Orte, an denen nur die Zeit zählt: Fünf Anti-Cafés, die einen Besuch wert sind

Anti-Cafés sind aus Moskau nicht mehr wegzudenken. Inzwischen gibt es Nachmacher in fast allen europäischen Großstädten. Doch welche Anti-Cafés stechen besonders hervor, in der Stadt, in der der Trend 2011 begann? Wir haben den Test gemacht.

Café

Gemütliches Beisammensein bei Gitarre und Wasserpfeife im Wooden Door /Foto: Daniel Säwert

Treffpunkt für Brettspielfreunde, Heißgetränkespender für Sparfüchse, alternatives Wohn- oder Arbeitszimmer oder der perfekte Ort für Verabredungen. Anti-Cafés werden vielseitig genutzt. Das Prinzip, man zahlt für die Zeit, die man dort verbringt, ist überall gleich. Alles andere unterscheidet sich jedoch.

Tag und Nacht: Das Wooden Door

Ein echtes Moskauer Original ist das „Wooden Door“. Ein bisschen versteckt in einem Hinterhof zwischen den Metrostationen Tschistyje Prudy und Lubjanka ist es vor allem Anlaufstation für junges, internationales Publikum. Das merkt man insbesondere an den Öffnungszeiten: Bis sechs Uhr morgens gehen hier die Kaffeespezialitäten über die Theke. Eine große Auswahl an Süßigkeiten steht im Regal bereit.

Wie es im Anti-Café so üblich ist, muss man dafür natürlich nicht bezahlen. Anders ist es beim Bier, das im Wooden Door in ambitionierten 0,6 Liter Krügen serviert wird: Ein Alleinstellungsmerkmal des Anti-Cafés, das sich selbst lieber „Anti-Pub“ nennt. Beschäftigungsmöglichkeiten bietet neben zahlreichen Brettspielen der rund um die Uhr nutzbare Tischkicker. Für zwei Rubel pro Minute (drei Cent) kann man hier schon mal einen Abend lang verweilen. Das „Wooden Door“ gehört zu den günstigeren Adressen in Moskau. Geöffnet ist täglich ab 12 Uhr bis Mitternacht. Freitags und sonnabens bis 6 Uhr.

Wooden Door

Miljutinskij pereulok 6

Metro Tschistyje Prudy, Lubjanka

www.wdndoor.com

Spielmarathon: Das Seljonaja dwer

Eher für einen gemütlichen Spielenachmittag gedacht ist das Anti-Café „Seljonaja dwjer“.  Die namensgebende Tür führt einen bereits auf die Terrasse des Cafés. Hier ist  im Sommer eine Tischtennisplatte aufgebaut. Es gibt zwei Innenbereiche in unterschiedlichen Gebäuden. Ist der Hauptraum zu gut besucht, kann man in den anderen Raum ausweichen. Die Sofas und Sitzsäcke sind erfahrungsgemäß sehr schnell vergriffen. An Brettspielen gibt es so ziemlich alles: vom zeitraubenden Monopoly bis zum schnellen Uno. Besonders beliebt sind kommunikative Denkspiele, wie das typisch russische Imaginarium oder Concept. Aber auch Klassiker wie Jenga, den Holzturm, den man nicht zum Einsturz bringen darf, sind beliebte Anti-Café-Spiele. Je länger man bleibt, desto niedriger wird der Preis pro Minute. Das „Seljonaja dwjer“ hat rund um die Uhr geöffnet.

Seljonaja dwer

Miljutinskij pereulok 19/4

Metro Tschistyje Prudy, Turgenewskaja

www.zdver.com

Heißgetränke-Kompositionen: Jeffrey’s Coffee

Nicht ganz so viele Brettspiele, dafür aber eine große Auswahl an Kaffeevariationen erwarten einen in „Jeffrey’s Coffee“. Möchte man alle Kompositionen von Kürbis- über Gewürz-Latte bis zum klassischen Cappuccino durchprobieren, sollte man ein wenig Zeit einplanen. Ohnehin eignet sich das Anti-Café nicht für einen schnellen Kaffee. Vielmehr kann man sich als Student oder Berufstätiger, der schon zu lange am eigenen Schreibtisch gesessen hat, mit eigenem Laptop und frisch aufgebrühtem Heißgetränk in eine gemütliche Ecke verkriechen. Sollte man sein Frühstück vergessen haben, kann man sich auch mit etwas Nahrhafterem als Keksen stärken. Zum kostenlosen Angebot zählen hier auch Toast, Butter und Marmelade.

Jeffrey’s Coffee

mehrere Filialen in Moskau

www.jeffreys.ru

Die Zeit ist stehen geblieben: Café Ziferblat

Das Café „Ziferblat“ darf mittlerweile in keinem guten Reiseführer mehr fehlen und ist daher beliebter Anlaufpunkt für Touristen. Das heißt aber nicht, dass keine Einheimischen hierhin kommen. In Moskau gibt es zwei Standorte. Besonders hervorzuheben ist das Café auf der Twerskaja Uliza. Im zweiten Stock ist es hier auf den Gängen zwar etwas eng, aber dafür entschädigt das Ambiente. Über kleine Treppen gelangt man in verwinkelte Räume mit Bücherregalen und zeitlosen Sesseln, die an Großmutters Dachboden erinnern. Irgendjemand sorgt immer für angenehme Klaviermusik, die die gemütliche Atmosphäre unterstreicht.

Als Symbol dafür, dass hier die Zeit zählt, bekommt jeder Gast einen alten Wecker, den man sich mit an den Platz nehmen soll. Zeit und Name werden aufgeschrieben, um den Preis zu ermitteln, also haben die alten Wecker eigentlich keine Funktion. Wie die vielen anderen Einrichtungsgegenstände hier repräsentieren sie jedoch eine Zeit, in der digitale Hektik noch ein Fremdwort war. Geöffnet hat das „Ziferblat“ täglich bis Mitternacht.

Ziferblat

Twerskaja uliza 12/1

Metro Twerskaja, Puschkinskaja

www.ziferblat.net

In aufdringlicher Gesellschaft: Katzencafé Kotofejnja

Zu den Anti-Cafés zählen auch die vielen in Moskau befindlichen Katzencafés, in denen sich der Genuss von Heißgetränken mit dem Verteilen von Streicheleinheiten kombinieren lässt. Die vielen Katzen, die ständig um einen herumschleichen, müssen natürlich versorgt werden. Dementsprechend sind die Minutenpreise im Katzencafé ungefähr drei Mal so teuer wie andernorts. Wen das nicht stört, der kann hier alles tun, was man in einem anderen Anti-Café auch kann: Kakao mit Marshmallows trinken, Brettspiele spielen, lernen, arbeiten oder quatschen. Alles in schnurrender Gesellschaft. Schwierig gestaltet sich diese Gesellschaft allerdings, wenn man sich dazu entschließt, die Keksdose zu öffnen. Dann könnte es passieren, dass selbst die schläfrigste Katze gierig wird und ihren begehrten Kratzbaum  gegen einen Schoßplatz in Reichweite des Gebäcks eintauscht. Die haarige Gesellschaft kann man täglich bis 22 Uhr genießen.

Kotofejnja

Uliza Marosejka 10/1

Metro Kitaj-Gorod

www.catcoffeeshop.ru

Nico Tielke

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