„Nicht gegen das russische Volk“ – Eine junge Georgierin über ihr Verhältnis zu Russland

Bei allen politischen Spannungen – wie denken eigentlich die Georgier über ihr großes Nachbarland und dessen Bürger? Eine junge Georgierin, die selbst im Sommer an den Demonstrationen in Tiflis teilgenommen hat, schildert uns ihre Sicht. Tamuna (26) ist Studentin und arbeitet nebenbei als Touristenführerin.

Tamuna auf der Friedensbrücke in Tiflis © Privat

Ich bin Tamuna und bin 26 Jahre alt. Ich wurde in Dranda, einem Dorf in der Nähe von Sochumi in Abchasien, geboren. Kurz nach meiner Geburt mussten meine Eltern wegen des Kriegs aus Abchasien fliehen. Unsere Heimat ist bis heute von Russland besetzt und wir können nicht dorthin zurück. Meine Familie lebt heute in Tiflis und es geht uns gut. Aber natürlich haben vor allem meine Eltern Sehnsucht nach Abchasien. Wir freuen uns immer, wenn wir Bilder von dort sehen und träumen oft davon.

Neben meinem Studium arbeite ich als Fremdenführerin, vor allem für polnische Touristen, denn ich spreche unter anderem Polnisch. Ich mag diese Arbeit, denn ich kann meinen Gästen von unserem Land erzählen, Interessantes und Faszinierendes aus der georgischen Geschichte, alles was unser Land und unser heutiges Leben prägt. Ich mag Georgien und es bereitet mir immer große Freude, es ausländischen Gästen vorzustellen.

Ich freue mich über jeden, der unser schönes Land besucht, egal woher er kommt. Am Ende sind wir alle nur Menschen! Ich respektiere jede und jeden, wir sind alle gleich, unabhängig von der Hautfarbe, der Religion oder der Herkunft. Trotz der Situation mit meiner Heimat mag ich die Russen und Russland. Ich habe Russisch in der Schule gelernt und ich habe selbst Freunde und Verwandte von dort. Wir haben ein gutes Verhältnis und sprechen normalerweise nicht über Politik. Ich bin der Meinung, dass uns das nichts bringen würde.

Ich bin immer aufgeschlossen, neue Leute aus Russland kennenzulernen und es freut mich, dass so viele Russen nach Georgien reisen. Dass die russische Regierung die Flüge nach Georgien verboten hat, fand ich schlimm. Ich find es moralisch einfach nicht in Ordnung, wenn der Staat entscheidet, welche Länder seine Bürger besuchen sollen und welche nicht. Mir tun die Russen leid dafür. Das geht meiner Meinung nach gar nicht!

Natürlich kamen dadurch diesen Sommer weniger Touristen aus Russland nach Georgien. Aber es schadet uns nicht. Wir haben viele Gäste aus anderen Ländern. Es kommen immer mehr Leute aus Europa und wir bringen unsere touristische Infrastruktur nach und nach auf europäisches Niveau. Auch für ein zahlungskräftiges Publikum.

Ja, ich war auch bei den Demonstrationen im Sommer dabei. Wir haben gegen die imperialistische Politik Russlands demonstriert, nicht gegen das russische Volk – das ist mir sehr wichtig! Trotz der schwierigen politischen Situation zwischen unseren Ländern glaube ich ehrlich, dass wir eines Tages wieder ein gutes freundschaftliches Verhältnis haben werden.

Das Gespräch führte Jiří Hönes.

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