Neue Sicht auf den Kreml

Der Kreml ist der große Schatz von Rostow Welikij, einer zauberhaften Kleinstadt zwischen Moskau und Jaroslawl. Aber um ihn herum gibt es noch viele Schätzchen. Der Stadtwall hat sogar eine gemeinsame russisch-holländische Geschichte. Nun soll er in einem millionenschweren Projekt für Besucher ausgebaut werden.

Wie viele Türme und Kuppeln zählen Sie hier? Der Kreml von Rostow ist ein himmlisches Stück altes Russland. (Foto: Tino Künzel)

Für Jan Cornelius van Rodenburg wird es wohl ein gewöhnlicher Auftrag gewesen sein. Allenfalls der Auftraggeber war alles andere als gewöhnlich: Kein Geringerer als der russische Zar Michail Romanow lud den Ingenieur aus Amsterdam im 17. Jahrhundert ein, rund um Rostow herum einen Erdwall anzulegen, um eine der ältesten und zu jener Zeit bedeutendsten Städte der Rus vor Angriffen zu schützen. Der Holländer brachte das Know-how von ähnlichen Verteidigungsanlagen in seiner Heimat mit. Der Wall wurde von 1632 bis 1634 gebaut. Auf 1,8 Kilometern Länge umschließt er in einem Zickzackmuster die gesamte Altstadt und hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Die Gräben sind teils bis heute mit Wasser gefüllt. Das macht die Anlage zu einer der am besten erhaltenen ihrer Art und zu einem Stück gemeinsamer russisch-holländischer Geschichte.

Dieses Erbe soll nun auch gemeinsam gepflegt werden. Dafür haben beide Seiten das Projekt „Holländische Festung in einer russischen Stadt“ aufgelegt. Daran beteiligen sich unter anderem das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft der Niederlande, die niederländische Botschaft in Russland, Vertreter der 30.000-Einwohner-Stadt Rostow und ihrer Hauptsehenswürdigkeit, des prächtigen Kremls, der heute ein vielbesuchtes Museum ist.

Für knapp 60 Millionen Rubel (etwa 660.000 Euro) soll der Stadtwall für Touristen erschlossen werden und ihnen ganz neue Blickwinkel eröffnen. Begehbar war der Wall zumindest teilweise auch bisher schon, ohne dass dafür irgendwelche Voraussetzungen geschaffen wurden. Gerade jetzt im Winter erfreut er sich zumindest an manchen Stellen als Rutsch- und Rodelbahn großer Beliebtheit. Besucher lassen die Erdwälle meist links liegen, es sei denn, sie sind auf deren Trampelpfade angewiesen, um beispielsweise zum Nero-See zu gelangen, an den Rostow grenzt und der an trüben Wintertagen den Eindruck eines Meers vermittelt, weil das gegenüberliegende Ufer nicht zu sehen ist.

Nun soll der Wall geradezu zu einer neuen Attraktion von Rostow werden, mit einem Wegenetz, mit Treppen, Aussichtspunkten und Hinweistafeln. Vielleicht bleiben die Touristen ja dann auch etwas länger in dieser gemütlichen Kleinstadt und wollen nach der Besichtigung des Kremls nicht gleich weiter zu anderen sehenswerten Orten in der Nähe wie beispielsweise Jaroslawl oder Pereslawl-Salesskij.

Tino Künzel

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