Im Saal herrscht Schweigen. Es wird nur vom unregelmäßigen Quietschen unterbrochen, das von einem unheimlichen Schauspiel stammt: erbarmungslos rotierende Glaskronen an der Spitze von sechs über zwei Meter hohen, kunstvoll verzierten Stahlsäulen. Die Säulen umringen das Auge des Betrachters, den es gleichzeitig fesselt und ihm eiskalt über den Rücken läuft. Gehüllt in dunkles, rotes Licht entsteht so ein schleichendes Gefühl der Unruhe, ja des Unbehagens, vor einem Szenario, das wie aus einem Fantasy-Film wirkt. Doch der Gedanke, der sich tief hinter dem über 900 Kilo schweren Werk verbirgt, ist Teil einer schweren Realität. „Leidenschaft für Palmyra” symbolisiert die Grausamkeit jenes Krieges, der das Erbe einer der ältesten Kulturstätten der Welt fast vollkommen zerstörte.
Die temporäre Ausstellung „Skulpturen. Optisches Glas” im Russischen Museum für Ornamentale Kunst umfasst über 30 plastische Arbeiten des Skulpteurs Andrej Moltschanowskij. Raffinierte Objekte aus optischem Glas, die sich auch Bronze und Kunststoff bedienen, verschmelzen dabei mit verspielten Lichteffekten zu Moltschanowskijs Vision einer zeitlosen Schönheit der Welt. „Das Material erweckt quasi den Eindruck, lebendig zu sein”, so Besucher Grigorij Slatogorow. Neben dem Zeitgeschehen werden auch persönliche Erfahrungen in der abwechslungsreichen Vergangenheit des Künstlers thematisiert. So wirken Plastiken wie „Spaziergang am Schwarzen Meer”, „Sonnentag” und „Meine Liebste” weitaus friedlicher, fast schon romantisch – jedoch nicht weniger emotional.
Moltschanowskij, gebürtiger Ukrainer mit russischen Wurzeln, studierte in Odessa und St. Petersburg, bevor es ihn nach Moskau zog. Seitdem etablierte er einen Kreis von Künstlern, die eine enge Freundschaft verbindet. Dazu gehört neben Jurij Lewtschkin auch Wladimir Andrejew. Der Mechaniker half bei der technischen Umsetzung von „Leidenschaft für Palmyra“.
Die Objekte enthalten viel von der Persönlichkeit eines Künstlers, dessen Humor auch Werken wie „Kleiner Napoleon” spürbar innewohnt. Nicht umsonst war der „große” französische Kaiser, 1812 im „Vaterländischen Krieg“ von Zar Alexander I. zurückgeschlagen, für seinen kleinen Wuchs bekannt.
„Die Werke erwecken in mir den Eindruck einer vergessenen Avantgarde der 1930er Jahre”, beschreibt die Chabarowsker Bildhauerin Galina Korsina. „Für mich geht ein Traum in Erfüllung”, resümiert Moltschanowskij gerührt auf der Vernissage.
Christopher Braemer