Ich habe meinen „Fünfer“ in den 90er Jahren gekauft. Das war eine üble Zeit damals, erinnern Sie mich bloß nicht daran! Man schaut zurück und es läuft einem kalt den Rücken herunter. Diese Armut, die Felder unbestellt, überall Banditen, meine Freunde gehörten auch dazu. Heute sind sie Geschäftsleute, aber gesessen haben sie alle. Manchmal kann man kaum glauben, dass das wirklich passiert ist und man mit dabei war. Es scheint Ewigkeiten her zu sein. Mit heute ist das überhaupt kein Vergleich.
Inzwischen fahre ich mit meinem Schiguli schon neun Jahre Taxi. Die Kollegen wundern sich, wie ich das mache. Aber das Auto leistet mir nach wie vor treue Dienste, toi toi toi. Beim Kilometerstand liegen wir bereits über 400.000.
Nächste Woche habe ich Urlaub, da wird das Wägelchen gehegt und gepflegt. Ein paar Teile werde ich auch auswechseln. Und schon ist es wieder wie neu. Mehr braucht es dafür nicht.
Das Beste an diesem Auto ist nämlich seine Anspruchslosigkeit. Es kann viel einstecken, was sich gerade bei unseren Straßen täglich auszahlt. Und wenn wirklich mal etwas kaputtgeht, dann kann absolut alles an Ort und Stelle repariert werden, in den meisten Fällen sogar ohne fremde Hilfe. So einfach ist die Konstruktion. Zudem gibt es die Ersatzteile einfach überall.
WAS-2105
Die Weiterentwicklung des ab 1970 produzierten WAS-2101 lief 31 Jahre vom Band: von 1979 bis 2010. Auch er beruhte auf dem Erfolgsmodell Fiat 124, wobei der Italiener allerdings schon 1985 aus der Fertigung genommen wurde. Mit 1,3-LiterHeckmotor und 69 PS bringt es der „Fünfer“ auf eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h. Im Inland als Schiguli angeboten und im Ausland als Lada (weil „Schiguli“ zu sehr nach „Gigolo“ klang), wurden von diesem russischen Volkswagen zwei Millionen Stück gebaut. WAS steht übrigens für Wolga-Automobil-Werk, jenen Pkw-Hersteller, der in den 60er Jahren in Kooperation mit Fiat in Togliatti entstand. Seit 1971 heißt er AwtoWAS.
Zu Hause habe ich auch noch einen Mitsubishi Lancer. Wenn der mal liegenbleibt, dann kann ich mich nur am Hinterkopf kratzen und den Abschleppdienst anrufen. Bei jeder noch so kleinen Sache geht es in die Werkstatt. Dann kommt es vor, dass Teile nicht vorrätig sind und bestellt werden müssen, wir leben hier in einer Kreisstadt, da gibt es nicht alles. Also heißt es: „In drei Tagen können Sie das Auto abholen.“ Und wie soll ich drei Tage ohne Auto auskommen?
Nee, da weiß ich schon zu schätzen, was ich an meinem Schiguli habe, bei allen Abstrichen. Klar ist er laut und mäßig bequem. Bei längeren Fahrten tut einem der Rücken weh. Die Sitze habe ich gleich gegen welche aus dem „Siebener“ ausgetauscht, im Armaturenbrett, dort, wo die Heizung war, ein Radio eingebaut. Auch das zeichnet diese Kutsche aus: Bastler haben nach dem Kauf sofort damit begonnen, sie umzurüsten und auf die eigenen Bedürfnisse zuzuschneiden. Sie bietet viel Raum für Fantasie, für Romantik, wenn Sie so wollen.
Wäre beim Hersteller in die Arbeit eingeflossen, was sich die Kunden so alles an Verbesserungen einfallen lassen haben, das hätte das beste Auto der Welt werden können. Stattdessen ist vieles auf dem Stand der 70er Jahre stehengeblieben, als die Produktion aufgenommen wurde, inspiriert vom Fiat 124, der irgendwann mal Europas Auto des Jahres war (1967 – die Red.). Die Türen schließen schlecht, oft gelingt es dem Fahrgast erst beim zweiten oder dritten Versuch. Und zwar nicht deshalb, weil das Auto so alt ist, sondern der Hersteller an den Türschlössern in all der Zeit nichts geändert hat. Aber ein paar Ecken und Kanten muss man bei „Retro“ schon in Kauf nehmen. Dafür fahre ich in Zeiten, wo sich die Autos immer ähnlicher werden, ein sehr spezielles Exemplar.