Königliche Narren: Idole des Punk, die keine sein wollten

Seit Anfang März läuft auf der russischen Streaming-Plattform Kinopoisk eine Serie über die Kult-Punker von „Korol i Schut“ (König und Narr) aus St. Petersburg. Was hat die 2014 aufgelöste Band zur Legende gemacht?

Die Punker von „Korol i Schut“ 2011 beim Festival „Rock an der Wolga“ in Samara (Foto: Wikimedia Commons)

Schon der Trailer zur Serie „Korol i Schut“, die von ihren Machern als „Punk-Märchen“ bezeichnet wird, sorgte für kontroverse Diskussionen unter Fans. Während die einen skeptisch waren, dass die Geschichte dieser prominenten Gruppe überhaupt in nur acht Episoden zu je 50 Minuten erzählt werden kann, und zudem Zweifel an der Schauspielkunst der Darsteller laut wurden, insbesondere im Hinblick auf Frontmann Michail „Gorschok“ Gorschenjow, fühlten sich andere vor allem an die 2000er Jahre erinnert und an das, was die Band und ihre Musik damals für sie bedeuteten. Für Jüngere ist die Serie zudem eine tolle Möglichkeit, sich mit der Gruppe näher bekannt zu machen, die von 1988 bis 2014 bestand.

Sänger mit 39 Jahren gestorben

Inzwischen sind die ersten Folgen gezeigt und vor allem Hauptdarsteller Konstantin Plotnikow fliegen die Herzen zu. Er ähnelt nicht nur äußerlich dem 2013 mit 39 Jahren an Herzversagen verstorbenen Gorschenjow, sondern hat sich auch dessen Stimme und Sprechweise zu eigen gemacht. Am Set waren Ex-Kollegen von Gorschenjow anwesend. Bandmitglied Andrej Knjasew, Autor der meisten Songs, gehört zu den Produzenten.

Die Serie ist keine Dokumentation. Sie umfasst nicht die komplette Bandgeschichte von den ersten Auftritten in St. Petersburger Rockclubs bis zum letzten Konzert beim Rockfestival „Naschestwije“, keine zwei Wochen vor Gorschenjows Tod. Sie motiviert allerdings dazu, dokumentarisches Material in öffentlich zugänglichen Quellen anzusehen und sich so ein eigenes Bild von der Gruppe und ihrem Innenleben zu verschaffen.

Wie alles anfing

Obwohl es Studien und wissenschaftliche Artikel zur Geschichte des Punk im postsowjetischen Russland gibt, erscheint es seltsam, sich der Subkultur auf diese Art und Weise zu nähern. Stattdessen sind Interviews, in denen sich die Beteiligten an jene Zeit erinnern, eine viel spannendere Quelle. Ein besonders kultiges Buch über „Korol i Schut“ stammt von Alexander „Balu“ Balunow, dem ehemaligen Bassisten der Band. Er war ein Mitschüler von Michail Gorschenjow und Alexander „Porutschik“ Schtschigoljew, dem zukünftigen Schlagzeuger. Zusammen gründeten sie ihre erste Band „Kontora“.

Später ging Gorschenjow zur Restaurierungsschule und lernte dort Andrej Knjasew kennen. Diese Begegnung veränderte den Stil der Gruppe und sie wählten einen neuen Namen – „Korol i Schut“ (König und Narr). Nach dem Studium arbeiteten die Jungs als Restauratoren in der Eremitage und durften sich dort einen Übungsraum einrichten.

Lieder aus dem Gruselkabinett

Was aber zeichnete die Gruppe nun aus? Ihre Lieder sind oft abgeschlossene fantastische oder mythologische Geschichten, in denen sich Begeisterung und Verzweiflung, Bewunderung und Schrecken vermischen. In den Songs wimmelt es nur so von Vampiren, Hexen, Meerjungfrauen, Goblins, Waldgeistern, Nekromanten, bösartigen Großvätern und Zombies, wobei es den Zuhörern überlassen bleibt, sich diese Helden vorzustellen. Musikvideos hat die Band zu jener Zeit keine gedreht. Wegen der Schauergeschichten in den Liedtexten wurde „Korol i Schut“ gelegentlich im Genre Horror-Punk angesiedelt. Doch Gorschenjow hat sich zeitlebens gegen solche Schubladen gewehrt. Punk bedeute, Regeln und Kategorisierungen zu brechen, sagte er.

„Korol i Schut“ debütierten in St. Petersburger Clubs, darunter dem „TamTam“. Alexander Balunow beschreibt diesen Club als Ort, an dem sich Menschen unterschiedlicher Couleur trafen: Skinheads, Rastafaris, Punks und andere feierten zusammen, ohne dass es zu Konflikten kam. Von ihrer Musik konnten die Bandmitglieder damals noch nicht leben. Um bessere Instrumente zu kaufen und qualitativ hochwertigere Aufnahmen zu machen, arbeiteten sie nebenbei als Briefträger, Fräser oder Maler.

Fans als Gleichgesinnte

Als ihre Lieder erstmals im Radio gespielt wurden, war das für sie ein Ereignis. 1993 folgten dann erste Auftritte in Moskau sowie das erste Studioalbum unter dem Titel „Wahrer Mörder“.

Und so ging es weiter: Konzerte, immer neue Alben und Einladungen zu Festivals. Trotz steigender Popularität reagierten die Musiker verärgert, wenn sie als Stars bezeichnet wurden. Das passte ganz und gar nicht zum Punk-Lifestyle, den sie verkörpern wollten. Ihre Fans betrachteten sie nicht als Publikum, sondern als Gleichgesinnte.

In Interviews nahm sich Gorschenjow gern Zeit, um über Musik zu philosophieren und die Werke von Anarchisten wie Bakunin und Kropotkin zu besprechen. Dabei neckte er die Journalisten, fluchte ab und zu, blieb aber stets charmant, höflich und ehrlich.

Während „Korol i Schut“ 2011 an einer Rockoper arbeiteten, verließ Andrej Knjasew die Band, um ein Soloprojekt namens „KnjaZz“ zu verfolgen. Nach dem Tod von Gorschenjow gründeten die restlichen Bandmitglieder eine neue Gruppe, die „Sewerni Flot“ heißt. Mit „Korol i Schut“ will sie nicht verglichen werden. Das wäre auch zwecklos. Denn die Punk-Legende ist unvergleichlich.

Maria Bolschakowa

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