Mit Beethoven im Gepäck

Im Alter von acht Jahren kam er nach Deutschland, wurde in Österreich ausgebildet und sorgte in Israel für Furore: Igor Levit führt ein Leben zwischen den Welten. Nun gab der Klassikpianist ein Konzert in seinem Geburtsland.

Nach über 20 Jahren wieder in Russland: der Pianist Igor Levit /Foto: Jelena Karpenko

Für die „New York Times“ ist er der Pianist des Jahrhunderts, Kritiker nennen ihn den Joseph Brodsky am Flügel: Igor Levit füllt die Konzertsäle in Amerika und Europa. Ende Januar trat der deutsche Musiker mit russischen Wurzeln nun im Moskauer Konzertsaal „Sarjadje“ mit Beethovens 5. Klavierkonzert auf.

Rückkehr nach zwei Jahrzehnten

Es war erst das zweite Konzert des Musikers in seinem Heimatland. Sein Moskauer Debüt gab der in Nischnij Nowgorod geborene Virtuose schon einen Monat vorher. Zuvor hatte er über 20 Jahre lang keinen Fuß nach Russland gesetzt. „Seit der Ausreise mit meinen Eltern im Jahr 1995 war ich nicht mehr hier“, erklärt Igor Levit. Besonders vorbereitet habe er sich jedoch nicht. „Ich kann nicht sagen, dass ich mir vor meiner Rückkehr große Sorgen gemacht hätte. Aber für mich war es tatsächlich ein wichtiger Moment!“

An das Leben vor seiner Ausreise kann sich Igor Levit nur noch in groben Zügen erinnern. So habe er beispielsweise in Nischnij Nowgorod mit seiner Mutter, einer Lehrerin am städtischen Konservatorium, Konzerte besucht. Außerdem sei er in der Stadt an der Wolga zur Schule gegangen. Doch nach den ersten zwei Klassen war schon Schluss. „Die Schulzeit ist völlig aus meinem Gedächtnis verschwunden“, entschuldigt sich der Musiker. „Anscheinend war der Umzug nach Deutschland für mich ein so wichtiges Ereignis, dass er alles überschrieben hat, was bis dahin geschehen ist.“

Verliebt in die deutsche Sprache

Die ersten Jahre in Deutschland seien schwierig gewesen, vor allem für seine Eltern. „Meine Mutter und mein Vater mussten ihr komplettes Leben von Null an aufbauen“, sagt Levit. Für ihn sei der Umzug dagegen eher ein Abenteuer gewesen. „Ich habe mich sofort in die Sprache verliebt!“

Entdeckt wurde Igor Levit von dem schwedischen Musiker Hans Leygraf. Der Pianist und Dirigent lud den begabten Nachwuchspianisten an die traditionsreiche Salzburger Musikschule Mozarteum ein. Später setzte Igor Levit seine Ausbildung am Konservatorium in Hannover fort. 2005 machte er mit einem glänzenden Auftritt in Tel-Aviv international auf sich aufmerksam.

Russe, Deutscher – oder Stuhl?

Mittlerweile ist Igor Levit in der Welt der klassischen Musik weit bekannt und wird immer wieder mit einer Frage gelöchert. „Fühlen Sie sich als Russe oder als Deutscher?“, wollen die Journalisten wissen. „Ich habe die Frage so satt, dass ich mich gar nicht mehr darüber ärgere“, erzählt Levit. „Aber einmal habe ich geantwortet, dass ich mich als Stuhl fühle!“ Er wolle sich in keine Rahmen zwängen lassen. „Ich fühle mich als Pianist und das ist völlig ausreichend!“

Levit beherrscht Stücke von Sergej Rachmaninow und Johann Sebastian Bach ebenso gut wie Etüden von Franz Liszt. Am meisten begeistert er sich aber für Ludwig van Beethoven. So spielte der Pianist ein Album mit den letzten Sonaten Beethovens ein, das enthusiastisch aufgenommen wurde. Außerdem wurde seine Interpretation der sogenannten Diabelli-Variationen des Meisters von Kritikern hoch gelobt. Im Jahr 2017 wurde der Künstler mit dem Beethoven-Ring des Bonner Kulturvereins „Bürger für Beethoven“ geehrt.

Erst Moskau dann Nischnij Nowgorod

Seine ersten Auftritte in Russland behalte er in guter Erinnerung, erzählt Igor Levit. Er wolle bald wiederkommen. Für den Juni sei bereits ein Konzert mit dem Sinfonieorchester der Sankt Petersburger Philharmonie geplant. „Erst Moskau dann Petersburg“, sagt der Musiker. „Und irgendwann spiele ich in Nischnij Nowgorod!“

Jelena Karpenko

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