verschandelung der Stadt durch die oft billig gebauten Ladenzeilen hervorgehoben. Sobjanin selbst sagte damals, die Schwarzbauten seien nicht ohne korrupte Beamte denkbar gewesen, die Genehmigungen dafür erteilt oder weggesehen hätten.

In der ersten Abbruchnacht war es noch zu angespannten Situationen gekommen. Manche Besitzer und Mieter hatten ihre Gebäude nicht geräumt oder hatten sich gar darin verbarrikadiert. Die späteren Aktionen liefen geregelter ab, viele Eigentümer hatten sich für eine Kooperation mit der Stadtverwaltung entschieden. Manche erlangten jedoch auch einen juristischen Sieg über die Stadt und konnten ihre Immobilien behalten. Die jüngste Abbruchwelle fand erst im vergangenen Jahr statt.

Appartements noch immer im Angebot

Während es sich bei einem Großteil der abgerissen Gebäude um Buden und Ladenzeilen aus den späten 1990er und 2000er Jahren handelte, ist der Fall der hochklassigen Wohnanlage „Loft River“ doch eher außergewöhnlich und besonders dreist gegenüber denen, die sich dort ein Appartement gekauft haben.

Während heute der Abriss angeordnet ist, war die Anlage im Jahr 2013 noch in zwei Kategorien für den russischen Preis für Wohnimmobilien „RREF Awards“ nominiert. Die LER Group nennt sie noch immer prominent als Referenz und Wohnungen werden sogar noch immer zum Verkauf angeboten, wie ein Blick auf das Immobilienportal „Cian“ zeigt. Dort ist ein Appartement mit 51 Quadratmetern für 11,4 Millionen Rubel (etwa 165 000  Euro) zu haben. Ein Journalist des Online-Magazins „Nowyje Iswestija“ hat anonym bei der Maklerin angerufen und wegen des drohenden Abrisses nachgefragt. Alles sei in Ordnung, versicherte die und lachte. Sie arbeite schon seit vier Jahren mit dem Anwesen und schon immer ginge das Gerücht vom Abriss um. Doch sie verrate ihm ein Geheimnis: „Solange keine einfachen Leute in dem Haus leben, wird es keiner anfassen.“

In der Tat fanden sich die Gebäude schon vor Jahren auf einer Liste mit abzureißenden Schwarzbauten. Sie verschwanden dann jedoch wieder, was von der LER Group als Legalisierung angesehen wurde.

Das Magazin befragte den Rechtsanwalt Artur Ajrapetow, der sich mit Schwarzbau in Moskau befasst, zu dem Fall. Der hält es durchaus für denkbar, dass das Urteil in zweiter oder dritter Instanz aufgehoben wird. Auf jeden Fall stehe noch ein längerer Rechtsstreit an. Mit einem Abbruch bis April sei eher nicht zu rechnen. Ein Verfahren gegen den Bauherren LER Group läuft zudem noch.

Die Eigentümer schauen jedenfalls in eine ungewisse Zukunft.

Jiří Hönes

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