Russlands ungewöhnliche Maskottchen

Maskottchen sollen für Organisationen werben und auf Probleme aufmerksam machen. Die Wahl der kostümierten Vertreter ist gerne mal ungewöhnlich.

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Der berühmte Lebkuchen aus Tula klärt die Kinder in der Region über Gefahren auf. (Foto: Katastrophenschutzministerium des Gebiets Tula)

Der lebensrettende Lebkuchen

„Ich diene Russland“, hieß es Ende August beim Katastrophenschutz der Region Tula südlich von Moskau. So weit, so normal im Staatsdienst. Doch hier legte kein gewöhnlicher Berufsanfänger seinen Treueeid ab, sondern das neue Maskottchen der Katastrophenschützer. Und das sorgte für viel Kopfschütteln und Gelächter. Denn auf der Suche nach einem passenden Symbol für die Region entschied man sich für einen gigantischen Lebkuchen (prjanik auf Russisch). Der erhielt an seinem ersten Arbeitstag gleich mal die Medaille für seine Propagandaerfolge beim Brandschutz. „Eine Person mit solch einem ungewöhnlichen Aussehen muss Kinder lieben und sie ehren. Und ihnen viel Neues erzählen“, erklärte der Lebkuchen der Presse.

Und so zog er los, um in Schulen und Kindergärten auf die Gefahren von Feuer aufmerksam zu machen. Während sich Kinder gerne mit dem Süßgebäck fotografieren ließen, prasselte auf den Katastrophenschutz ein Shitstorm nieder. Einige regten sich über das Aussehen auf und andere beklagten, dass sich die regionale Spezialität an den Staat verkauft habe. Nachdem die Behörde heimlich alle Nachrichten über ihr neues Maskottchen löschte, erklärte sie auf Presseanfrage, dass der Lebkuchen trotz aller Häme weiter für die Sicherheit werben wird

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Durch die Wälder von Kaluga streift ein ungewöhnliches Wesen. (Foto: Parkverwaltung Kaluga)

Cochulja, der Ökoheld

Hand aufs Herz: Haben Sie schon mal etwas vom Russischen Desman gehört? Da geht es Ihnen wohl wie den meisten Russen. Anders ist es nicht zu erklären, dass der „Ökoheld“ des Gebiets Kaluga so lange unbemerkt blieb. Landesweite Aufmerksamkeit erregte die Maulwurfsart erst diesen Herbst, als „Chochulja“ (so der russische Name) öffentlich erklärte, mit seiner Arbeit noch nicht fertig zu sein.

Seit Dezember 2019 ist das Wesen unterwegs, um vor allem die Kinder zu mehr Umweltschutz zu bewegen. Kindergarten, Schule oder mitten im Wald – auf Instagram zeigt „Chochulja“ gerne, wo er die Menschen aufklärt. Auch in den YouTube-Videos des Umweltschutzministeriums seines Heimatgebietes ist das braune Ungetüm ein gern gesehener Gast. Dort muss er allerdings immer wieder Hater ertragen, die ihn wegen seines Aussehens mobben und von einer Gefahr für ihre Kinder sprechen. Doch davon lässt sich „Chochulja“ nicht beirren. Schließlich gibt es noch viel zu tun in Sachen Umweltschutz.

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Kaliningrad hat neuerdings eine (Beton-)Latte mehr am (Stadion-)Zaun. (Foto: instagram/ Stadiumkgd)

Edik, der Pfosten

Ein Maskottchen für ein Stadion? Das dürfte russlandweit einmalig sein. Ende Oktober präsentierte das WM-Stadion in Kaliningrad „Edik“ vor, einen Betonpfahl. „Er ist selbstbewusst, voller Entscheidungskraft und bereit, jeglichen Druck auszuhalten“. Man habe das ungewöhnliche Maskottchen gewählt, weil das Stadion auf 50 000 Pfählen errichtet wurde, erklärte „Ediks“ Schöpfer. Bei den Kaliningradern kam die Idee nur halb gut an, schließlich wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Baumängel offensichtlich. Das ficht die Designer nicht an. „Edik“ soll zukünftig die Stimmung des Publikums heben. Als Zielgruppe hat man junge Menschen ausgegeben. Für sie soll „Edik“ demnächst auf TikTok loslegen.

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Hummel mit Damen: In Lipezk hatte das Maskottchen Biss. (Foto: HK Lipezk)

Die Eishockey-Hummel „Scheka“

„Hummel, Hummel – Mors, Mors“ begrüßt man sich gerne mal in Hamburg. In der zentralrussischen Gebietshauptstadt Lipezk hätte vor ein paar Jahren die Abwandlung „Hummel, Hummel – ojemine“ Chancen auf eine Einbürgerung gehabt. Zumindest unter den Eishockeyfans. Denn die mussten sich fortan von einer riesigen Hummel namens „Scheka“ anfeuern lassen. Das wäre nicht so schlimm, hätte das mannsgroße Ungetüm nicht eine Visage, als sei es gerade vom Fight Club gekommen. Der Verein indes war stolz auf sein „männliches“ Maskottchen. Und hatte sich bei der Wahl extra Zeit gelassen. Letztendlich setzte sich „Scheka“ gegen einen Wolf, einen Bären und eine Flasche durch. Möglich, dass die drei Verlierer zu sehr für ganz Russland und zu wenig für Lipezk stehen


Bei der Präsentation – stilecht mit Cheerleaderbegleitung – sprach ein Lokalsender nüchtern davon, dass Russlands Eishockeyfans die Mannschaft aus Lipezk nun dank der Lichtgestalt erkennen würden. Angst haben trifft es wohl eher. Der erste Fan, der in das Kostüm schlüpfen durfte, erklärte schließlich, dass man ja in der Männerdomäne Eishockey den Gegner einschüchtern muss. Außerdem „findet man so etwas sonst nirgendwo“, meinte der Verein. Aus guten Gründen, möchte man meinen.

Apropos Sport. Zwei Jahre nach dem Auftritt der Aggro-Hummel wurden Fußballfans in Jekaterinburg Zeuge, wie im Mittelkreis ihres Stadions gigantische Mayonnaise-Packungen einen rituellen Tanz aufführten. Der sollte jedoch weniger die Mannschaft vorantreiben, als vielmehr die Zuschauer zum Kauf des kalorienreichen Geschmacksübertünchers motivieren.

Daniel Säwert

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