Gute Nachrichten aus Russland: Was kann das heute sein?

2019 ist nicht einfach nur ein neues Jahr in der Russlandberichterstattung. Es ist das Jahr eins nach der Fußball-WM, die wie zuvor bereits Olympia in Sotschi über Jahre internationale Aufmerksamkeit für Russland generiert hatte. Und nun? Welche Themen könnten dieses Informationsvakuum füllen und auch mal positiv besetzt sein? Das haben wir deutsche Journalisten und Journalistinnen in Russland gefragt.

Nein, das ist nicht Agenda der deutschen Russlandberichterstattung, nur eine Informationstafel in der russischen Provinz. © Tino Künzel

Phoebe Gaa, Leiterin des ZDF-Studios in Moskau

Ich finde nicht, dass es schwierig ist, in Russland positive Themen zu finden. Da braucht es keine sportlichen Großereignisse – nur ein bisschen Zeit, die uns Korrespondenten die aktuellen Nachrichtenentwicklungen leider nicht immer gönnen. Es gibt zum Beispiel zahlreiche Initiativen, in denen Russen sich für ihre Mitbürger engagieren, sowie eine junge russische Start-up-Szene, die ich unseren Zuschauern gern vorstellen möchte. Und natürlich die Klassiker: Hochkultur und wunderschöne Winterlandschaften. Beim ZDF bereiten wir zum Beispiel gerade eine Reportage über die Transsibirische Eisenbahn vor. Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen erstaunt, dass die Faszination für diesen Zug ungebrochen zu sein scheint. Umso gespannter bin ich, was diesen Mythos ausmacht – und ob die Transsib mich beim Dreh auch in ihren Bann zieht.

Maxim Kireev, freier Journalist

Da die Berichterstattung sich naturgemäß sehr aufs Politische konzentriert, denke ich, dass es tatsächlich eher wenig Anlässe für positive Themen geben wird. Was aus meiner Sicht bleibt, sind zum Beispiel Reisegeschichten. Oder solche Texte, bei denen es um die teils überraschende Fortschrittlichkeit auf einzelnen Gebieten geht. Ansonsten gibt es auch immer mal wieder russische Investments in Deutschland, wie etwa den Einstieg von Torgservis in den deutschen Einzelhandel gerade.

Hermann Krause, ehemaliger Leiter des Moskauer ARD-Hörfunkstudios

Moskau ist für mich eine hinreißende Stadt mit unendlich vielen spannenden Themen. In Deutschland herrscht leider ein völlig falsches Bild von Russland vor, weil die Berichterstattung über die Politik im Vordergrund steht. Da gelinde gesagt der russische Politikansatz ein völlig anderer als der deutsche ist, ist es leicht, Kritik zu üben. Aber jenseits der Politik gibt es viel Interessantes. Nur ein Beispiel: Russische Züge fahren pünktlich, sind sauber und zuverlässig. Die Deutsche Bahn hingegen kämpft täglich mit Verspätungen. Oder ein anderes Thema: Schriftsteller werden in Russland verehrt, die Wohnungen und Häuser, in denen sie gelebt haben, sind wunderbare Museen, die den Besucher zurückversetzen in eine andere Zeit. Oder: Die Fähigkeit der Russen, selbst mit den widrigsten Wetterbedingungen umzugehen! Oder: Die Gastfreundschaft, die nach wie vor großgeschrieben wird! Oder: Dass man sich gegenseitig einlädt, ins Konzert, ins Ballett, ins Theater! Oder: Dass so viele verschiedene Nationen in Moskau leben, etwa Armenier, Aserbaidschaner und Usbeken! Sie bereichern die Märkte, die Restaurants, sie machen das  Leben bunt. Die russische Hauptstadt ist ein faszinierender Schmelztiegel. Positive Themen gibt es genug, in Moskau liegen sie auf der Straße!

Martina Wiedemann, freie Journalistin, Trainerin und Radiomoderatorin

Was gut und wichtig ist, wie ich glaube, sind Berichte über Unternehmen in Russland, die sich die Situation mit den Sanktionen zunutze machen. In der Käse­industrie gibt es zwar einige Scharlatane, aber auch viele junge Unternehmer, die etwas Gutes bewirken in ihrem Land. Außerdem ist da noch diese Dame in Jakutsk (Anm. d. Red.: Bürgermeisterin Sardana Awksentewa), die etwas gegen die bei den Russen meistverhasste Kaste, die korrupten Beamten, unternimmt. Jetzt im Winter findet zudem noch die Snow Show von Pawel Polunin in Moskau und St. Petersburg statt, ein wahrlich sagenhaftes Spektakel aus Zirkus und Kabarett. Darüber sollte wirklich mal berichtet werden!

Sabine Stöhr, Korrespondentin im Moskauer ARD-Hörfunkstudio

Tatsächlich musste ich einen Moment überlegen, um auf die Frage nach Schönem zurzeit in Russland antworten zu können. Denn sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Situation sorgen jeweils für negative Nachrichten. Es lohnt sich aber immer, auf die russische Kultur zu schauen! Auf die klassische wie auf die moderne. Es gibt tolle und originelle Theater- oder Ballettvorstellungen und in den Bann ziehende Ausstellungen. Sie lassen uns einen anderen Blickwinkel auf Dinge oder Zusammenhänge einnehmen. Das kann Menschen miteinander verbinden helfen. Darüber lässt sich viel Schönes berichten.

Lena Steinmetz, Kommunikationsabteilung der AHK, verantwortlich für deren Magazin „Impuls“

Da wir uns speziell auf die Wirtschaft konzentrieren, werden wir definitiv über die Sanktionen und ihre Auswirkungen berichten. Diese sind oberste Priorität. Die Sanktionen haben in den letzten Jahren viele russische Unternehmen motiviert, Ersatzprodukte zu finden, vor allem im landwirtschaftlichen Bereich wird mehr produziert. Dieser Trend wird anhalten. Selbst wenn die Sanktionen irgendwann enden, werden die Angebote aus dem Ausland nicht unbedingt sofort wieder angenommen.

Zusammengestellt von Lena-Marie Euba.

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