
„Kasachstan verblüfft durch seine vielfältige Natur: Berge und Schluchten, Wüsten und Steppen, Seen und Wälder.“ „Das Land ist nicht überfüllt mit Touristen. An bestimmten Orten kann man unberührte Natur genießen. Man ist nicht ständig von Tausenden von Touristen umgeben.“ „Es gibt dort viel kennenzulernen – die Nomadenkultur der Kasachen, Jurten, die kasachische Küche, Städte der Großen Seidenstraße, interessante Geschichte.“ „Über die kasachische Gastfreundschaft lassen sich Loblieder schreiben.“
„Europäer, die sich für den Tourismus interessieren, fangen früh an, und es gibt nur wenige unerforschte Orte für sie. Und Kasachstan ist etwas Neues. Reisebüros in Deutschland haben damit begonnen, die ersten Touren anzubieten, und es sind die Neuheit und die unerforschte Natur Kasachstans, die sie anziehen.“ „In Euro umgerechnet, ist Kasachstan für deutsche Touristen ein günstiges Land. Deutsche Touristen reisen gerne in solche Länder, in denen sie sich für ihren Euro viel mehr leisten können als in Europa.“ „Für Touristen, die das Abenteuer lieben, wäre Kasachstan eine gute Gelegenheit.“
Dies sind nur einige der Aussagen von Deutschen, die im Rahmen einer Umfrage für die Kursarbeit „Kasachstan als Reiseziel für deutsche Touristen“ gesammelt wurden. Insgesamt haben 15 Personen im Alter zwischen 32 und 61 Jahren daran teilgenommen. Die Befragten lassen sich in drei Gruppen einteilen: gebürtige Deutsche, die Kasachstan bereits hauptsächlich aus beruflichen Gründen besucht hatten, Deutsche, die das Land noch nicht kannten, aber schon etwas davon gehört hatten, und ehemalige Kasachstandeutsche, die heute in Deutschland als Spätaussiedler leben.
Was sagt die Statistik?
Deutschland nimmt beim Einreisetourismus in Kasachstan einen besonderen Platz ein und gehört zu den führenden Ländern, was die Zahl der Touristen angeht. Dies ist auf historische, politische wirtschaftliche, kulturelle und humanitäre Gründe zurückzuführen. Trotzdem ist die Zahl der deutschen Touristen gering. Im Jahr 2018 waren es etwa 101 000 von 610 000 Touristen aus Nicht-GUS-Ländern. Im Jahr 2023 kamen 85 000 Touristen aus Deutschland nach Kasachstan. Insgesamt besuchten in diesem Jahr etwa eine Million Touristen aus Nicht-GUS-Staaten das Land. Zum Vergleich: Nach Russland kamen in den gleichen Jahren 451 400 bzw. 55 800 Deutsche.
Es gibt keine genauen Statistiken über die Struktur des Einreisetourismus aus Deutschland. Der Hauptanteil erwächst zweifelsohne aus Verwandtenbesuchen ehemaliger Kasachstandeutscher. Einige von ihnen verbinden eine Gastreise mit dem Besuch von Erholungsgebieten und Nationalparks. Es gibt aber auch solche, die sich auf den Besuch ihrer Verwandten beschränken, was auf die geringe Informiertheit der einreisenden Besucher und ihrer Verwandten in Bezug auf die touristischen Produkte der Regionen und des Landes zurückzuführen ist. Unter den Gästen aus Deutschland gibt es auch Geschäftsreisende und Menschen, die Kasachstan zu rein touristischen Zwecken besuchen (Kultur- und Bildungstourismus, Ethnotourismus, Ökotourismus, Sporttourismus). Ihre Zahl ist jedoch wesentlich geringer.
Worin liegt der Reiz?
Anhand der Interviews kann man beurteilen, was genau deutsche Touristen in Kasachstan anzieht. Und das ist vor allem die Exotik. Kasachstan kann den Europäern etwas Neues bieten, etwas, das sie noch nicht gesehen haben. Als großen Vorzug von Kasachstan als Reiseziel nannte die Mehrheit der Befragten die Natur (Vielfalt der Landschaften, unberührte Natur und wenig Touristen).
Angeführt wurden auch die Gastfreundschaft der Einwohner des Landes, die visa-freie Einreise für 30 Tage. Auch das Vorhandensein von Metropolen wie Astana und Almaty ist ein Vorteil. Kasachstan verfügt über internationale Flughäfen, die von Frankfurt aus direkt angeflogen werden. Zu den Vorteilen gehören die politische Stabilität sowie das Fehlen einer Sprachbarriere für russischsprachige Touristen.
Was fehlt denn noch?
Gleichzeitig wiesen einige Befragten auf die Nachteile von Kasachstan als Reiseziel hin. An erster Stelle nannten sie die mangelnden Englisch- und Deutschkenntnisse des Personals und der Landeseinwohner. An zweiter Stelle stehen die schlechte Infrastruktur und das niedrige Serviceniveau. Bemängelt wird das Fehlen von guten Straßen, Toiletten am Straßenrand und Rastplätzen. Eine Dame in den 60ern berichtet: „Viele interessanteste Orte sind nur für Rucksacktouristen zugänglich, nicht für Touristen wie mich, die eine bequeme Busfahrt und eine Übernachtung wünschen.“
An dritter Stelle der Nachteile steht die lange Reise von Deutschland nach Kasachstan: Der Flug dauert mehr als sieben Stunden. Es gibt nur wenige Flüge. Als Nachteile wurden auch genannt: fehlende Informationen, Schwierigkeiten beim Reisen mit Kindern und anderes.
Viele ehemalige Kasachstandeutsche würden gern Kasachstan besuchen, werden aber von den hohen Flugpreisen abgeschreckt. Für viele sind Astana oder Almaty nicht der Endpunkt. Sie müssen in regionale Zentren fliegen und manche müssen weiter in Dörfer reisen. „Ein Sommerurlaub in Kasachstan ist für unsere Familie sehr teuer. Allein der Flug für 4 Personen kostet etwa 4000 Euro. Für einen zweiwöchigen All-inclusive-Strandurlaub mit der Familie im Ausland brauchen wir 1,5 Mal weniger Geld (etwa 2700 Euro)“, sagt einer der Befragten.
Das Potenzial Kasachstans
In den Jahren 2006 bis 2010 führte das deutsche Marktforschungsunternehmen im Bereich Tourismus „IPK International“ eine Studie über das Image Kasachstans auf dem Welttourismusmarkt durch. Es prognostizierte, dass Deutschland bis zum Jahr 2020 zu einem vorrangigen Markt werden wird, aus dem man potenziell einen Touristenstrom erwarten kann. (Die Kasachstan-Expertin Dagmar Schreiber meint, dass die Firma IPK „völlig überzogene Prognosen aufgestellt und damit falsche Hoffnungen geweckt hat“. Mehr dazu – im Kommentar von Dagmar Schreiber. Anm. d. Red.)
Kasachstan wartet jedoch noch immer auf den versprochenen Zustrom. Auch deshalb wird derzeit das „Konzept zur Entwicklung der Tourismus-industrie der Republik Kasachstan für 2023–2029“ umgesetzt. Es sieht den Bau neuer Straßen und die Entwicklung verschiedener Routen vor. Und den 50. Platz im internationalen Travel & Tourism Development Index. Und dieses Ziel ist schon fast erreicht: Im Ranking für das Jahr 2024 lag es bereits auf Platz 52.
Dagmar Schreiber: Massentourismus in Kasachstan?
Von Zeit zu Zeit geistern Pläne durch die kasachischen Medien, den Tourismus im Land verstärkt zu entwickeln und einen Massentourismus aufzubauen. Immer mal wieder vergleicht man sich mit Ländern, die zehn Prozent und mehr ihres Bruttoinlandprodukts aus dem Tourismus generieren.
Das darf in Zeiten von Klimawandel und multiplen Krisen als höchst leichtsinniges Unterfangen gelten. Kasachstan hat, im Vergleich zu klassischen Tourismus-Destinationen, keine Voraussetzungen für Massentourismus, keine Meeresstrände, kein mildes Klima, wenig kulturhistorische Magneten. Das empfindliche Ökosystem der Hochgebirge ist für Skitourismus nicht geeignet, da durch rasant steigende Temperaturen die Gletscher verstärkt schmelzen und damit auch der Wasserhaushalt immer angespannter wird.
Die Attraktionen, die das Land anzubieten hat, abwechslungsreiche Landschaften und eine teilweise wiederbelebte Nomadenkultur, sind touristisch durchaus interessant, werden durch Massentourismus jedoch zunichte gemacht. Kasachstan sollte auf Klasse statt Masse setzen und die Entwicklung eines hochwertigen Öko- und Ethnotourismus unterstützen, der seine eigenen Voraussetzungen nicht zerstört.
Dieses Produkt wird von Touristen aus dem (westlichen) Ausland auch verstärkt nachgefragt.

Dagmar Schreiber (60) aus Edersleben ist Autorin des „Reiseführers Kasachstan: Mit Almaty, Nur-Sultan, Tien Schan und Kaspischem Mee“, der mehrmals verlegt wurde. Sie hat von 2008 bis 2014 in Kasachstan gelebt und geholfen, ein Netzwerk von Ökotourismus-Gästehäusern und Touren aufzubauen. Dagmar Schreiber war auch Mitbegründerin der Bewegung „Save Kok-Zhailjau“ gegen die geplante Zerstörung der Ile-Alatau-Nationalparks durch ein Mega-Skigebiet. Diese Pläne wurden 2018 durch einen Präsidentenbeschluss verboten, werden aber jetzt in modifizierter und erweiterter Form wieder reaktiviert.