Kunst für alle? Eine Galerie setzt auf Kopien

Vor einem Originalkunstwerk zu stehen, gilt manchem als Highlight eines Urlaubs. Immer öfter werden aber ganze Ausstellungen mit Reproduktionen gefüllt, so auch eine Monet-Schau im Moskauer Baumann-Garten. Das soll den Zugang zu Kunst demokratisieren.

Eine Besucherin betrachtet Kopien der Gemälde Claude Monets bei einer Ausstellung im Moskauer Baumann-Garten.
Orinial oder Kopie? Nicht immer ist das offensichtlich. (vystavkamone.ru)

In den Kunstgalerien dieser Welt ist einem nicht immer bewusst, dass man teilweise vor Reproduktionen steht. Erst ein Blick auf die Beschreibung verrät es. Museen zeigen sie, um die empfindlichen und wertvollen Originale vor Umwelteinflüssen wie Licht zu schützen oder um bei Leihgaben keine Lücken in der Ausstellung entstehen zu lassen. Auch in der Debatte um die Rückgabe von kolonialer Raubkunst wurde etwa im „Tagesspiegel“ argumentiert, dass statt der Originale im globalen Norden zukünftig Vervielfältigungen zu sehen sein könnten.

Dennoch gelten Reproduktionen vielen weiterhin als verpönt. Die Originale seien authentisch, die Pinselstriche werden konzentriert studiert, die Bilder zum kulturellen Erbe gezählt. Wer sie anschauen möchte, braucht dafür nicht nur den dazugehörigen Ha­bitus, sondern auch den passenden Geldbeutel. Denn die Bilder eines einzelnen Künstlers sind im globalisierten Kunstmarkt weit verstreut.

Kopien-Schau mit Bildungsanspruch

So beispielsweise die Werke Claude Monets. Diese werden noch bis 20. Februar in der Ausstellung „Claude Monet. Die Magie des Wassers und des Lichts“ im Moskauer Baumann-Garten gesammelt als Reproduktionen gezeigt. Kann das funktionieren, eine gesamte Ausstellung mit Reproduktionen?

Es ist Freitagvormittag und die Galerie ist gut besucht. Das Publikum steht vor den Drucken, diskutiert, liest die Beschreibungen der einzelnen Bilder. „Ich habe zwar kein besonderes Kunstwissen“, verrät eine Frau, „aber mir gefallen die Farben bei Monet. Hier kann ich einmal die Ausstellung besuchen, gleich alle Bilder sehen und über den Künstler lernen.“ Tatsächlich bietet die Ausstellung viele Details an. Statt nur Titel und Entstehungsjahr zu nennen, sind alle Gemälde mit langen Erklärungen über Inspiration und Gedanken des Künstlers versehen. Der Bildungsaspekt der Ausstellung ist den Kuratoren also gelungen.

Große Nachfrage nach zugänglicher Kunst

„Aber auch die künstlerische Seite ist stark“, so der Kurator Maxim Paweljew. Die Reproduktionen werden im Giclée-Verfahren gedruckt, bei dem Tinte mit besonders hoher Farbintensität und vielen Abstufungen verwendet wird. Im Gegensatz zu gemalten Nachahmungen soll so eine exakte Reproduktion des Bildes entstehen. Auch die Risse in der Farbe des Originals bleiben im Druck erhalten. Für manche Gemälde Monets scheint das tatsächlich recht gut zu funktionieren, die Farben wirken echt. Bei anderen wiederum fehlt die Tiefe, die Drucke spiegeln das Licht, die charakteristischen Pinselstriche fehlen. An die Originale oder handgemalten Nachahmungen kommen die Reproduktionen nicht immer heran. Wenn das aber nicht der Anspruch ist, ist man in Ausstellungen dieser Art bestens aufgehoben.

„Wir haben viele Jahre individuelle Aufträge für Reproduktionen bedient und festgestellt, dass es einen Bedarf dafür in vielen Städten in Russland gibt. Nicht jeder kann sich die Reisen leisten, um die Originale zu sehen“, erklärt Paweljew. Da man in Russland große Begeisterung für hohe Kunst aufbringt, sind auch die Kopien beliebt. Durch das anhaltende Interesse an der Ausstellung sieht er diesen Eindruck bestätigt. Das Zeigen von Reproduktionen dürfte die Gemälde einem breiteren Publik zugänglich machen. Ob das die Kunst demokratisieren wird? „Wir hoffen es.“

Sophia Othmer

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